„Jedes Jahr aufs Neue strömen tausende von Erstis aus der familiären Geborgenheit rein ins waschechte Studenten-Leben. Sie finden ihren Platz meist in Studenten-WG’s oder 1-Zimmer-Wohnungen. Alle mit dem gleichen Vorhaben: Studieren. Versorgt mit literweise Kaffee und Büchern beginnen sie einen neuen Abschnitt ihres Lebens an den Universitäten unseres Landes. Grund genug, den Ersti einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und seine ersten Tage zwischen studentischer Organisation, massenweise Koffein und Party zu begleiten.
Distanz und Paarungsverhalten
Der Ersti: unauffällig auffällig schleicht er in den ersten Tagen des Semesters durch den Uni-Dschungel. Einen natürlichen Abstandhalter, um höhersemestrige Studenten erst einmal auf Distanz zu halten, stellen dabei die vollgepackten Taschen dar, denn schließlich ist es sinnvoll, gleich mal für die kommenden
Module vorzusorgen und die mindestens 5000 Seiten Bücher mit Textmarker, Notizzetteln und Lektüreschlüsseln direkt in der ersten Studienwoche zu analysieren.
Genauso ausgeprägt wie die Liebe zu vollgepackten Taschen ist auch des Erstis Rudelverhalten. Man trifft ihn nur in den seltensten Fällen alleine an. Ein Ersti – einsam, verlassen und isoliert auf dem Campus? Undenkbar, denn schließlich liegt es in seiner Natur, so nah wie möglich bei seinem Rudel zu bleiben, um nicht auf dem Campus oder noch schlimmer, in den Tiefen des GW2 verloren zu gehen.
Zwischen Essensaufnahme und Überforderung
Verloren ist der Ersti auch bei der Tablettabgabe in der Mensa: die Schwierigkeit, Besteck und Geschirr auf dem Tablett für die Abgabe richtig zu ordnen, stellt ihn schon in der Orientierungswoche vor seine erste studentische Herausforderung, die es zu meistern gilt. Besteck oben links – oder doch in die Mitte? Das Glas unten rechts? Nein, auch falsch. Ach egal – die Dame an der Tablettannahme ist schließlich immer überaus engagiert, um bei solch einer anspruchsvollen Aufgabe tatkräftig zur Seite zu stehen. Eine Mathematikklausur ist quasi nichts dagegen, denn es braucht nicht nur logisches, sondern auch handwerkliches und motorisches Geschick, um dort mit Bravour zu bestehen.
In der Orientierungswoche wird dem Ersti aus reinster Berechnung der Höhersemestrigen auch gezeigt, was es bedeutet, Student zu sein. Unter dem Deckmantel des Kennenlernens anderer Erstis, des Uni-Campus und der Stadt, wird er durch Kneipentouren, hier und da ein Schnäpschen und Flunky-Ball starkem Alkoholkonsum ausgesetzt. Das eigentliche Motiv der Studenten ist dabei jedoch nicht, den Ersti mit Spaß zu motivieren, sondern sie durch den Alkohol in den Zustand zu versetzen, den er nach den ersten paar Semestern erreichen wird: So nett wie sie sind, möchten sie dem Ersti nämlich bewusst machen, wie sich eine Klausurenphase nach drei Wochen anfühlt und wie das Dahinvegetieren in der Uni-Bibliothek beim Recherchieren für Haus- und Bachelorarbeiten von Statten geht.
Alkohol ist in der O-Woche also eigentlich nur Mittel zum Zweck, quasi eine Warnung an die Erstis, es sich vielleicht doch noch anders zu überlegen – leider versteht ein Ersti dieses Motiv meistens falsch und startet mit einer Euphorie in die erste Semesterwoche, die nicht einmal Loreens ESC-Song “Euphoria” aus dem Jahr 2013 besser beschreiben könnte.
Hang zum Engagement
Der Vorzeige-Ersti hat seinen Stundenplan bereits vor der O-Woche fertiggestellt, um ja kein Seminar oder eine Vorlesung zu verpassen. Nachdem die erste Verwunderung über den überdimensional großen Klassenraum verflogen ist, bewaffnet er sich mit Block und Stift oder Laptop, um die Folien, die der Dozent 20 Meter vor seiner Nase auf einer riesigen Leinwand präsentiert, auch noch mal fünf Zentimeter vor sich zu haben. Das gesprochene und geschriebene Wort wird mit gespitzten Ohren und wachem Blick verfolgt, fast so, als sei er auf der Jagd und seine Beute sei das Wissen. Bei der ersten Frage des Dozenten schnellen die ersten Finger in die Höhe: Liebe Erstis, in der Uni gibt es keine mündlichen Noten; intensives Melden, Schnipsen oder Arm abstützen, um endlich dran genommen zu werden, bringt also genauso viel wie in der Vorlesung mit dem Professor diskutieren zu wollen – nämlich nichts.
Da der Ersti es aus der Schule noch gewohnt ist, einfach aufstehen zu können, wenn er gewisse Bedürfnisse in der Vorlesung verfolgen muss, er aber ja trotzdem ein Rudeltier ist, wie wir bereits wissen, wird sich gerne in die Mitte einer Hörsaal-Reihe gesetzt, zum Leidwesen der restlichen Reihe. Der Ersti ist nämlich immer darauf bedacht, möglichst dann seinen Bedürfnissen nachzugehen, wenn sich gerade alle hingesetzt haben. Oder einfach mal mitten in der Vorlesung, um die Konzentration der gesamten Sitzreihe zu infiltrieren.
Wir heißen euch herzlich willkommen –
nehmt euch, die Uni und diesen Text nicht zu ernst, und ihr werdet sehen, das Uni-Leben kann auch Spaß machen – besonders an den Wochenenden und wenn man schläft.
Wer nun von den verschiedenen Studententypen einen Eindruck bekommen möchte, kann sich hier einen Überblick verschaffen.
Linda Eggert
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