Oft stiefmütterlich behandelt wird die kreisfreie Kleinstadt Delmenhorst im Oldenburger Land mit ihren rund 75.000 Einwohnern. Die KROSSE-Redaktion hat sich selbst ein Bild von der Stadt gemacht.
Delmenhorst – Oh no!
Vor allem auch bekannt durch den Jodel-Hashtag #justdelmenhorstthings oder einfach nur #delmenhorst wird oft über die Stadt bzw. deren Bewohner hergezogen.
Oft heißt es, die Bewohner wären ungebildet, ihr Verhalten von niedrigem Niveau und irgendwie wären alle Delmenhorster miteinander verwandt.
Zudem schreckt viele Besucher oder Durchreisende der Anblick der Blockgebäude “Wollepark” ab – zugegeben ist das wirklich kein schöner Anblick, der schon bei der Anreise aus Richtung Bremen zu erkennen ist. Wie eine verfaulte Bienenwabe sticht noch der Rohbau des Gebäudekomlexes in den Himmel. Viele mafiösen und unschönen Geschichten ranken sich um die längst baufälligen Sozialwohnungen und tragen zum schlechten Image der Stadt bei.
Aber sehen wir mal davon ab und wenden uns der Stadt als solcher zu. Da gibt es nämlich doch unerwartet den ein oder anderen Schatz zu heben. Delmenhorst – let´s go!
Die Innenstadt
Die Innenstadt ist sofort vom Bahnhof zu erreichen und ähnelt vom Aufbau der Fußgängerzone von Oldenburg: V-förmig oder dreieckig angelegte Straßen bieten von Drogerien über Reisebüros, Cafés an einem schönen Marktplatz und den gängigen Filialisten eigentlich alles, was man zum Leben braucht.
Leider sind jedoch immer wieder Geschäfte leer oder dauerhaft geschlossen und trüben das Bild einer sonst recht schönen Innenstadt. Vor allem aber fallen die Textilwarenhändler mit Billigstwaren und ihren üppig behangenen Ständern auf der Straße auf. Eine besondere Vielfalt an Einkaufsmöglichkeiten bietet die Stadt daher eher nicht. Auch im Jute-Center auf der anderen Seite des Bahnhofes sieht das Bild ähnlich aus: Viele Geschäftsflächen sind leer oder dienen als Werbefläche. Neben einem Drogeriemarkt, einem Friseur und einem Café ist dort eher “tote Hose”. Einziger Anziehungspunkt dort ist das große Maxx-Kino (das derzeit nach einem neuen Investor sucht).
Außerdem sollte man sich vielerorts hüten, einen Blick in die Seitenstraßen zu werfen. Sobald man hinter die Fassade der Fußgängerzone in der “Langen Straße” tritt, zeigt sich nämlich oft, dass es für mehr als eine halbwegs schöne Fassade leider nicht gereicht hat. Verfallene Hinterhöfe, bröckelnder Putz und versiffte Hausansichten zeichnen die Kehrseite der Stadt.
Kultur
Gut zu Fuß zu erreichen ist die städtische Galerie im Haus Coburg. Eine weiße Villa mit einem kleinen Skulpturengarten steht wie eine Insel der Kunst mitten an der Hauptstraße. Zu sehen sind hier unterschiedlichste Ausstellungen auch von regionalen und ortsansässigen Künstlern.
Das Nordwolle-Museum liegt ebenfalls nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt und zeigt eine Ausstellung zum Thema der ehemaligen Wollindustrie. Gelegentlich ziehen junge Künstler mit ihren Ausstellungen hinzu. Übrigens kann in den alten Fabrikhallen auch geheiratet und einzelne Räume für Tagungen und Feierlichkeiten gebucht werden.
Vereinzelt sind in den Straßen auch Diskotheken und Clubs zu finden, augenscheinlich jedoch feiert es sich besser in Bremen oder Oldenburg.
Spiel & Sport
In dieser Hinsicht zeigt sich die Stadt familienfreundlich: Viele Kinderspielplätze sind in jüngerer Vergangenheit modernisiert worden oder komplett neu entstanden und umfassen oftmals größere Flächen – ein wahres Spieleparadies für Kiddies.
So gibt es auch für Jugendliche und Erwachsene ein großes Angebot an Sport- und Freizeitaktivitäten, die meist von Vereinen angeboten werden.
Im Besonderen verfügt Delmenhorst über einen Segelflugplatz und ist durch die Nähe zu Ganderkesee und dem dortigen Flugplatz für Leichtmotorflugzeuge auch attraktiv für Hobby- und Berufspiloten.
Freizeit & Erholung
Schon gewusst? Ein Drittel von Delmenhorst ist (Natur-)Schutzgebiet. Größtenteils sind die Schutzgebiete nicht zu durchwandern. Allerdings fährt eine Museumsbahn eine romantische Tour durch das Grün und verbindet Delmenhorst mit den umliegenden Orten.
Ein Teil der “grünen Lunge” der Stadt ist dennoch zugänglich. Zum Beispiel lädt der Stadtpark “An den Graften” zu einem herrlichen Spaziergang ein. Es heißt, dass Bremer Bürger dort ihre Freizeit verbrachten bevor es den Bürgerpark in Bremen gab. Und tatsächlich fällt die Vorstellung gar nicht schwer: Die Parkanlage wird von einem kleinen Wasserarm durchzogen, den man auch ein Stück mit den Booten vom Bootsverleih erkunden kann.
Direkt an dem Park liegt auch die recht bekannte Graft Therme, die ein üppiges Programm aus Schwimmspaß, Sauna und Massagen bietet. Erholung ist hier für Jedermann möglich.
KROSSES Fazit
Was soll man also nun von der Stadt halten? Letztendlich gibt es keinen triftigen Grund Delmenhorst zu meiden. Dass die Menschen tatsächlich seltsam sind, kann wohl vorerst nicht bestätigt werden – zumindest ist nichts Konkretes in der Hinsicht auffällig gewesen. Irritierend ist, dass die Stadt am Tag auch bei schönem Wetter kaum bevölkert zu sein scheint. Wirklich spannendes Sightseeing bietet die Stadt einfach nicht. Und so scheint es naheliegend, dass viele Anwohner den Tag über in Bremen oder Oldenburg arbeiten und dort entsprechend eher ihre Freizeit verbringen, die Stadt so eher als kostengünstigen Wohnsitz nutzen.
Wer aber aus der Umgebung kommt oder im Umland zu Besuch ist, darf der Stadt ruhig mal einen Besuch abstatten. Ein gemütlicher Spaziergang “An den Graften” biete sich doch für einen sonnigen Tag an.
Zwar hat mich persönlich der Besuch in Delmenhorst nicht aus den Socken gehauen, war aber besser als erwartet. Die Stadt hat durchaus Potential – scheinbar wird es nur nicht völlig ausgeschöpft. Jedenfalls habe ich mir nun noch vorgenommen, mit der Museumsbahn zu fahren und kann einen entspannten Tag in der Graft Therme nur empfehlen!
Amelie Szameit