In der Vorweihnachtszeit wurde wieder viel über Tierschutz geredet. Die Tierheime stoppen die Vermittlung und es wird vor illegalem Tierhandel aus dem Ausland gewarnt. Auch im Tierheim Arche Noah in Brinkum gab es die sogenannte Adoptionssperre. Aber bringen diese Diskussionen wirklich eine Verbesserung für das Tierwohl?
Die Arche Noah in Brinkum ist eines von elf Tierheimen des bmt (Bund gegen Missbrauch der Tiere) im Bundesgebiet, es existiert seit 1985 und beherbergt Hunde, Katzen und Kleintiere in Not. Das Tierheim liegt im Gewerbegebiet Brinkum-Mitte. Ein kleiner Pfad führt am Tierheim vorbei auf eine angrenzende Grünfläche, wo eine Hundeschule regelmäßig Trainingseinheiten stattfinden lässt, auch für die Tierheimhunde. Wenn man durch das Haupttor auf das Tierheimgelände geht, betritt man eine kleine, eigene Welt. Das Gewerbegebiet verschwindet hinter Büschen und Bäumen. Einige Außenbereiche der Katzen grenzen an den Vorhof des Tierheims. Heute sind sie leer, es ist kalt und nass. Das Tierheim ist ruhig, Interessenten kommen erst in einer Stunde. In einem Außenzwinger beim Eingang liegt der Wolfshund-Mix Arjas und beobachtet den Parkplatz mit entspannter Miene. Hinter dem Empfang liegt der große Außenbereich mit den Hundewiesen. Die Hunde liegen am Zaun oder in den Hütten. Es wirkt, als wäre das Tierheim im Stillstand. Aber der Eindruck täuscht. Die Arche Noah in Brinkum ist rappelvoll.
Tierschutz ist in aller Munde
Das Tierwohl und der Tierschutz wird immer stärker in der Gesellschaft diskutiert. Ende letzten Jahres war das LPT Tierversuchslabor in Neu Wulmstorf in starke Kritik geraten, durch den Wunsch nach Nachhaltigkeit wird die Diskussion um Massentierhaltung immer lauter, durch immer mehr aktiven Auslandstierschutz wird der illegale (Online-)Tierhandel stärker bekämpft und vor Silvester verlangten Tier- und Umweltschützer das Verbot von Silvesterknallern. Letzteres wurde so hitzig diskutiert, dass viele Super- und Baumärkte sich dazu entschlossen, den Verkauf einzustellen.
Silvester war schlimmer als in den letzten Jahren
Doch reichen diese Diskussionen so weit, dass das Tierheim davon Resultate spürt? Nein, sagt Mareike Bergmann, die Leiterin des Tierheims Arche Noah. Sie wohnt auf dem Tierheimgelände und hat Silvester dort erlebt: „Das war dieses Jahr viel schlimmer als die letzten Jahre.“ Die Tiere haben Angst und verkriechen sich, manche Hunde bellen. Vorausschauend hat das Tierheim Vorkehrungen getroffen und Versteckmöglichkeiten für die Tiere geschaffen. In den Zwingern lief beruhigende Musik. „Schön war es nicht“ sagt Mareike Bergmann etwas bedrückt.
Laut Informationen von TASSO e.V. sind zum Jahreswechsel 2019/20 460 Hunde, 252 Katzen und ein Frettchen entlaufen. An anderen Tagen im Jahr entlaufen durchschnittlich 100 Hunde, zum Jahreswechsel sind es durchschnittlich 400.
Die Adoptionssperre soll vor allem gegen Tiere unter dem Weihnachtsbaum wirken. Wegen der hohen Gefahr, dass ein Hund ausreißt, vermittelt das Tierheim Brinkum aber auch nicht über Neujahr. Die Adoptionssperre läuft vom 15.12. bis zum 02.01.. Dieses Jahr wurden bei den Hunden zwei Ausnahmen gemacht. Tierische Weihnachtsgeschenke „geht gar nicht“, sagt Mareike Bergmann, aber bei den beiden Hunden hatte es von beiden Seiten aus gepasst. Die Adoptionssperre ist aber auf jeden Fall wichtig: „Tierheime sollten es unbedingt machen.“ Nur greifen dann viele auf Onlinehandel zurück.
Adoptionssperre schützt nicht vor unbedachten Spontankäufen
Auf Anfrage hat der Deutsche Tierschutzbund informiert, dass für den Dezember bis jetzt fünf illegale Tiertransportfälle mit insgesamt 32 Hunden und 4 Katzen gemeldet wurden. Es handelt sich bei diesen Fällen nicht allein um aufgedeckte Transporte, sondern auch um online eingekaufte und illegal eingeführte Tiere.
Rassehunde für 200 Euro?
Die Verführung, einen reinrassigen Welpen zu Discounterpreisen und ohne Nachfragen zu kaufen, ist im Internet sehr groß. Vor allem zur Weihnachtszeit ist die Gefahr für unüberlegte Käufe hoch, besonders bei den „schönen“ Rassen wie Husky, Schäferhund und Co.. Wenn aus den süßen Welpen dann große, erwachsene Hunde werden, müssen sie oft weg. Die Hemmschwelle, das Tier dann abzugeben, ist gesunken. „Sobald ein Hund einmal schnappt, sind die Leute nicht mehr gewillt, irgendwas zu tun. Sie können sich ja gleich auf eBay einen neuen kaufen. Ich krieg fast jeden Tag Anrufe rein, dass ein Hund weg muss.“ Mittlerweile kann das Tierheim aber keine schwierigen Hunde mehr aufnehmen. Sie haben zu viele davon und die Vermittlung ist sehr schwierig. Hier sieht Mareike Bergmann ein wachsendes Problem im Umgang mit Tieren, denn nicht nur Hunden wird das Leben schwer gemacht.
„So richtig Pause ohne Tierschutzthema gibt es eigentlich nicht.“
Denn immer wieder erfährt das Tierheim von Vorfällen, die Mareike Bergmann und ihre Kollegen beschäftigen und bestürzen: „So richtig Pause ohne Tierschutzthema gibt es eigentlich nicht.“ Aktuell verschwinden in Weyhe Katzen, fünf davon waren vom Tierheim Brinkum vermittelt. Vier Katzen wurden tot gefunden, sie wurden vergiftet. Die fünfte hat mit Folgeschäden überlebt. „Da stellen wir uns schon die Frage, ob wir da erstmal vermittlungstechnisch Weyhe so ein bisschen weglassen.“
Ein Lichtblick – „Vermitteln tun wir schon gut weiterhin“
Bis die hitzig diskutierten Debatten in der Lebensrealität Fuß fassen, haben die Tierschützer und ihre Unterstützer alle Hände voll zu tun. Denn gerade beginnt das Tierheim langsam, zum Leben zu erwachen. Auch wenn viele Tiere reinkommen, raus kommen auch welche und die Interessenten stehen bald vor dem Tor.
„Vermitteln tun wir schon gut weiterhin“ sagt Mareike Bergmann und freut sich dabei vor allem über den Auszug des Rüden Sam, der einer der schwierigen Dauerinsassen war. In den ersten Tagen nach der Adoptionssperre wurden mehr als 10 Adoptionsverträge abgeschlossen. Und in den Außen- und Innenzwingern des Tierheims warten noch viele Kandidaten auf ihre zweite Chance. Cimbi, Luna, Milu, Olaf, Molly und Samson. Sie und viele andere hoffen, dass die Gespräche Früchte tragen und die Menschen den Tieren einen Schritt entgegen kommen.
von Merle Oßmer