Künstliche Intelligenz (KI) ist heutzutage gang und gäbe in verschiedenen Teilen unserer Lebensbereiche. ChatGPT beispielsweise hat vor allem in letzter Zeit an Aufmerksamkeit gewonnen. Egal ob bei Recherchearbeit, kreativen Denkanstößen oder zur Beantwortung kurzer Fragen: der Chatbot soll in jeglicher Hinsicht alle Nutzer*innen unterstützen. Auch in der Musikwelt wird die Verwendung von KI immer häufiger zum Thema. Viele Stimmen prallen hierbei aufeinander, ein eindeutiger Weg zur angemessenen Nutzung muss jedoch erst noch gefunden werden. Es ist eine Zeit des digitalen Umbruchs, welche Chancen aber auch Schwierigkeiten mit sich bringt.
KI trifft den Ton schon länger
Computer schreiben nicht nur Lieder: mittlerweile kreieren sie Stimmnachbildung und Instrumente, meistern Tracks und erschaffen neue Formen der Audiosynthese. Prinzipiell ist Künstliche Intelligenz schon länger ein probates Mittel der Musikbranche. Empfehlungssysteme der Streamingdienste für Songs und Playlisten oder das automatisierte Remixen von verschiedenen Liedern basieren auf KI-Algorithmen. Trotzdem scheint die Angst vor einem wachsenden Aufstreben der KI-Tools so präsent wie noch nie zu sein. Die Fähigkeiten vieler computerbasierter Systeme gewinnen an Präzision und bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, die für die Allgemeinheit so zuvor noch nicht zugänglich war. Plötzlich tauchen imitierte Stücke mit den Stimmen bekannter Künstler*innen auf, welche ohne die Hilfe Künstlicher Intelligenz nie existiert hätten.
Künstler*innen wieder auferstehen lassen
Wieso nostalgisch einer nicht mehr bestehenden Band hinterher trauern, wenn Musik einfach selbst produziert werden kann? Genau das dachte sich auch die Band Breezer, welche während des Corona-Lockdowns 2021 ein Album ganz nach dem einmaligen Klang von Oasis mithilfe von KI produzierte. „The Lost Tapes/ Vol. 1“ ist mit acht Songs ein Versuch die ikonische Band aus den 90er-Jahren wieder aufleben zu lassen. Die Lyrics sowie die Musik wurden vollständig von Breezer geschrieben und sogar eingesungen. Lediglich die Vocals sind durch ein KI-Programm so verändert, dass sie das unverkennbare Pendant zu Liam Gallaghers Stimme darstellen. Veröffentlicht wurden die Werke unter dem passenden Synonym „Aisis“. Ein weiteres virales Phänomen war der Song „Heart on My Sleeve“, welcher im April 2023 die Plattform TikTok eroberte. Ein Nutzer der App verwendete KI, um geeignete Lyrics und Beats für einen typischen Drake-Song zu kreieren und ließ den Track von einer künstlichen Imitation des Musikers erzeugen. Kurze Zeit später griff das Label Universal Music Group ein, sodass das Lied auf offiziellen Streamingplattformen und teilweise auf Sozialen Netzwerken verboten wurde. Exakt hier liegt auch der Knackpunkt, der so viele in der Musikindustrie zurzeit beschäftigt: die Frage nach dem Urheberrecht.
Rechtliche Disharmonie trotz harmonischen Melodien
Die juristische Maschinerie der Musikbranche ist nicht erst kürzlich Thema und verteidigt akribisch das geistige Eigentum von Musiker*innen. 2015 verklagte Marvin Gaye’s Familie Robin Thicke und Pharrell Williams, weil deren Song „Blurred Lines“ anscheinend eine zu ähnliche „Stimmung“ mit Gaye’s Lied „Got to give it up“ hatte. Die Familie bekam eine saftige Entschädigung in Höhe von 5 Millionen US-Dollar. Dieses Urteil verkörpert die penible Beurteilung urheberrechtlicher Verletzungen von Musikschaffenden. Noch komplexer wird es bei KI-produzierten Liedern: Wem gehört diese Musik und wem sollte sie gehören, wenn sich an Stimmen und Sounds bestimmter Künstler*innen unbefugt bedient wird? Systeme der künstlichen Intelligenz werden meist mit urheberrechtlich geschütztem Material trainiert ohne eine entsprechende Einwilligung dafür zu haben. Das bedeutet, ein Mensch füttert die KI mit Daten bis schlussendlich eine Person das System auf Grundlage dessen zu eigenen Zwecken nutzen kann. Die Problematik beginnt also vor der Erschaffung eines generierten Songs und heizt die Sorge um das Verschwinden menschengemachter Musik an.
KI verteufeln oder neue Wege finden?
Wie mit dem neuen Ausmaß künstlicher Intelligenz umgegangen werden soll, steht noch in den Sternen. Vereinzelt werden allerdings schon Lösungsansätze für eine gerechtere Handhabung aufgezeigt. Holly Herndon entwickelte mit „Never before heard sounds“ eine KI-Emulation ihrer Stimme. Online kann jede Stimme kostenlos in ihre verwandelt werden, bei jeder kommerziellen Nutzung garantieren Blockchainsysteme die Herkunft der Daten. Auch die kanadische Sängerin Grimes ist auf der Seite des technologischen Fortschritts und erklärte, dass ihre Fans neue Songs mit ihrer Stimme produzieren dürften, solange die Anteile mit ihr halbiert würden. Trotz anfänglicher Versuche Musik und KI noch enger zu vereinen, ist eins sicher: es muss ein allgemeingültiger Weg gefunden werden, der sowohl Musikschaffende als auch KI-Nutzer*innen schützt.
Musik der Zukunft
Niemand sollte das Recht haben, die Arbeit von Kreativschaffenden kostenlos auszuschlachten. Kunst spiegelt etwas Persönliches wieder – ein Überschatten dessen durch KI gilt es zu vermeiden. Gleichzeitig wäre eine regelrechte Angst vor einer neuen Art des Musikmachens zu voreilig. Der Fokus bei der Erschaffung von Musik sollte immer auf einer intrinsischen menschlichen Motivation beruhen. Natürlich ist diese Vorstellung in einer kommerzgesteuerten Industrie teilweise idealistisch, doch der Kern musikalischen Schaffens liegt in menschlicher Konversation. Künstliche Intelligenz alleine kann diese Essenz nicht ersetzten. Sie braucht immer den Anreiz einer Person, um etwas Kreatives zu erzeugen. Deswegen ist es umso wichtiger das Augenmerk nicht auf die Verachtung der KI-Nutzung zu legen, sondern auf eine Möglichkeit der transparenten adäquaten Lizenzierung verfügbarer Daten. Das Einsetzten von „Samplings“ wurde anfangs ebenfalls verhöhnt, doch nun beeinflusst es bis heute maßgeblich das Genre des Hip-Hops. Ein bedachter und verantwortungsbewusster Umgang mit dem neuen digitalen Wandel ist essentiell, damit eindeutige Grenzen und Chancen definiert werden können. Einer Konfrontation zu entgehen und diesen Wandel schlichtweg zu ignorieren, würde chaotische Rechtsstreits bedeuten, die kreative Prozesse im Keim ersticken. Menschen inspirieren Menschen. Die Kunst der künstlichen Intelligenz liegt somit in einer durchdachten Erweiterung des Musikmachens, welche sicher stellt, das geistige Eigentum einer Person nicht zu verletzen.
Von Hannah Busch