Die Autorin Ronja von Rönne sprach im ZeMKI-Mediengespräch erstmals öffentlich über ihre Werbung für die BayernLB, darüber, dass sie Hass nicht von jedem annimmt und warum sie so ehrlich wie möglich leben möchte.
Der Karton in der Bremer Neustadt ist schon gut gefüllt. Vor der provisorischen Bühne wurden Stühle aufgereiht, die meisten davon sind besetzt. Vorne besprechen sich gerade die Veranstalter, da das Publikum ohnehin noch in Aufruhr ist – bis eine unscheinbare Frau mit Dutt herein kommt. Es wird schlagartig ruhig. Ronja von Rönne scheint von alledem nichts mitzubekommen, dreht wieder um und geht zurück nach draußen. Zündet sich noch eine letzte Zigarette an und nimmt eine Sprachnotiz mit dem Handy auf.
Dreimal ist Ronjas Recht
Ronja von Rönne ist 27, aufgewachsen in Bayern und sagt über sich selbst: „ich finde mich grotesk uninteressant“. Für den Rest des Landes ist sie es aber nicht. 2015 brach sie ihr drittes Studium ab und wechselte, zum Leidwesen ihrer Eltern, ausgerechnet zur Welt. Bis hierhin hatte sie lediglich auf ihrem Blog sudelheft.de geschrieben, hauptsächlich für ihre Oma. An der Uni in Hildesheim galten ihre Texte als zu einfach. Trotz schlechter Rechtschreibung und noch schlechterer Kommasetzung erschien 2016 ihr Debütroman Wir kommen. Aktuell schreibt sie für Die Zeit, moderiert auf Arte die Reihe Street Philosophy und hat, wie könnte es anders sein, einen eigenen Podcast. Auf nur ein Standbein sei schließlich kein Verlass.
Deutschland, da wo man klatscht, wenn‘s lustig ist
Anfang diesen Monats geriet von Rönne mit einem Werbespot der BayernLB in die Schlagzeilen. Es ist nicht ihr erster Shitstorm. Keinen davon sah sie kommen. In dem von Jung von Matt produzierten Dreiminüter nimmt von Rönne die Berufswünsche kleine Kinder aufs Korn und empfiehlt stattdessen eine Karriere bei der BayernLB. Der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten. „Ich finde das nach wie vor sehr lustig“, kommentiert von Rönne als Ausschnitte des Videos gezeigt werden. Der Raum scheint ihr zuzustimmen. Die Kritik sei „eine Verlogenheit sondergleichen“. Die Kritiker würden verkennen, dass die einzelnen Szenen zugeschnitten wurden: „Offensichtlich war es wirklich zu gut gemacht.“ Außerdem sehe ja auch niemand was sie alles ablehne, aber hier konnte sie schließlich für ein halbes Jahr aussorgen und wer sage da schon Nein? Anders sieht es inzwischen bei ihrem ersten Shitstorm aus. 2015, kaum 2 Monate bei der Welt schrieb sie das Meinungsstück Warum mich der Feminismus anekelt und erklärte darin ihren Antifeminismus. Auch hier fielen die Reaktionen alles andere als positiv aus. Wenige Zeit später sollte von Rönne für genau diesen Text mit dem Springer Preis ausgezeichnet werden. Sie lehnte ab. Sie stehe nicht mehr hinter dem Artikel, den sie laut eigenen Aussagen in 20 wütenden Minuten herunter getippt habe. Ronja von Rönne hat kein Problem damit, sich selbst zu widersprechen, ganz nach dem Motto: Der größte Lügner ist derjenige, der sich selbst nicht widerspricht.
Wie frau mit Hass umgeht
Das Vorlesen der Hasskommentare möchte von Rönne gerne selbst übernehmen. Es macht ihr sichtlich Spaß und es wird schnell deutlich, dass dieses Thema die Autorin umtreibt. Die Frage wie man sich mit solchen Segelohren hochschlafen könne, kommentiert sie amüsiert mit erhobenem Zeigefinger: „This is still funny, still funny”.
Nicht nur in diesen beiden besonders schwierigen Phasen, in denen Aushalten oft die einzige Option sei, spürt sie den Hass. Während ihrer Lesereise mietete sich ein Stalker in jedem Hotel in das Zimmer neben ihr ein.
Hass mag sie zwar aus der Distanz nicht ernst nehmen, wohl aber Drohungen. Vor allem von Männern bekommt sie regelmäßig solche Nachrichten. Vor einigen Wochen entschied sie sich dazu einige besonders ekelhafte Drohungen zu veröffentlichen – mit Klarnamen. Sie will sich wehren, sagt: „Es kann nicht sein, dass es zum Berufsprofil von einem Journalisten gehört, Hassmeldungen und Vergewaltigungsmeldungen auszuhalten.“
Die neue Ehrlichkeit
„Mittlerweile schreibe ich nicht mehr unbezahlt“, schließlich müssen Selbstzweifel ja gut bezahlt werden – ein Satz der das Publikum peinlich berührt lachen lässt. Von Rönnes Ehrlichkeit ist ungewöhnlich. Sie versuche so ehrlich wie möglich zu leben und das merkt man. Sie gibt zu, die Regeln des Kapitalismus gnadenlos auszunutzen, weil ihre Instagramreichweite ihr Unabhängigkeit verschaffe.
Diese Ehrlichkeit zieht sich aber auch in andere Bereiche ihres Lebens. Im Februar wurde Ronja von Rönne „in die Klapse geweht“ und machte auch daraus kein Geheimnis. Sie wolle auch Traurigkeit und Unsicherheit zeigen. „Es ist 2019! Es ist totaler Schwachsinn zu sagen: Ich muss durchhalten bis nichts mehr geht“ sagt von Rönne, die damit auch anderen Betroffenen Mut machen will.
Im Herbst geht von Rönne auf Jetzt sind noch viel schlechter Tour. Wer nicht so lange warten möchte kann ihr natürlich auch schreiben, Hass allerdings nur handgeschrieben.
von Luca Füllgraf
Bildquelle: Beate C. Koehler | Instagram: @p.h.o.t.o.art .