Die Filmreihe „Depri-Dienstag“ der Universität Bremen zeigt vom 10.04.18 – 12.06.18 im Kommunalkino CITY46 Filme zur Depression mit anschließendem Fachgespräch und einer offenen Publikumsdiskussion. Doch was ist eine Depression überhaupt?
Diese Frage werde ich in diesem Artikel nicht beantworten. Denn genau darum geht es in der Filmreihe: Die eigene Begegnung mit diesem nebulösem Begriff, den jeder sicherlich schon einmal gehört, doch nie richtig fassen konnte.
Wer und was steckt dahinter?
Tobias Dietrich, Doktorand an der Universität Bremen und Kurator der Reihe beschäftigt sich in seinem Promotionsprojekt mit der ästhetischen Dimension psychischer Krankheiten. Seinen Blickwinkel möchte er ab von den gewöhnlichen klinischen Perspektiven lenken und nach alternativen Erfahrungsräumen suchen, dies speziell aus kunst- und kulturwissenschaftlicher Sicht. Ihm war es wichtig, Filme zu zeigen, die das Thema nicht nur als eine reine Aufklärungsarbeit angehen würden, vielmehr sollen die Filmemacher/innen in ihren Arbeiten die eigene Machart reflektieren und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass sie eine Krankheit unter bestimmten künstlerischen Bedingungen darstellen. So findet man im Programm den Dokumentarfilm „Die Mitte der Nacht ist der Anfang vom Tag“ von Michaela Kirst, in welchem Betroffene selbst von ihren Erfahrungen mit der Krankheit berichten. Kontrastiert wird dies mit Spielfilmen wie „Melancholia“ von Lars von Trier oder „Zwei Tage, eine Nacht“ von den Dardenne-Brüdern, die beide versuchen, ein bestimmtes Gefühl zu transportieren, das bei jedem Zuschauer individuell andocken kann.
Eben diese Gefühle und Erfahrungen sollen nicht leer im Raum verharren, daher gibt es nach jeder Vorführung ein Fachgespräch mit Experten aus der Depressionsarbeit im gesundheitlichen und kulturellen Metier. Anschließend wird die Runde für alle geöffnet und es wird die Möglichkeit gegeben, sein Erlebnis mit allen Anwesenden zu teilen und ins Gespräch zu kommen. Die Reflexion des Gesehenen steht dort an erster Stelle, um seine Eindrücke ordnen und bestenfalls den eigenen Erfahrungshorizont erweitern zu können. Gäste sind zum Beispiel das Bremer Bündnis gegen Depression und die KulturAmbulanz Bremen, die beide auch als Kooperationspartner der Filmreihe agieren. Vor Ort gibt es auch immer die Möglichkeit, sich durch die Experten über Depression und Beratungswege zu informieren.
Mein eigener Depri-Dienstag
Da der „Depri-Dienstag“ bereits seit dem 10.04.18 stattfindet, konnte ich mir bei einer der Veranstaltungen ein eigenes Bild machen. Mit „Melancholia“ von Lars von Trier hatte ich einen Film vor mir, den ich bereits gesehen, doch nie richtig diskutiert hatte.
Nach einführenden Worten von Tobias Dietrich verdunkelt sich der Saal, einige Zuschauer wollen sich noch in eine angenehme Position rücken, einer hustet. Eine junge Frau ist zu sehen, die uns mit einen trüben, fast leeren Gesichtsausdruck entgegenblickt. Plötzlich fällt eine Taube hinter ihr regungslos zu Boden. Und kurz darauf folgt ein ganzer Regen toter Vögel.
Die Bilder sind gewaltig, das Spiel ist sensibel, radikal und als der Abspann des Films die Leinwand hinauflief, war es still im Kinosaal. Das anschließende Gespräch mit Achim Tischer von der KulturAmbulanz Bremen lockerte die Atmosphäre auf und warf Themen in den Raum, die dann vom überwiegend jungen Publikum heiß diskutiert wurden. Es ging um Interpretationen der Symboliken, Darstellungsweisen von Depression und um die Frage, was denn der Sinn des Lebens sei. Aus der Diskussion ergaben sich interessante Einblicke: Es geht nicht nur darum, wie jemand als depressiv dargestellt wird, sondern in welchen kontextuellen Settings der Umgang mit der Depression verortet und erfahren wird. Das hilft, die eigene Auseinandersetzung zu reflektieren.
Deutschlandpremiere
Also: Wer seine ganz eigene Erfahrung mit dem Thema Depression machen oder Neuen begegnen möchte, ist herzlich zur Filmreihe eingeladen. Am heutigen Dienstag gibt es mit „Here One Day“ von Kathy Leichter sogar eine Deutschlandpremiere. In diesem Dokumentarfilm verarbeitet die Filmemacherin das von ihr gefundene Audiotagebuch ihrer Mutter, die Suizid begangen hat. Zu Gast ist Tanja Salkowski vom Radio Sonnengrau Lübeck, einem Radiosender, der von Menschen mit Depression geführt und gestaltet wird.
Martin Czaja
Bild: Tobias Dietrich