Mitten im Bremer Zentrum ist ein Ort voller Kunst, Kultur und Leidenschaft zu finden. Das ist der Güterbahnhof Bremen. Ein Einblick hinter die Kulissen.
Das bunte und vielfältige Bremen
Wer mit dem Zug vom Bremer Hauptbahnhof Richtung Norden fährt, entdeckt die Außenfassade des Güterbahnhofs mit seinen vielen Plattformen und Wandmalereien. Wird das Gelände zu Fuß erkundet, fallen einem viele kleine und auch große Dinge auf. Die Abendsonne strahlt über den langen Dächern. Gelenkt wird der Blick von einem Graffiti zum Nächsten. Auf dem großen Parkplatz sind mehrere kleine Gärten und selbstgebaute Sitzmöglichkeiten zu finden. Bis zu 200 Künstler:innen, Musiker:innen und Kulturschaffende aus aller Welt nutzen die vielen verschiedenen Hallen und Räume, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Bereitgestellt werden diese durch den Verein 23.
Vom Güterumschlagplatz zum Ort der Kunst und Kultur
Doch der Güterbahnhof Bremens beherbergte nicht immer Künstler:innen. Früher fuhren dort noch Güterzüge mit allerlei exotischen Früchten ein und aus. Bis 1997 wurde der Güterbahnhof ausschließlich gewerblich von der Bahn genutzt. Nachdem der Verein 23 durch die Erweiterung eines Parkplatzes aus dem Neustädter Güldenhaus ausziehen musste, fand er mit der Galerie Herold, ein Präsentationsraum für Kunst, im Güterbahnhof ein neues Zuhause. Wer auf der Suche nach künstlerischen Veranstaltungen wie Ausstellungen, Performances, Theateraufführungen, Workshops, Tagungen oder Konzerten ist, ist hier genau richtig. Ohne die Möglichkeit am Güterbahnhof künstlerisch tätig zu sein, wären viele der Menschen dort arbeits- oder obdachlos, so Geschäftsführerin Kerstin Kimmerle.
Auch junge und frische Künstler:innen möchte der Verein 23 unterstützen. Aus diesem Grund gibt es unter anderem das Projekt „Offspace 40“. Durch eine Bewerbung können noch nicht etablierte Künstler:innen die Nutzung des Tors 40, ein Produktions-, Arbeits- und Präsentationsraum, gewinnen und dort zwei Wochen lang ein beliebiges Projekt ausstellen. Des Weiteren gibt es ein Preisgeld von 500 Euro. Die Umsetzung wird voraussichtlich im April diesen Jahres stattfinden.
Die Balance zwischen Problemen und Zukunftsideen
Doch es gibt auch Schwierigkeiten auf dem Gelände des Güterbahnhofs. Durch die Lage hinter dem Hauptbahnhof Bremens treten Probleme mit Drogennutzer:innen und Obdachlosen auf, erzählt Kerstin Kimmerle. Diese Situation entsteht dadurch, dass, das neue Sicherheitskonzept für den Bahnhof am Ende des Überseemuseums abschließt und dadurch den Güterbahnhof nicht mehr integriert, so die im Güterbahnhof tätige Künstlerin Ulrike Isenberg. Das Schlafen könne nicht verhindert werden, doch die Müllverschmutzung oder das Anzünden von Feuern sei für die dort arbeitenden Künstler:innen anstrengend. Aus diesem Grund kam Ulrike Isenberg die Idee, am Ende des Güterbahnhofes fünf Tiny Houses für die Obdachlosen zu bauen. Dies wird aber noch in senatorischen Sitzungen verhandelt. Außerdem möchte der Verein 23 in Zukunft, im Hinblick auf Klimaneutralität, nachhaltig wirtschaften. Dazu gehören das Aufbauen von Solarplatten oder Dachbegrünungen.
Die Geschichte der Trickfilmproduzentin Ulrike Isenberg
Um mal mehr hinter die Kulissen des großen Areals und den bis zu 200 Künstler:innen schauen zu können erzählt die Künstlerin Ulrike Isenberg von ihrem Werdegang und ihrer Arbeit im Trickfilmstudio Trick47.
Ulrike Isenberg ist seit Mai 2018 in einem der Räume des Güterbahnhofs als Künstlerin tätig. Sie produziert im Tor 47 Trickfilme. Eigentlich wurde sie zur Krankenschwester ausgebildet, entdeckte aber durch die zufällige Begegnung mit einem Film- und Fernsehstudenten bei einer Protestaktion gegen die Atomkraft, die Filmarbeit. Ihr Weg führte sie nach Berlin, wo Ulrike Isenberg ihr Studium an einer Filmakademie begann. Im Zuge des Studiums produzierte sie Filme für Selbsthilfegruppen, blieb thematisch also im medizinischen Bereich. Mit der Geburt ihres ersten Kindes musste Ulrike Isenberg Geld verdienen. Sie bekam eine Stelle als Medienwartin an der Hochschule für Künste in Berlin. Durch die Auflösung des zweiten Bildungswegs verlor sie aber das Interesse am Studium. Ihr fehlte das „Schräge, Unangepasste“. Ulrike Isenberg landete wieder in Bremen, um dort die Leitung der Filmwerkstatt an der Hochschule für Künste zu übernehmen.
Zusätzlich war sie Frauen- und Suchtbeauftragte, organisierte die Kinderbetreuung und Fortbildungen für Reinigungskräfte, damit letztere im Umgang mit Konflikten geschult werden konnten. Während ihrer Arbeit in der Filmwerkstatt fing sie mit handgemachten künstlerischen Trickfilmen an. Im August 2018 konnten die ersten Trickfilm Kurse angeboten werden.
„Geschichten aus Schrott“
An den Trickfilmkursen nehmen unter anderem Geflüchtete gemeinsam mit Studierenden, Kinder, Erwachsene und Blaumeier Studierende teil. Letztere sind auch im Blaumeier-Atelier in Bremen tätig. Dies ist ein inklusives Kunstprojekt, für das sich über 250 Menschen mit und ohne Beeinträchtigung oder Psychiatrieerfahrung treffen, um sich zusammen künstlerisch zu entfalten. Die Trickfilme, die durch das Schießen von Fotos und einer Trickfilmsoftware entstehen, helfen dabei den geflüchteten Menschen eine Stimme zu geben. Diese können dadurch ihre Geschichte oder Zukunftsvision erzählen. Doch hauptsächlich hilft dieser Schaffensprozess beim Erlernen einer neuen Sprache. Es werden Buchstaben aus Gegenständen mit dem jeweiligen Anfangsbuchstaben gelegt. So entsteht zum Beispiel der Buchstabe S aus Sand. Auch Analphabeten oder Legasthenikern hilft diese Vorgehensweise sehr beim Erlernen des Lesens und Schreibens.
Am meisten gefällt Ulrike Isenberg am Trickfilm, dass beliebige Dinge, wie Schwämme, Nüsse oder Knete, lebendig gemacht werden können, sozusagen, dass man „aus Schrott tolle Geschichten erzählen kann“.
von Lena Hamel