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Kinder auf dem digitalen Präsentierteller

21. September 2025

Fotos und Videos süßer Kinder erreichen in den sozialen Medien unzählige Likes und Aufrufe – doch was zunächst harmlos und niedlich scheint, birgt in Wirklichkeit ernste Gefahren und Konsequenzen für diese Kinder.

von Lara Jägeler

Ein „Swipe“ auf Instagram nach unten, ein weiteres „sü.es“ Kindervideo. Zu sehen ist ein kleiner Junge der auf seinem Kinderbett tanzt und dabei schief singt. Die Eltern lachen im Hintergrund und tausende Likes regnen über das Video. Immer mehr Eltern,vor allem sogenannte Familienblogger, dokumentieren und teilen über Jahre hinweg das Leben und den Alltag von sich und ihren Kindern auf Social Media. Diese Kinder wachsen sozusagen vor der Kamera auf und das in den meisten Fällen, bevor sie selbst darüber entscheiden können, ob sie das überhaupt möchten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Familie Jindaoui (auf YouTube @Jindaouis). Nader und Louisa Jindaoui gehören zu den erfolgreichsten Familienbloggern Deutschlands. Auf YouTube, TikTok und Instagram lassen sie ihre Community täglich an ihrem Familienleben teilhaben. Ihre Kinder Imani und Nidal stehen dabei oft im Mittelpunkt des Contents. In beinahe jedem Foto und Video sind sie präsent – ob auf Reisen, bei emotionalen oder ganz alltäglichen Situationen. Sie tanzen, singen, lachen, weinen, wachsen vor laufender Kamera auf. Man sieht Imani, wie sie in einem Kleid gemeinsam mit ihrer Mutter Louisa den neuesten TikTok-Tanz präsentiert. Millionen FollowerInnen begleiten sie in diesen Momenten ihrer Kindheit. Doch was auf den ersten Blick nahbar und inspirierend wirkt, wirft kritische Fragen zur Sicherheit der Kinder auf.

Sharenting: Kindheit vor laufender Kamera

Dieses Phänomen, dem heutzutage immer mehr Kinder ausgesetzt sind, nennt sich „Sharenting“. Der Begriff setzt sich aus den Worten „to share“ (teilen) und „parenting“ (Elternschaft) zusammen. Gemeint ist damit im Kontext der sozialen Medien, dass Eltern private Videos und Bilder von ihren Kindern auf digitalen Plattformen veröffentlichen, ohne über die langfristigen Konsequenzen dessen nachzudenken. Imani Jindaouis Leben wird seit der Ankündigung ihrer Geburt dokumentiert. Die Kamera ist fast immer dabei. Ihre Geburt wurde gefilmt und auf YouTube veröffentlicht – genauso wie viele ihrer ersten Male: die ersten Schritte, die ersten Worte, die ersten Arztbesuche. In einem Video ist zu sehen, wie die junge Imani mit wackeligen Beinen durch das Wohnzimmer läuft. Ihre Eltern jubeln und klatschen im Hintergrund. Auch in den Kommentaren feiern tausende Zuschauer diesen Meilenstein. All diese privaten Momente ihres Lebens wurden öffentlich gepostet und bringen Klicks, Likes und Reichweite. Kinder wie Imani werden so zum festen Bestandteil des Geschäftsmodells und der Marke ihrer Eltern. Aber was bedeutet diese digitale Medienpräsenz für Kinder?

Viele Influencer zeigen ihre Kinder sehr häufig auf Social Media.

Risiken einer öffentlichen Kindheit

Das Bundeskriminalamt und die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedizin (BzKJ) warnen Eltern vor den Gefahren, Kinderfotos im Internet zu teilen. Einmal online gestellt, können Medieninhalte unkontrolliert verbreitet und in problematischen Kontexten wiederverwendet werden. Ein besonders großes Risiko ist der Missbrauch durch Pädophile. Selbst harmlose Aufnahmen, wie etwa ein Bild von Imani Jindaoui, auf dem sie einfach nur lächelnd in die Kamera guckt, können in pädophilen Foren landen. Es sind nicht nur Fotos und Videos, die Kinder in unangebrachten Posen oder Situationen zeigen, die zur Zielscheibe werden. Auch die alltäglichen Fotos und Instagram-Storys, in denen Imani und Nidal Jindaoui zu sehen sind, können missbräuchlich verwendet und manipuliert werden. Mit neuartigen Deepfake-Technologien lassen sich Fotos und Videos in verstörende Kontexte bearbeiten. Diese sind dann dauerhaft im Netz zu sehen. Dennoch scheinen viele Eltern sich den möglichen Gefahren entweder nicht bewusst zu sein oder sie nehmen es bewusst in Kauf. Familienblogger wie die Jindaouis veröffentlichen trotz wiederholter Kritik weiterhin regelmäßig Fotos und Videos ihrer Kinder und setzen sie damit einem unsicheren Umfeld aus. Dabei haben alle Kinder ein Grundrecht auf Privatsphäre. Doch wer schützt sie, wenn ihre eigenen Eltern dieses Recht missachten? Kinder von Influencer-Eltern wachsen mit dem starken Verlust ihrer Privatsphäre und einer digitalen Identität auf, die sie nicht selbst gewählt haben.

Missbrauch und Cybermobbing

Neben dem Verlust der Privatsphäre sind Kinder von Content-CreatorInnen vielen weiteren Gefahren ausgesetzt. Auch im schulischen Umfeld kann ihre frühe Medienpräsenz zur Belastung werden. (Cyber-) Mobbing und Ausgrenzung sind ernstzunehmende Gefahren. Möglicherweise sitzt Imani Jindaoui in wenigen Jahren in der Schule, als ein Mitschüler ein Video auf seinem Handy abspielt: Zu sehen ist die zweijährige Imani, wie sie einen Wutanfall hat und weinend vor der Kamera sitzt. Sie selbst kann sich an diesen Moment nicht mehr erinnern, doch ihre Mitschüler lachen über das alte Video. Vielleicht fühlt sie sich bloßgestellt und schämt sich. Vielleicht ist sie wütend auf ihre Eltern, weil sie diesen Moment im Internet geteilt haben. Genau solche Bilder und Videos, wie sie von Imani und Nidal Jindaoui tagtäglich veröffentlicht werden, können gezielt als Angriffsfläche genutzt werden. Besonders beängstigend ist, dass die betroffenen Kinder keine Kontrolle über ihre digitale Fußspur haben, da sie selbst nie entschieden haben, diese Inhalte zu veröffentlichen. Das Löschen ist längst zu spät. Wenn Influencer-Kinder wie Imani und Nidal älter sind, können sie stark unter den Folgen ihrer frühen Medienpräsenz leiden.

Cybermobbing ist eine ernstzunehmende Gefahr für Kinder.

Umdenken. Wann?

Was früher für private Fotoalben fotografiert wurde, ist heute in den sozialen Medien für alle sichtbar. Es ist an der Zeit, dass Eltern, unabhängig von ihrer Followerzahl, überdenken, was sie von ihren Kindern teilen. Es geht nicht um Schuld, sondern darum Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht sitzt Imani eines Tages als Jugendliche vor ihrem Handy und fragt sich, warum ihre Eltern ihre Privatsphäre nicht geschützt haben. Wie lange noch zählen Likes und Follower mehr als die Sicherheit von Kindern?

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CybermobbbingSharentingSocial Media
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Allgemein  / Krossdenker

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