Mit Kaninchen und Hasen verbinden die meisten Menschen flauschiges Fell, puschelige Ohren und süße, kleine Knopfaugen – Erinnerungen an Klopfer aus Bambi werden geweckt. Fast jedes Kind wünscht sich als Haustier ein kleines Kaninchen, das durch sein Zimmer hoppelt und lustig mit seiner Nase wackelt. Wer findet es nicht idyllisch, einer Hasenfamilie auf einer grünen Wiese dabei zuzusehen, wie sie Löwenzahn mümmelt? Dass diese Idylle sehr weit entfernt von der Realität ist, zeigt sich bei einer Rassekaninchenausstellung im Bremer Umland, die die Idylle von glücklichen Kaninchen zu zerstören weiß.
Neben dem Wiener ein Burgunder
Klopfer: das süße Kaninchen aus Bambi, dass den Klee bevorzugt frisst, wünschte sich doch sicher jeder schon einmal – als Freund, zum Kuscheln oder um über seine süße Art zu schmunzeln.
Dass Kaninchen und Hasen jedoch nicht bloß Kuscheltiere sind, wird bei einer Rassekaninchenausstellung deutlich: Dort reihen sich blaugraue Wiener, fahlrote Burgunder und weiße Hototen in ihren Käfigen nebeneinander, um sich in ihrer vollen Pracht vor einer Jury und den Besuchern zu präsentieren. Was von den Namen her eher wie neue Bockwurstsorten klingt, sind international bekannte Kaninchenrassen. Am 13./14. November fand eine Rassekaninchenausstellung in Grasberg, einem kleinen Ort etwa 25 Kilometer östlich von Bremen, statt und begeisterte mit Kaninchen aller Formen und Farben die allgemeine Züchtergemeinschaft.
Der deutsche Riese
Es riecht etwas streng in der Reithalle: auf insgesamt 20×40 Metern reihen sich die etwa 150 niedlichen (Kuschel-)tiere in kleinen Käfigen aneinander. Trotz der Vielzahl an Hasen ist es relativ still – zumindest die Hasen geben keinen Laut von sich, außer vielleicht mal ein Klopfen. Die Züchter jedoch fachsimpeln leidenschaftlich über das richtige Fell, die perfekten Augen und die generelle Erscheinung, um vom Zuchterfolg sprechen zu können. Ein deutscher Riese, der neben der Züchtergruppe auf seine Bewertung wartet und bis zu sieben Kilo schwer wird, macht besonders Eindruck: Mit seinen Hinterpfoten stampft er immer wieder auf – vielleicht, um seinen Unmut über die reine Instrumentalisierung deutlich zu machen.
Kontrolliertes Rammeln…
Um die gewünschten Zuchterfolge zu erreichen, wird natürlich nicht frei in der Gegend herumgerammelt, weiß Heinz Böschen: „Die Kaninchen werden schon ganz gezielt miteinander gepaart. Freie Partnerwahl gibt es bei uns nicht.“ Diese Aussage lässt bereits erahnen, dass die Rassekaninchen ein eher tristes Dasein erleben. Das idyllische Bild von glücklichen Hasen, die fröhlich über eine grüne Wiese hoppeln, wird hier zerstört: Hans-Dieter Heitmann, erster Vorsitzende des Kaninchenzuchtvereins HB4, fasst das Dilemma zusammen: „Auslauf beziehunsgweise große Gehege kennen unsere Rassekaninchen eigentlich nicht.“ Die Käfiggröße liegt meistens bei etwa 70×70 Zentimetern, auf denen sich die Hasen zuhause bewegen können.
… auf Kosten der Tiere
Die Gründe: Schutz vor Zugluft, Platzmangel und die Kontrolle über die Fortpflanzung. Man habe schließlich eine Zuchtanlage und keinen Zoo, so Heitmann abschließend.
So zeigt die Bewertungsliste am Käfig genau, ob das Kaninchen beziehungsweise der Rammler denn auch in Zukunft sein trauriges Leben weiterleben darf – der deutsche Widder beispielsweise darf eine maximale Ohrenspannweite von 40 Zentimetern haben und auch ganz leichte Zwergkaninchen von unter 1500 Gramm sind nicht zur Zucht zugelassen.
Und am Ende auf dem Tisch!
Der Wettbewerb um den Preis für den schönsten Hasen wird auch bei den plüschigen Kaninchen auf Kosten der Tiere ausgetragen. Wer als süßes Kaninchen die Rassenstandards nicht erreicht oder für die Zucht durch ein zu dünnes Fell, zu kleine Ohren oder zu große Augen nicht geeignet ist, findet sich im Kochtopf wieder – und nicht als das, was solch’ ein Kaninchen in den Augen vieler Kinder noch wäre: Ein guter Freund zum Kuscheln.
Linda Eggert