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Jeder ist doch irgendwo behindert, bei den meisten sieht man es bloß nicht!

24. Juli 2016

„Bist du behindert oder was?“ Von einem außergewöhnlichen Treffen mit einem starken, jungen Mann, von dem man viel lernen kann. Warum das Wort „behindert“ verboten gehört, wie das Leben als Mensch mit Beeinträchtigung wirklich ist und wo Behinderung tatsächlich stattfindet. Unsere Redakteurin hat sich mit dem Thema mal etwas genauer beschäftigt.

Mir gegenüber sitzt ein junger und selbstbewusster Mann. Auf Augenhöhe. Er ist offen, geht gern ins Weserstadion, spielt in einer Band. Sein Name ist Arne. Und er hat eine Beeinträchtigung. Das Wort „Behinderung“ stört ihn. Er meint, „behindert“ werde man nur von anderen. Von außen quasi. Von Klassenkameraden, die ihn ausgrenzten, von vermeintlichen Freunden, die ihn ärgerten und auch von Bekannten und Familie, die sich ständig sorgen und Angst um ihn haben. Wer kennt dieses Gefühl, fremdbestimmt zu werden, nicht? Wie ein Kind behandelt zu werden? Für Arne ist genau das die Behinderung. Im Alltag fühlt er sich nämlich nicht beeinträchtigt. Er führt ein normales Leben wie jeder andere: Früh aufstehen, um 17 Uhr Feierabend, dann auf der Couch entspannen oder auch mal mit Freunden in die Kneipe um die Ecke. Also warum heißt es „Mensch mit Behinderung“ oder „Behinderter“, wenn es das Leben nicht ausmacht?

 

Schubladen adé

Wir sind doch alle auf irgendeine Art „behindert“, bei den meisten sieht man es bloß nicht, stellen Arne und ich fest. Es ist vielleicht ein klitzekleiner Teil des Menschen, Makel, ein Fehler, so wie wir alle unsere Macken haben. Manch einer kann nicht über Gefühle sprechen, läuft weg, wenn’s brenzlig wird oder ist egoistisch. Mal ein Denkanstoß: Vielleicht ist so eine „Beeinträchtigung“ auch gar kein Makel und hat seine positiven Seiten. Arne ist so offen und tolerant, er genießt das Leben, lacht viel. Er ist glücklich. Dieses Schubladendenken, das Menschen mit einer Beeinträchtigung zu bemitleiden wären, das ist die wahre Behinderung.

 

Inklu-was?

Denn „jeder ist so wie er ist“, sagt Arne zu mir und er plappert das nicht nur so da hin, um cool oder ganz besonders tolerant zu wirken, sondern meint es wirklich so. Er hat keine Vorurteile. Dieses Anderssein, die Vielfalt von verschiedenen Typen und charmanten Macken machen diese Welt doch gerade aus. Ein Mosaik mit runden, eckigen, bunten, weichen oder kantigen Steinchen. Genau das ist es, was Inklusion meint. Die Aktion Mensch hat vor kurzer Zeit einen neuen Spot veröffentlicht, der zum Schmunzeln und zum Lachen bringt, aber auch zeigt, was Inklusion ermöglicht und wie schön es sein kann. Für Neugierige gibt’s den Spot hier.

 

Die Realität

So toll diese Idee mit der Inklusion auch sein mag, ob das mit der Umsetzung des theoretischen Konstrukts von Inklusion im Alltag so klappt, ist die andere Frage. Die Diskriminierung fängt bei schrägen Blicken in der Bahn schon an. Arne war in einer integrativen Klasse und findet die Idee an sich immer noch ganz gut, obwohl er dort Ausgrenzung und Mobbing erlebt hat. Auch in seinem Freundeskreis sind fast ausschließlich Menschen mit Beeinträchtigung. Dabei sind ihm Freundschaften sehr wichtig. Aber wie findet man Kontakt zu Leuten außerhalb der Einrichtung, wenn man doch dort lebt und arbeitet? Arne schlägt vor, gemeinsame Feste zu veranstalten. Er möchte gerne Leute einladen, demonstrieren gehen, weil er nicht als „behindert“ bezeichnet werden möchte. Außerdem mehr Möglichkeiten für Praktika und Jobs. Er macht bald ein Praktikum außerhalb der Einrichtung und freut sich schon wahnsinnig darauf.

 

9 von 10 Frauen würden ein Kind mit Behinderung abtreiben

Statistisch gesehen werden jedoch paradoxerweise immer weniger Kinder mit Behinderung zur Welt gebracht. Wo bleibt die Inklusion bei der pränatalen Diagnostik? Mehr Informationen zur Pränataldiagnostik findet ihr hier . Werden diese Babys abgetrieben, weil man „den Kindern nicht so ein Leben bieten möchte“ oder weil der Mensch doch zu egoistisch ist und an seinen Vorstellungen vom perfekten Leben festhält, keine Lust auf „die Arbeit und Verpflichtungen“ hat? Wer hat eigentlich das Recht zu entscheiden, ob jemand lebenswert ist?

Wenn Arne einen Wunsch frei hätte, würde er sich seine Behinderung nicht wegwünschen. Er akzeptiert sich so, wie er ist und ist glücklich mit seinem Leben. Was er wirklich möchte, ist eine Familie zu gründen. Er wünscht sich eine gemeinsame Wohnung mit seiner jetzigen Verlobten und irgendwann möchte er vielleicht auch mal Kinder haben. Ein ganz normaler Wunsch, dessen Umsetzung jedoch kompliziert werden könnte. Denn das mit den Kindern ist so eine Sache und die Betroffenen finden meist wenig Unterstützung.

Außerdem wünscht Arne sich, dass alle Menschen mit Behinderung wie normale Erwachsene behandelt werden. Nicht wie ein „Behinderter“. Er sagt: „Ich bin so wie ich bin und wie ich mich fühle. Das hat kein anderer zu bestimmen.“ Wir fragen uns, warum Menschen mit Behinderung denn nicht ganz normal behandelt werden. Dabei muss man nur mal bedenken, dass jeder von uns von jetzt auf gleich aufgrund eines Unfalls oder Krankheit eine sichtbare Beeinträchtigung haben könnte. Arne meint: „Wir wollen uns nicht als Behinderte ausgeben. Wir sind normale Leute. Wir arbeiten und leben und sind zufrieden. Wir wollen gerne Menschen sein wie jeder.“ Ja, warum denn nicht?

Jula Lühring

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