„Influencer – Was können und machen die eigentlich?“. Unter dieser Frage stellen drei Bremer Influencer*innen sich und ihre Arbeit vor. Sind sie wirklich die Ikonen unserer Zeit?
Als Vertreter*innen ihres Berufszweigs sind drei Bremer Influencer*innen zu Gast: Cherifa Akili, Maximilian Georg Arnold und Jolina Mennen. Für sie sind die Veröffentlichungen von Bildern, Texten und Videos über Mode, die eigene Persönlichkeit und Luxusgüter ein Vollzeitjob, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Das Gespräch wurde im Rahmen der Ikonen-Ausstellung der Kunsthallte Bremen von der Pressesprecherin Jasmin Mickein geleitet.
Die aktuelle Ausstellung „Ikonen. Was wir Menschen anbeten“ erkundet diesen Begriff auf seine damalige sowie heutige Bedeutung anhand von 60 Werken in 60 Räumen (Wir berichteten: „Wir alle sind Ikonen – Die Kunsthalle Bremen und ihre neue Sonderausstellung“, Dzialas 23.10.19). Das Podiumsgespräch unterstützt die Absicht der Kunsthalle nicht nur das traditionelle Verständnis der Kunst zu beleuchten, sondern auch die Ikonisierung von (berühmten) Persönlichkeiten im Alltag.
Die 27-jährige Jolina Mennen erklärt, dass sie sich selbst nicht als Ikone versteht und die Menschen sie auch nicht anbeten sollen. Stattdessen möchte die Transfrau gerne ein Positivbeispiel sein, insbesondere hinsichtlich ihres Herzensthemas – Der Transsexualität.
Von dem Werdegang als Influencer*in, über die Unterschiede zwischen einem Blog und Instagram als Plattform bis hin zu „Weiß deine Mutter/Oma was du beruflich machst?“ werden zunächst viele klassische Fragen geklärt. Das Berufsbild wird weiterhin anhand von Tagesabläufen, Zielgruppen und der Bildschirmzeit am Smartphone eingerahmt und anschaulich erklärt.
Mehr als 12.000 Menschen folgen Cherifa Akilis Instagram Account curls all over, auf dem sie sich und ihre Outfits zeigt. Die 28-jährige mit den wilden Locken stellt den großen Aufwand eines Bildes heraus: Mehrere Stunden vergehen von der Konzeption, über das Shooting und die Bearbeitung bis zur Erstellung des Postings. Das Influencer-Dasein ist ihrer Meinung nach ein „sehr unterschätzter Vollzeitjob, der dich dazu zwingt immer aktiv zu sein“. Dem stimmt auch Maximilian Georg Arnold zu.
Bremen vs. Hamburg
Nachdem bereits seit einigen Minuten Bremen als Influencer*innen-untaugliche Stadt deutlich negativ gegenüber Hamburg bewertet wird, unterbricht eine ältere Frau die Gesprächsteilnehmer. Sie plädiert für einen Themenwechsel. Sie sei hier, um zu hören wie viel Einfluss die Gäste auf Industrie und Gesellschaft haben. Das Thema wird noch beendet, dann beginnt Jasmin Mickein die einzelnen Influencer nach ihrem Verständnis von Verantwortung gegenüber den Follower*innen und der Gesellschaft zu befragen.
Einfluss und Verantwortung
Maximilian Georg Arnold präsentiert seinen fast 200.000 Instagram Follower*innen Luxusgüter, hauptsächlich im Bereich Kleidung und Lifestyle. Dass er sich den Maserati, für den er wirbt, selbst nicht leisten könne, stellt Mickein vor die Frage, ob diese Selbstdarstellung nicht möglicherweise ein falsches Bild von ihm vermitteln könnte. Die Verantwortung den Follower*innen gegenüber sieht Arnold vordergründig im Bewerben von Produkten und Marken, die er selbst nicht vertreten könnte, z. B. Alkohol und Glücksspiele. Auf die kritische Frage der verzerrten Selbstdarstellung geht er nicht weiter ein, da er die Frage nicht richtig verstünde. Akili sieht für ihr Thema, der Mode, keine Verpflichtung oder Bildungsauftrag über Fast Fashion und Herstellungsbedingungen aufzuklären. Ebenso wie für Arnold zählt für die Bloggerin, dass sie hinter den Produkten steht und auch ihren Freundinnen weiterempfehlen würde. Mit fast 300.000 YouTube Abonnent*innen und 155.000 Instagram Follower*innen erklärt Mennen: „Mir ist bewusst was wir für eine ausschlaggebende Wirkung auf das Leben anderer haben können“. Das weiß sie auch aus eigener Erfahrung: Viele Informationen zur geschlechtsangleichenden Operation bekam Mennen von einer amerikanischen Transfrau, die ihren Weg auf YouTube dokumentierte. Dennoch hebt sie hervor: „Im Endeffekt ist immer noch jeder für seine Entscheidungen selber verantwortlich“.
Erfolg
Den Erfolg des Influencermarketings gegenüber klassischen Werbe-Anzeigen erklären sich die drei Influencer*innen damit, dass die Unternehmen zielgerichteter werben könnten sowie eine emotionale Verbindung zwischen Influencer*innen und ihren Follower*innen besteht, die ähnlich einer besten Freundin/eines besten Freundes wirke. Somit spielen die Vertrauenswürdigkeit und ihre Authentizität eine große Rolle. Von diesem Erfolg konnte sich Jolina Mennen zusammen mit ihrem Ehemann bereits ein Eigenheim kaufen.
Moderatorin Mickein hangelt sich in den eineinhalb Stunden Gespräch von Frage zu Frage, sodass wenig Eigendynamik im Gespräch entsteht. Auffällig ist das Alter der Zuschauer: Ein Großteil ist 50 Jahre und älter und entspricht somit eher der gewohnten Zielgruppe eines Museums als der von Influencer*innen. Die Informationen von den Teilnehmern sind für Menschen, die sich bereits mit dem neuen Berufsbild auseinandergesetzt haben nur teilweise neu. Dies kann unter anderem auch daran liegen, dass Akili und Arnold sehr „klassische“ und eher „private“ Influencer*innen sind, die sich auf ihre Produkte und Inhalte konzentrieren. Jolina Mennen hingegen erzählt unverblümt von Privatem, einigen Rückschlägen und Fehlern, wie z. B., dass sie sich einmal Follower*innen gekauft hätte, die jedoch nach wenigen Tagen wieder von Instagram entfernt wurden und ihr Management ihr auch von erneuten Käufen dieser Art stark abriet.
Die Frage „Influencer – Was können und machen die eigentlich?“ wurde für das ältere Publikum bzw. Menschen, die bisher wenig bis keine Berührung damit hatten, in einem schönen Rundumschlag beleuchtet. Die Menschlichkeit der drei Influencer*innen sowie die heruntergebrochene Darstellung des Berufes lässt die Überlegung, ob sie Ikonen sind in dem Moment des Podiumsgesprächs seltsam erscheinen. In dem Veranstaltungsraum der Kunsthalle Bremen ist keine kultische Verehrung oder Begeisterung zu erkennen, wie sie jedoch im Internet stattfinden kann. Durch die Nähe vor Ort verliert sich der heilige Glanz einer Ikone, die Influencer*innen erscheinen hier als Menschen mit einem neuen, außergewöhnlichen Beruf.
Simone Zahm
Bild: KROSSE