Joker ist ein Psychodrama, das die Origin-Story des Jokers (gespielt von Joaquin Phoenix), basierend auf Figuren der DC Comics, erzählt. Arthur Fleck, der unter dem Namen Joker Unruhen stiftet und späterer Gegenspieler von Batman ist, versinkt in dem Film in Hass, Chaos und Gewalt.
Schon auf den Filmfestspielen in Venedig und während der ersten Vorstellungen in den USA gab es sehr unterschiedliche Reaktionen auf Joker. Während in den USA einige Kinobesucher im Laufe des Films den Saal verließen, gab es in Venedig Standing Ovations. Die Fans waren bis zum Schluss gespannt, ob der Film hält, was die Trailer versprechen. Außerdem waren die Erwartungen an Joaquin Phoenix schauspielerische Leistungen sehr hoch und viele stellten sich die Frage, ob er die schwere Last der Rolle des Jokers stemmen kann.
„Light up your face with gladness –
Hide every trace of sadness“
Arthur Fleck leidet an psychischen Krankheiten, weshalb er auf verschiedenste Medikamente angewiesen ist. Er zeigt starke Symptome einer PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), bei denen er zum Beispiel in den unpassendsten Momenten einen zwanghaften Lachanfall bekommt. Ehrlich und aus Freude lachen ist ihm nicht möglich. Sein Berufsleben ist gesellschaftlich nicht sonderlich anerkannt: Er arbeitet verkleidet als Clown und soll für Unterhaltung auf Kinderstationen von Krankenhäusern sorgen. Darüber hinaus jobbt er als menschliches Werbeschild inmitten der Großstadtstraßen. Eigentlich möchte Arthur aber Stand-Up Comedian werden, um Menschen Freude zu bringen. Daran scheitert er allerdings ziemlich schnell, weil er kein Talent für Witze besitzt und seine unpassenden Lachanfälle das Publikum verstören. Nachdem Arthur während seiner Arbeit von einer Jugendbande brutal zusammengeschlagen wird, schenkt ihm ein Clown-Kollege eine Pistole. Nun kann er sich plötzlich wehren und als ihm das bewusst wird, beginnt die Transformation in den Joker.
Ein schonungsloses Kunstwerk
Das Drama von Todd Phillips zeigt in unglaublicher Bildgewalt die tragische Lebensgeschichte eines im Leben gescheiterten Mannes. Im Vorfeld gab es Bedenken gegenüber des Psychodramas, weil der Schatten Heath Ledgers nach wie vor auf der Figur des Jokers liegt. Automatisch bekommt Film eine Verantwortung dem Publikum gegenüber. Die expliziten Darstellungen von psychischen Problemen (ob nun der krankhaft abgemagerte Körper von Joaquin Phoenix oder die suizidalen Gedanken von Arthur) werden als kritisch betrachtet. Nicht ganz unbegründet: Twitter zeigt, dass Leute den Kinosaal verlassen haben, weil die unverschönten Szenen zu sehr triggerten. Der Wunsch nach einer Triggerwarnung wurde laut. Durch den rohen Hass und die niedrige Gewaltschwelle des Charakters Arthur, wurde auch die Angst vor Anschlägen bei Kinovorstellungen geschürt, wie es bei der Premiere von „The Dark Knight Rises“ im Jahr 2012 geschah. Das Filmstudio Warner Bros. selbst sagte dazu, dass es nicht die Absicht des Films ist, den Joker als Helden darzustellen um zum Nacheifern zu verlocken. Dieser Punkt ist vielleicht die einzige Kritik an dem Film. Joker ist emotional sehr intensiv und Arthur Fleck ein bemitleidenswerter Charakter. Seine Taten werden durch seine Augen berichtet und dadurch auch glorifiziert. Nach seiner ersten Gewalttat gewinnt er nach dem ersten Schock plötzlich unglaublich an Selbstbewusstsein und er wirkt befreit. Von diesem Moment an wird er immer brutaler und wütender. Durch die ersten Morde entwickelt sich eine Art Kult um den mysteriösen Mörder mit Clownsgesicht. Plötzlich fühlt Arthur sich verstanden und nicht mehr unsichtbar. Diese Euphorie, die in mehr Gewalt und Hass als in alles andere mündet, ist auf jeden Fall kritisch zu sehen. Wenn Arthur am Ende des Films nicht mehr Arthur, sondern der Joker ist und sich tanzend, umgeben von seinen Anhängern, im zerstörten Gotham wiederfindet, ist es schwer zu glauben, dass die Taten nicht idealisiert gezeigt werden. Schließlich wird der Joker gefeiert und steht als Symbol für die Rebellion gegen die Ungerechtigkeit in Gotham.
Joaquin Phoenix lässt keine Wünsche offen
Der Film überzeugt aber auf ganzer Linie im Schauspiel, in der Kameraführung und mit dem Soundtrack. Joaquin Phoenix spielt den Schmerz, die Verzweiflung und auch die unglaubliche Wut sehr überzeugend. Bei jeder Szene in der Arthur in seine dem Ballett ähnlichen Tanzeinlagen verfällt, läuft einem ein kalter Schauer nach dem anderen über den Rücken, weil Phoenix es schafft, in jede Bewegung so viel Gefühl zu legen, dass es keine Worte braucht, um die Gedanken von Arthur zu verstehen. Fast jede Kameraeinstellung ist ein Poster wert, die ästhetische Komposition ist durchgehend nahezu perfekt und wird abgerundet durch den melancholisch stimmungsvollen Soundtrack. Fast könnte man vergessen, dass es hier um einen Film im DC-Universum geht. Hieran wird man aber immer wieder kurz erinnert, weil die Waynes eine nicht unbedeutende Rolle in Arthurs Leben spielen. Wenn Arthur Fleck und Bruce Wayne plötzlich aufeinander treffen ist diese Szene sehr intensiv, weil der Zuschauer weiß, wer sich da gerade gegenüber steht, obwohl die Charaktere selbst es nicht einmal ahnen. Der Joker hatte schon viele Origin-Stories, diese Geschichte um Arthur Fleck ist eine der Figur würdige, die mit viel Können und Gefühl erzählt wurde. Joker ist ein emotional intensives Drama, dessen Nachhall man nicht unterschätzen darf. Es ist ein künstlerischer Film mit einem unglaublichen Joaquin Phoenix in der Hauptrolle, der nicht nur Batman-Fans ins Kino treibt.
von Merle Oßmer
Bildquelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Joker_(2019_film)