Am 24. Februar 2022 überfällt Russland die Ukraine. Seit Beginn des Krieges hat sich das Leben von Anastasiia Guzenkova verändert – und damit auch ihre Kunst. Mit ihrer Arbeit setzt sie ein klares Zeichen gegen den Krieg.
„Nein zu Krieg – No To War – Нет Войне“ – so lautet der Titel der aktuellen Ausstellung in der Villa Ichon in Bremen. Aufgeteilt in den vier Räumen des Veranstaltungshauses, präsentiert die Künstlerin Anastasiia Guzenkova ihre Werke. Sie sind innerhalb eines Jahres entstanden und haben starken persönlichen Bezug zur Künstlerin. Von großen Transparenten bis hin zu kleinen Radierungen –ausdrucksstarke Bilder zeigen das Leid und den Schmerz, die der Krieg in der Ukraine verursacht.
Es ist bereits die zweite Ausstellung der Künstlerin seit Beginn des Krieges. Ihre erste Anti-Kriegs-Ausstellung „Fear. В России сидят, в Украине умирают. In Russia: in jails – in Ukraine: dying.“, fand vor einem Jahr auf dem Ausstellungsschiff der HfK statt. Anastasiia erzählt, dass es schwierig war, einen Ort für ihre zweite Ausstellung zu finden: „Vielleicht, weil das Thema in den Medien weniger präsent wurde? Ich bin nicht sicher.“
Nun ist sie froh, ihre Kunst in der Villa Ichon ausstellen zu können. Es ist keine typische Galerie, sondern ein Veranstaltungshaus, in dem noch zahlreiche andere Events stattfinden. Es ist immer etwas los. Anastasiias Kunst hängt währenddessen in allen Räumen, für alle Besucher:innen gut sichtbar. Die größten Öl- und Acryl-Gemälde, eine Total-Installation sowie Poster des Animationsfestivals „MIR“, werden in hellen Räumen des zweiten Stocks ausgestellt. Im Erdgeschoss befinden sich kleinere Grafikarbeiten.
„Dieser Krieg ist ein Verbrechen.“
Anastasiia Guzenkova ist 1997 in Moskau geboren und studiert seit fünf Jahren an der Hochschule für Künste Bremen. Ihre Familie lebt in Russland und ihre Großmutter ist Ukrainerin.
Sie bezeichnet ihre Arbeit als „Protest im Namen des Friedens“ und erzählt: „Ich finde, dieser Krieg ist ein Verbrechen, es ist einfach unmöglich. Meine Großmutter ist zum Beispiel Ukrainerin und wir haben Kontakt mit der Ukraine, wir sind Familien.“
Die Werke der Ausstellung sind geprägt von Anastasiias persönlicher Geschichte. Die Emotionalität, mit der sie gemalt hat, hält alle Bilder wie ein einziges Werk zusammen. Ihre Motivation, etwas zu bewegen und ihre Energie dahinter werden in den vielen großformatigen Bildern und Installationen der Ausstellung erkennbar. Der Realisierungsprozess war jedoch nicht immer einfach.
„Wenn man nichts macht, nichts passiert.“
Anastasiia Guzenkova erzählt von den Schwierigkeiten, die auf sie zukamen – davon Entscheidungen zu treffen; vor Beginn der Arbeit, nach Vollendung der Bilder und währenddessen: „An erster Stelle war es schwer, überhaupt etwas zu machen. Morgens aufzustehen, das ist schwer. Wenn Krieg ist, macht kaum etwas Sinn. Und dann habe ich mich entschieden, ok, ich mache etwas, weil, wenn man nichts macht, nichts passiert. Aber Krieg zu malen, mit Emotionen Krieg zu malen, das ist unglaublich schwer. Ich weiß schon, manche Sachen, die hier ausgestellt sind, kann ich nie mehr malen, denn es ist zu schwer. Es ist mir trotzdem wichtig, etwas zu machen, weil ich bin der Meinung, wenn alle etwas machen, in der Art wie sie können, dann verändert sich etwas.“
Das künstlerische Engagement ist nicht nur eine emotionale Herausforderung für die junge Künstlerin. Ihre öffentliche Positionierung gegen den Krieg in Ausstellungen und Interviews – das geht auch mit realen Risiken für ihre Familien in Russland einher. Denn wie sie erzählt, ist es ist keine Seltenheit, dass unter dem autoritären Regime Putins die Eltern oder Großeltern für politische Aktivitäten ihrer Kinder haften.
Für Anastasiia war es eine bewusste Entscheidung, in Deutschland zu studieren. In Russland verspürte sie bereits früh politischen Druck, der auch ihr Studium und ihnren künstlerischen Ausdruck beeinflusste. Dabei ist sie gar nicht sicher, ob sie ihre Kunst überhaupt als politische Kunst bezeichnen würde. Sie erzählt: „Ich habe nicht Kunst als Protestmedium ausgewählt. Ich habe zuerst Kunst gewählt. Das Thema hat etwas mit mir zu tun, aber in erster Linie male und zeichne ich. Und erst dann entsteht der Protest.“
„Wie können wir weiterleben mit diesen Wunden? Gibt es noch Liebe und Hoffnung?“
Eigentlich findet Anastasiia es zu früh, über Frieden zu sprechen, bevor der Krieg überhaupt ein Ende gefunden hat. Trotzdem liegt der Schwerpunkt ihrer Ausstellung auf der Frage nach dem „Was dann?“.
In einem Zustand des Krieges als Realität und der gleichzeitigen Hoffnung auf Frieden, stellt Anastasiia mit ihrer Kunst Fragen: „Wie können wir weiterleben mit diesen Wunden? Gibt es noch Liebe und Hoffnung?“.
Ihre Suche nach dem Frieden drückt sich aus in einem künstlerischen Protest. Ein Protest im Namen des Friedens.
Die Ausstellung von Anastasiia Guzenkova läuft noch bis zum 02. September 2023 in der Villa Ichon.
Am 11. Juli um 18 Uhr findet außerdem ein Rundgang durch die Ausstellung mit der Künstlerin selbst statt.
Weitere Eindrücke zu ihrer Arbeit gibt es auf Instagram unter @canishowsmth.
Von Paula Schülke