Spätestens nach dem Interview von Per Mertesacker im Anschluss an das Algerien-Spiel, beherrscht im Moment nur EINE Frage die Medien: Reicht es mittlerweile nicht mehr aus, einfach nur bei der WM zu gewinnen oder muss es auch noch schön sein?
Aus meiner Sicht braucht das Spiel nicht schön sein; man erinnere sich mal an die vergangenen beiden Weltmeisterschaften 2006 und 2010: In beiden Turnieren spielte eine Fußballnationalmannschaft, die mit spielerischen Elementen brillierte und die die ganze Welt in Verzückung versetzte. Viele Tore, offensive Spielweise und mitreißende Matches zauberten unsere Jungs damals auf das Spielfeld. Doch was ist uns am Ende der Turniere geblieben? Im eigenen Land unterlag man im Halbfinale nach der Verlängerung gegen effiziente Italiener durch einen Stich ins Herz durch Fabio Grosso und Alessandro del Piero in der Verlängerung. Und das obwohl man während des Spiels den besseren Fußball von Deutschland sah. Niedergeschlagene, enttäuschte Gesichter und hängende Köpfe – so hatte man sich das Sommermärchen nicht vorgestellt. Am Ende durfte sich Italien über den Gewinn des goldenen Pokals freuen.
Ein ähnliches Bild auch in Südafrika, wo man gegen den späteren Weltmeister durch ein Kopfballtor von Carles Puyol den Kürzeren zog – also wieder kein Titel. Nun sind wir an der Reihe den Gegnern einen Stich in das Herz zu versetzen, wie es bei uns der Fall war. Dazu sollte uns auch jedes Mittel recht sein, denn im Fußball zählt nicht nur die Schönheit, sonder Zählbares!
Nach dem emotionalen Interview von Per Mertesacker fühlte ich mich genau an diese Momente zurückerinnert. Momente, in denen man mit einer tollen Spielweise allerdings nicht einen Titel erringen konnte. Schön – aber erfolglos! Das soll und muss sich mit dieser WM endlich ändern! Warum also nicht wie einst die Italiener schmutzige Siege einfahren, dafür aber mit einem goldenen Pokal nach Hause kommen?! Hinterher fragt sich keiner mehr, wie wir es geschafft haben, sondern es zählt vielmehr, DASS man es geschafft hat!
In Schönheit sterben
Der beste brasilianische Spielmacher aller Zeiten heißt Arthur Antunes Coimbra, kurz Zico. Er trug die „Nummer 10“ in der legendären Mannschaft von 1982. Zico und sein Team waren damals wie von einem anderen Stern. Es war kein Fußball, sondern Kunst. Ebenso Johann Cruyff. Mit seiner „Elftal“ scheiterte der Niederländer zweimal im Weltmeisterschaftsfinale: 1974 und 1978. Der Spielstil nennt sich „Total Football” und beeinflusst Vereine wie Ajax Amsterdam und FC Barcelona bis heute. Cruyff und Zico sind zwei der besten Fußballer aller Zeiten, aber haben mit ihrer Nationalmannschaft nie einen Titel gewonnen. Trotz der gähnenden Leere in der Pokal-Vitrine, haben sie sich mit ihren Teams ein Fußball-Denkmal auf Ewigkeit gesetzt.
Eine wunderbare Geschichte ohne Happy End ist eine romantische Tragödie. Auch auf der Bühne des Weltfußballs. Für Ästheten kommt es im Sport nicht darauf an zu gewinnen. Es geht darum, zu dominieren, dem Gegner überlegen zu sein und ihn vorzuführen. Selbst wenn man dann nicht gewinne sollte – es bleibt die Gewissheit besser zu sein und ich finde diese innere Genugtuung ist mehr wert als ein Pokal.
Es ist natürlich nicht so, dass Zico und Cruyff mit einem Titel weniger berühmt wären. Ganz im Gegenteil: Wahrscheinlich wären sie noch größere Helden ihrer Nation geworden. Sie würden immer wieder mit dem Weltmeisterschaftspokal in Verbindung gebracht werden. In der Realität wird darüber gesprochen, was für einen fantastischen Fußball sie spielten und wie dieser, auf tragische Art und Weise, nie einen Titel holte, dafür aber die beliebteste Sportart der Welt auf ewig veränderte. Die Spieler sind somit mehr als erfolgreiche Fußballer geworden – sie wurden zu einem Mythos.
Maximilian Kamp & Chris Ohmstedt