Vom 17. – 25. Mai verwandelte sich in der Überseestadt eine ungenutzte Brachfläche in einen bunten Veranstaltungsort: Das Bremer Künstlerkollektiv Zuckerwerk veranstaltete ein Festival unter dem programmatisch gegenläufigen Titel „Unterseedorf“.
Auf dem Plan stand ein reichhaltig kulturelles Programm: Konzerte, Workshops, Theaterperformance, Vorträge und Diskussionen bis hin zu Kindertag und Lesung. All dies unter freiem Himmel – gerahmt durch DIY-Attitüde sowie Kunst- und Lichtinstallationen. Die denkbar schlechten Wetterumstände konnten dabei selbst den abendlichen Partys bei elektronischer Tanzmusik nichts antun – Sturm und Regen wurden mit künstlerischem Gestaltungswillen und handwerklichem Fleiß getrotzt.
Nur kurz zum Hintergrund: Seit knapp einem Jahr ist der Zucker Club – vormals Heimat des Kollektivs und damit einer Reihe von Künstlern und Musikern – nun geschlossen. Die noch immer ergebnislose Suche nach einer neuen Bleibe scheint dem Gestaltungsdrang aber nichts anzuhaben: Gemeinsam mit der Zwischenzeitzentrale (ZZZ) wusste das Kollektiv zu zeigen, was es in kürzester Zeit auf die Beine stellen kann.
Bunt, bunt, bunt
Dem Besucher tat sich beim Betreten des Geländes eine eigene kleine Welt mit sehr viel Liebe fürs Detail auf – und das ausgerechnet inmitten vom städtebaulichen Entwicklungsprojekt Überseestadt, wo sich doch neuerdings die young urban professionals herumtreiben. Zelte und bunt verzierte Stände dienten sowohl als Veranstaltungsort und Bar als auch als gemütlicher Unterschlupf bei Regen. Es gab eine große, aus Holz gezimmerte und später sogar überdachte Bühne nebst Hollywoodschaukel, eine Wohnmobil-Cocktailbar namens Erika, einen Glittergewitter-Abschminktisch und verschiedene Kunstinstallationen, unter anderem zusammengeschraubt und aufgetürmt aus Fahrradfelgen – um nur einen ersten Eindruck zu beschreiben. Nach dieser Grobübersicht fielen nach und nach die lieblichen Details ins Auge: eine Schrei-Box, um seiner Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen – einhergehend mit der Forderung nach Aktivismus – Gemälde, Zeichnungen, wilde Holzkonstruktionen, bunte Schilder und Decken. Pavillons waren mit roten Ketten verziert und Schaufensterpuppen bekamen Blumenkleider angezogen. Besonders viel Wert wurde auf das Schlagwort „Awareness“ gelegt. Bedeutet so viel wie, dass da jemand ist, wenn man sich nicht wohl fühlt, man unangenehm angemacht wird oder sich Stress anbahnt. Man achtete aufeinander. Und sobald sich das kulturelle Tagesprogramm dann irgendwann erschöpft hatte, wurden die Plattenteller angeschmissen und in guter Zucker Club-Manier zum gemeinsamen Tanzen eingeladen. Schön wars.
Und nun?
Doch spätestens am zweiten Wochenende war klar: Dies alles wird nicht lange bleiben. Die Freiraumsuche bleibt weiterhin ein ungelöstes Problem. Verantwortung hierfür sollte auch bei der Stadt Bremen gesucht werden, denn: Kultur braucht öffentliche Förderung, um sich gegen Investoren und Wirtschaftsinteressen durchsetzen zu können. Ohne Freiräume für Künstler können keine neuen Ideen entwickelt werden. Und das wird letztlich auch die Wirtschaft irgendwann zu spüren bekommen.
Tobias Theel, Christian Hannken