Krieg und Flucht auf der einen Seite, Raummangel und fehlende Kapazitäten auf der anderen Seite: Das Thema Flüchtlingspolitik ist topaktuell und wird kontrovers diskutiert – auch im Land Bremen. KROSSE war für euch unterwegs, um die aktuellen Zahlen zusammenzutragen und mit einer betroffenen Familie darüber zu sprechen, wie sich das Leben in einem Bremer Übergangswohnheim wirklich gestaltet.
Flüchtlinge weltweit
Laut der UNO-Flüchtlingshilfe befinden sich weltweit über 50 Millionen Menschen auf der Flucht (Stand: Ende 2013). Hierzu zählen zum einen die Menschen, die nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge gelten, zum anderen aber auch die sogenannten Binnenvertriebene, die bei ihrer Flucht internationale Landesgrenzen nicht überschreiten.
Flüchtlinge in Deutschland
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gibt außerdem folgende Zahlen bekannt: Im Vorjahr hat Deutschland 202.834 Flüchtlinge aufgenommen. Im Januar 2015 sind zudem beim Bundesamt insgesamt 25.042 Asylanträge eingegangen. Hierzu zählen sowohl die Erstanträge als auch die Folgeanträge. Im Vorjahr waren es in jenem Monat weitaus weniger, sodass ein Anstieg von 73,1% festzustellen ist. Somit wird generell ein Gesamtanstieg der Zahlen für dieses Jahr erwartet.
Zu den Hauptherkunftsländern gehören hierbei Syrien (24,6%), der Kosovo (14,0%) sowie Serbien (9,4%). Der Anteil dieser drei Herkunftsländer ergibt übrigens nahezu die Hälfte der gestellten Erstanträge in der BRD.
Flüchtlinge in Bremen
Nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel werden ca. 0,94% aller Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, auf Bremen verteilt. Steuereinnahmen sowie die Bevölkerungszahl der Bundesländer sind Faktoren, aus denen sich diese Quote jährlich erneut berechnet. Die Erstaufnahme in Bremen befindet sich zudem in der Steinsetzer Straße – danach werden die Flüchtlinge in die entsprechenden Übergangswohnheime verteilt. Im Moment gibt es laut dem Flüchtlingsrat Bremen 15 Übergangswohnheime für Flüchtlinge. Zuletzt wurden bspw. eines in Bremen Mitte (Klinikum Mitte) sowie eines in der Überseestadt eröffnet. Doch da die Zahlen immer weiter ansteigen, werden weitere geplant, sodass Bremen weiterhin Unterkünfte suchen muss.
Raummangel in der Bardowickstraße
Dass weitere Unterkünfte für die Flüchtlinge dringend benötigt werden, wird auch am Beispiel des Übergangswohnheims in der Bardowickstraße nur allzu deutlich: Das ehemalige Schulgelände beherbergt zurzeit 90 Menschen. Die dort aufgestellten Wohncontainer bieten jedoch nur Platz für 60. Das restliche Drittel der Bewohner ist somit gezwungen, mit der alten Turnhalle vorlieb zu nehmen, in der mit dünnen Stellwänden provisorische Wohnräume errichtet wurden. Privatsphäre darf man hier nicht erwarten.
Dies sei nicht die Art der Unterkunft, die man sich für die Flüchtlinge wünsche, berichtet uns die Heimleitung. Allerdings gäbe es momentan keine andere Möglichkeit der Unterbringung. Einige der alten Klassenräume im Gebäude stünden zwar leer, jedoch seien diese so stark von Schimmel befallen, dass sie ohne eine gründliche Sanierung nicht bewohnbar seien. Eine Entscheidung darüber, ob diese bewilligt wird, lasse jedoch momentan noch auf sich warten. Frühestens nach den Bürgeschaftswahlen im Mai diesen Jahres sei damit zu rechnen.
Leben im Flüchtlingsheim
Wie es ist, in der Turnhalle zu leben, wissen auch Karim und Saida, ein junges Ehepaar, deren Namen wir zum Schutz der Familie geändert haben. Auch sie wurden bei ihrer Ankunft in der Bardowickstraße im Juni des letzten Jahres zunächst dort untergebracht, bevor sie in einen der 32 Wohncontainer umziehen durften. Natürlich sei solch eine Unterkunft nicht mit dem Leben in einer eigenen Wohnung vergleichbar und es herrsche häufig Langeweile unter den Bewohnern, da es kaum Arbeit zu verrichten gäbe. Dennoch seien die beiden mehr als dankbar dafür, in Bremen aufgenommen worden zu sein. Hier würden sie sich gut aufgehoben fühlen und ihre drei Kinder hätten die Aussicht auf eine gute Zukunft.
Eine gute Zukunft wäre in ihrer Heimat Syrien unter den momentanen Umständen undenkbar und doch hätten sie anfangs gezögert, diese zu verlassen. Selbst als der Krieg immer näher kam und die Gefahr von Seiten des IS größer wurde, blieb die kurdische Familie dort. Erst der Einsatz von Chemiewaffen in ihrer Stadt Damaskus sei es gewesen, der sie gezwungen hätte, ihr Polstereigeschäft und die darüber liegende Wohnung aufzugeben und sich auf die Flucht zu begeben.
„Lieber in Syrien sterben, als in Bulgarien leben“
Es war im September 2013, als sich die Familie zu Fuß auf den Weg zur syrisch-türkischen Grenze begab, um anschließend in einen Bus in Richtung Istanbul zu steigen. Doch auch hier hätten sie den Druck verspürt, als Kurden nicht willkommen zu sein, sodass sie nur wenige Tage in der Türkei blieben, bevor sie sich erneut auf den Weg machten – dieses Mal in Richtung Bulgarien. Dort angekommen, so erzählt Karim, hätte man sie aus dem viel zu überfüllten Bus geschubst und ihnen gesagt, dass sie von nun an auf sich allein gestellt seien.
Kaum in der Fremde angekommen, wurde die Familie von der Polizei aufgegriffen. Einen ganzen Monat hätten sie in einer Zelle verbracht, bevor man sie in eine Unterkunft für Flüchtlinge brachte. Diese jedoch hätte einem Vergleich mit den Heimen in Bremen kaum standgehalten. Das sogenannte Flüchtlingsheim hätte lediglich aus einer Gruppe von einfachen Zelten bestanden, in denen unerträgliche Zustände geherrscht hätten. Wasser oder Milch für die Kinder mussten sie in leeren Tomatendosen erwärmen und die Decken, die ihnen zugeteilt wurden, hätten so stark nach Chemie gerochen, dass den Kindern ständig die Augen gebrannt hätten. Medizinische Versorgung wurde nur denjenigen zuteil, die das nötige Geld dafür aufbringen konnten und das selbständige Verlassen des Geländes wurde ihnen strikt untersagt. Wer für seine Familie einkaufen wollte, erzählt Saida, konnte dies nur unter Begleitung der Polizei tun und selbst das sei nicht immer erlaubt gewesen. Für gewöhnlich hätte man nur eine Person zur Zeit hinaus gelassen, die stellvertretend für mehrere Familien Besorgungen gemacht hätte. „Lieber in Syrien sterben, als in Bulgarien leben“, ist der Schluss, den Saida aus dieser Zeit zieht.
Zukunft in Deutschland
Nach sieben Monaten Aufenthalt in Bulgarien, brach die Familie schließlich nach Deutschland auf. Drei Tage hätte ihre Reise zur zentralen Aufnahmestelle in Hannover gedauert, von wo aus man sie dann nach Bremen in die Steinsetzer Straße verlegt hätte, bevor sie ihr vorerst letztes Ziel in der Bardowickstraße erreichten.
Doch auch hier werden sie nicht mehr lange bleiben: Karim erzählt, dass sie bald nach Hannover ziehen werden, wo ihnen eine eigene Wohnung zugeteilt wurde. Außerdem geht mit der nun erhaltenen Aufenthaltserlaubnis von zunächst drei Jahren auch eine Arbeitserlaubnis einher. Um jedoch überhaupt auf einen Job hoffen zu können, müssen sie die deutsche Sprache lernen. Denn ohne diese, sagt Saida, ginge schließlich nichts.
Diese Geschichte – die sicherlich keineswegs einen Einzelfall darstellt – zeigt uns, dass die Flüchtlingspolitik weiter reformiert werden muss. Denn wer in der EU Schutz sucht, ist quasi gezwungen, auf illegale Weise einzureisen. Ohne dass die Grenze überquert ist, kann man nämlich keinen Asylantrag stellen. Dies erschwert die Lage der Flüchtlinge erheblich und ist überhaupt erst der Antrieb für Schmuggler, daraus Profit schlagen zu können. Umso wichtiger ist es, dass sich die Flüchtlinge gerade nach solch einer schwierigen Reise zumindest im Ankunftsland wohl und gut aufgehoben fühlen. Dementsprechend ist es von großer Bedeutung, dass auch Bremen – jetzt wo ein Gesamtanstieg der Flüchtlinge erwartet wird – vermehrt nach Unterkünften sucht und die Umstände, unter denen diese Menschen leben, zu verbessern versucht.
Nastaran Hosseini & Tuğba Uzun