Nachdem sie letztes Jahr ihr Buch „BITCHSM – Emanzipation, Integration, Masturbation“, einen Lifestyleguide für Frauen, veröffentlicht hatte, wurde es wieder ruhiger um die Bremerin Dr. Reyhan Şahin – oder auch bekannt unter dem Pseudonym „Lady Bitch Ray“. Die Linguistin und Rapperin kümmert sich um viele Projekte, konzentriert sich aber derzeit auf ihre wissenschaftliche Karriere und ihre Dissertation. Aber wer jetzt denkt, dass Lady Bitch Ray nur noch als Wissenschaftlerin arbeitet, kann aufatmen!
Die Queen of BITCHSM hat sich extra für KROSSE Zeit genommen und verriet uns im gewohnten „Vagina Style“ wie sie alle Projekte unter einen Hut bekommt und was wir von ihr in nächster Zeit erwarten können!
Patricia: Lady Bitch Ray steht für „BITCHSM“. Du hast letztes Jahr dein gleichnamiges Buch, einen Lifestyleguide veröffentlicht und erzählst von „BITCHSMUS“ als einen Weiblichkeitsentwurf, eine feministische Philosophie, für moderne, junge Frauen, die eine rebellische Absicht haben und nicht alles schlucken, was man ihnen vorsetzt. Wie ist seit dem die Resonanz zu deinem Buch gewesen?
Lady Bitch Ray: Die Resonanz war gut gewesen! Dafür, dass ich dieses Buch im Alleingang in meinem eigenen Votzenschleim Verlag in Zusammenarbeit mit Panini herausgebracht habe und keine Zeit für Werbung hatte. Nachdem ich „BITCHSM“ herausgebracht habe, musste ich mich danach schon hinsetzen und Forschungsanträge schreiben. Ich konnte wegen meiner Pilotstudie, die ich vom letzten bis Anfang diesen Jahres gemacht habe nicht so aktiv sein. Mir war es wichtig, dass ich junge Frauen anspreche. Ich hinterfrage bestimmte gesellschaftliche Strukturen in diesem Buch. Gleichgültig wie diese Frauen mit dieser Thematik konfrontiert sind, können sie darüber anfangen nachzudenken und im Kleinen bestimmte Sachen verändern.
Hast du auch Meinungen von Frauen erhalten, die sich das Buch gekauft haben und gesagt haben, dass du ihnen die Augen geöffnet hast?
Die Frauen die mich anschreiben sind zwischen 20 und 60 Jahre alt – es schreiben mich überwiegend junge Frauen an, aber man glaubt es kaum, es schreiben zunehmend auch ältere Frauen und bestätigen mir meine Gedanken. Solche Zuschriften freuen mich mehr als irgendwelche medialen Dinge. Das ist das Wichtigste was man sozusagen, aus meiner Kunstfigur, aber auch von mir als Wissenschaftlerin mitnehmen kann.
Du arbeitest momentan an der Veröffentlichung deiner Dissertation. Was ist dein Untersuchungsgegenstand? Um welche Thematik handelt es sich?
Meine Dissertation ist eine empirisch fundierte Bedeutungsanalyse des muslimischen Kopftuchs in Deutschland. Ich habe Kopftuchträgerinnen der zweiten und dritten Generation fotografiert und zur ihrer Bekleidungswahl, ihrem Lifestyle und feministischen Ansichten befragt. Für mich war nicht nur wichtig, die Meinung der Frauen zu hören, sondern auch zu gucken, wie sehen überhaupt diese jungen Frauen aus, die ein Kopftuch tragen, mit was kombinieren sie das und ich habe diese Informationen dann in bestimmte Bekleidungskategorien gefasst. Es soll eine Art Nachschlagewerk sein und deshalb möchte ich es auch als Buch veröffentlichen. Da ich Teil der Medien bin, möchte ich die Medien auch von innen beeinflussen. Die Medien prägen die Menschen auf eine Art. Ich habe als Lady Bitch Ray im Jahre 2006 einiges vorgelebt welches POSITIVE Folgen hatte – sei es in der Rap Szene oder für andere Frauen in anderen Bereichen. Und das möchte ich gerne vollenden. Im künstlerischen UND wissenschaftlichen Bereich!
Du bist für Deine Dissertation mit dem “Deutschen Studienpreis 2013” ausgezeichnet worden. Kannst Du den Krosse.info-LeserInnen dazu etwas sagen?
Ich hatte mich mit meiner Dissertation zur Bedeutung des muslimischen Kopftuchs in Deutschland bei der Körber Stiftung beworben, dort wurden Dissertationen mit gesellschaftspolitischer Relevanz ausgezeichnet. Danach gab’s eine Präsentationsrunde, in der die Nominierten ihre Dissertationsstudien präsentieren mussten, das war am 1. Juli. Zwei Tage später rief mich die Stiftung an und teilte mir mit, dass ich den 2. Platz gemacht habe, ich habe mich gefreut. Die Preisverleihung wird im November 2013 sein. Mit diesem Preis bestätigt sich, dass meine Dissertation, welche die Bedeutung des muslimischen Kopftuchs in Deutschland behandelt, für unsere bundesdeutsche Gesellschaft wichtig ist. Das sollte die Aufgabe einer jeden wissenschaftlichen Arbeit sein: Wichtige Bereiche entdecken und aufklären! Das nenne ich übrigens auch “Vagina Style, yeah!”
Du bist in vielen Branchen tätig. Du hast dein eigenes Musiklabel, einen Buchverlag, du bist wie schon erwähnt Rapperin und Wissenschaftlerin. Wie bekommt man alles unter einen Hut? Und wie sieht’s mit der Musik aus?
Ich lege den Fokus darauf, dass ich im Bereich der Wissenschaft mein Geld verdiene. Damit finanziere ich meine anderen Projekte. Es hört sich zwar bescheuert an, aber es ist nun einmal so, sobald man sich alles selbst bezahlen kann, hat man auch die Macht darüber. Deswegen schaue ich inwieweit ich bestimmte Projekte verwirklichen kann.Ich habe letztens beim perfekten Promi-Dinner mitgemacht (Sendetermin Herbst 2013), aber gerappt habe ich seit 5 Jahren nicht mehr! Ich möchte auf jeden Fall noch ein paar Songs machen. Das ist eine Leidenschaft von mir!
Warum lebst du noch in deiner Heimatstadt Bremen?
Weil ich Bremen liebe, aber irgendwann werde ich wegziehen. Wenn man wissenschaftlich tätig ist wie ich, muss man flexibel sein und den Standort öfters wechseln. Ich werde wenn dann entweder nach Hamburg oder nach Berlin gehen. Berlin ist aber wirklich meine letzte Option. Aber sonst würde ich hier bleiben. Man ist heutzutage so mobil, dass es egal ist, wo man lebt.Wie gesagt, ich liebe Bremen, würde aber sehr gerne schauen, wo die Wissenschaft mich hinführt.
Wie sieht eigentlich der Alltag einer Dr. Bitch Ray aus?
Es ist schon sehr interessant, was ich mache, aber wahrscheinlich würden nur die Wenigsten meinen Alltag mit mir tauschen wollen, wenn sie wüssten wie hart das ist! Vielleicht würden einige mein Leben im Rampenlicht mit mir tauschen wollen oder die Narrenfreiheit, die ich mir mittlerweile in bestimmten Bereichen erkämpft habe. Das ist schon cool, aber der Alltag ist schon hart. Ich kann sagen, dass ich um 7 Uhr morgens aufstehe und erst einmal frühstücke. Ich gehe dann in die Universität und arbeite und gehe danach zum Thaiboxen. Wenn ich dazu komme Kunst zu machen, bin ich ein paar Tage in Berlin oder in Hamburg und treffe mich mit Produzenten und mache Musik. Ich möchte gerne noch einen Roman schreiben und ich hätte eine Idee für eine Sendung, an deren Konzept ich gerne mitarbeiten möchte. Und zwischendurch amüsiere ich mich mit einigen meiner Lustknaben 🙂
Und zu guter Letzt: Welchen Tipp fürs Lebens würdest du unseren Krosse.info- LeserInnen mit auf den Weg geben?
Sie sollen sich auf keinen Fall von der Karrieregeilheit und vom Karrierezwang beirren lassen. Es ist ein Trend zu verzeichnen, sowohl bei Studenten, als auch bei Lehrenden, dass es beim Studieren mittlerweile gar nicht mehr um den Inhalt geht, sondern nur darum, wer die besten Noten schreibt und wer das beste Auslandstudium macht. Ich hatte zum Beispiel gar keinen Auslandsaufenthalt im akademischen Sinne, da meine Eltern keine Möglichkeiten, mir das zu bezahlen. Man soll sich nicht von solchen Dingen beirren lassen und wirklich seinen Traum leben. Was den Beruf angeht und auch das Studium. Natürlich brauchen wir alle Geld zum Leben. Ich glaube aber, dass man ziemlich unglücklich ist, wenn man nicht das macht, was einem gefällt. Man muss an seinen Traum glauben und das auch leben. Lebt Euren Traum und seid fleißig dabei! Pussy Deluxe und Freedom for Pussy Riot!!
Vielen Dank für das Interview!
Patricia Glabischewski