Mit roten Boxhandschuhen bewaffnet und immer einer Schnapspraline im Mund springt das Känguru seit heute über die Kino-Leinwände. Sein WG-Leben mit dem Kleinkünstler Marc-Uwe ist kein unbekanntes, doch ist es den Macher*innen gelungen, das erfolgreiche (Hör-)Buch filmisch in Szene zu setzen?
Erwartungen
Monika: Was Marc-Uwe Kling, der Kleinkünstler aus Berlin-Kreuzberg, da geschaffen hat, gelingt nicht Vielen: Über ein kommunistisches Känguru zu schreiben, das bei ihm einzieht und sein Leben auf den Kopf stellt. 2009 veröffentlichte er den ersten Teil seiner Känguru-Saga in les- und hörbarer Form. Seither gehören seine Witze zum Standardrepertoire, zum Beispiel wenn es um Mein und Dein geht – bürgerliche Kategorien. Nun kommt das sprechende Känguru, das bisher nur in den Köpfen der Fans existierte, in die Kinos. Mit welchen Erwartungen bist du in den Film gegangen?
Verena: Ich habe mir wirklich alles vorher angeschaut – den Trailer, einzelne Filmszenen und lustige Videos wie das Making Of der Synchronisation. All diese Videos haben schon klar Marc-Uwe Klings Handschrift getragen und ich habe mir keine Sorgen darüber gemacht, der Film würde nicht lustig. Nur vor der angedeuteten Romanze zwischen Marc-Uwe und Maria hatte ich Angst – nämlich davor, dass diese das Känguru und MUKs Beziehung zu ihm in den Hintergrund drängt. Und selbst?
Monika: Mein Gemütszustand vor dem Film war nicht klar definierbar. Waren doch die Hörbücher, die Kling selbst einsprach, ein ständiger Wegbegleiter durch das Leben: Ob eine Runde Monopoly nach den Regeln des Kängurus am Weihnachtsfeiertag oder eine Meatbox-Einlage beim Joggen. Jetzt soll es also einen Film geben, mit einem mehr oder weniger echten Känguru und Marc-Uwe Kling, gespielt von Dimitrij Schaad. Es ist doch gerade Klings Stimmen-Duo, das von der Beziehung zwischen Känguru und Kleinkünstler erzählt. Zudem verlangt ein filmisches Konzept eine Handlung: Ich war skeptisch, ob dadurch nicht zu viel Kraft der episodischen und manchmal auch zusammenhangslosen Erzählung verloren gehen würde. Also schraubte ich die Erwartungen herunter und ließ mich überraschen.
Viel Schönes Dabei
Verena: Letztendlich fand ich die kleine „Love Story“, vor der ich etwas Angst hatte, sehr dezent und elegant gelöst. Das Känguru und MUK sind keinesfalls in den Hintergrund gerückt. Was hat dir denn am besten gefallen?
Monika: Die Känguru-Chroniken sind mittlerweile schon in die Jahre gekommen. Die Herausforderung, der sich Marc-Uwe Kling als Drehbuchautor und Dani Levy als Regisseur stellen mussten, war es, die Geschichte in das Jahr 2020 zu übertragen. Und das ist ihnen gelungen: Links trifft auf rechts, ein deutsch-patriotischer Trump namens Jörg Dwigs sitzt in seinem Büro über Berlin und träumt von einem phallusartigen Europa-Tower, Häuser werden abgerissen, das Wohnen in der Metropole unmöglich und der Marc-Uwe im Film leidet für die gesamte Generation Psychotherapie an seinem Migräne-Hintergrund. Auch der Aufbau des Films überzeugt: Die Chaos-Gruppe um das Känguru zerstört B-IG eins, zwei und drei, die schicken Autos von Herrn Dwigs. Damit gliedern die Produzierenden die Handlung stilistisch in drei Akte, doch das Ende sei an dieser Stelle nicht verraten. Und jetzt zu dir, was mochtest du an der Verfilmung?
Verena: Viele der Charaktere, die ich in den Büchern mochte, kamen auch im Kinofilm vor. Friedrich Wilhelm, Otto von, Hertha und sogar Julia Müller – die haben alle mittlerweile Kultstatus! Außerdem kam der Zusammenhalt und die Dynamik des „asozialen Netzwerks“ und sein Kampf gegen Dwigs in der Handlung und in der Komik sehr gut zum Vorschein.
Und was war nicht so schön?
Verena: Trotzdem ist es natürlich schwierig, so ein Hörbuch zu adaptieren. Was ist deiner Meinung nach denn bei der Adaption des (Hör-)Buches schiefgegangen?
Monika: Auf der einen Seite sind viele der Witze, die das Filmteam aus den (Hör-)Büchern übernommen hat, fester Bestandteil des alltäglichen Sprachgebrauchs. Deshalb sind sie beim Zuschauen nicht mehr lustig. Maximal ist ein Schmunzeln noch drin. Auf der anderen Seite sind einige Szenen überladen mit den alt bekannten Gags. Wenn Marc-Uwe mit dem Reclam-Heft über die stoische Philosophie im Park liegt und das Känguru Pfannkuchen, Fischstäbchen und Schnapspralinen mitbringt, ist das zu viel des Guten. Mir fehlten außerdem die toten Pflanzen auf dem Balkon, getötet durch Joint-Reste. Dann hätte die FSK für den Film zwar eine Altersbeschränkung festlegen müssen, aber das Durcheinander des WG-Lebens von Marc-Uwe und dem Känguru wäre mehr zur Geltung gekommen.
Nun sag‘ mal, hast du dir das Känguru so vorgestellt?
Verena: Nein, und das ist wahrscheinlich auch meine einzige Kritik: Die Animation des Beuteltiers lies manchmal etwas zu wünschen übrig. Das Känguru hat zum Beispiel kaum unterscheidbare Mimik. An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir da passend zu den comicartigen Animationen eine etwas deutlichere Darstellung seiner Emotionen gewünscht. Außerdem hat es sich manchmal ein wenig hektisch bewegt. Ich weiß natürlich nicht, wie sich ein echtes Känguru verhalten würde, aber die Bewegungen kamen manchmal etwas unnatürlich rüber.
Der Pinguin als nächster Gegner?
Was ist nun dein Fazit? Und glaubst du, es könnte eine Fortsetzung geben?
Monika: Allein für die Witzig- und Nicht-Witzig-Kategorien muss der zweite Teil – das Känguru-Manifest – verfilmt werden. Das Filmende bietet auch genug Anhaltspunkte für eine Fortsetzung, sowohl in Liebesfragen als auch bezogen auf die politischen Machtverhältnisse.
Verena: Das stimmt, vielleicht wird ja der Pinguin der nächste Antagonist. Wobei, der Film könnte auch für sich stehen, ohne dass in der eigentlichen Handlung groß etwas fehlen würde. Dennoch: Viel Schönes dabei, streckenweise okay… und es ist gar nicht in jeder zweiten Einstellung die amerikanische Flagge zu sehen!
von Monika Dzialas und Verena Weber