Facebook bezahlt 19 Milliarden US-Dollar für den Nachrichtendienst WhatsApp und die digitale Welt ist im Ausnahmezustand. Schnell werden zahlreiche Alternativen vorgestellt, die meisten User erklären ihren Absprung von WhatsApp. Dieses bedrohliche Szenario stammt aus vergangenem Februar. Seitdem ist unlängst Ruhe eingekehrt. Etwas geändert hat sich nicht wirklich – außer, dass WhatsApp weiterhin wächst.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg dürfte mittlerweile wieder gut lachen können. Nachdem der Börsengang gänzlich floppte und die eigene Messenger-App erfolglos blieb, griff man tief in die Tasche, um den weltweit größten Nachrichtendienst WhatsApp mit ins Boot zu holen. Rund 19 Milliarden US-Dollar legte Facebook für den ehemaligen Konkurrenten auf den Tisch. „WhatsApp wird uns dabei helfen, unsere Mission zu erfüllen, die ganze Welt zu vernetzen“, erklärte Zuckerberg kurz nach Übernahme. Facebook kommt damit dem Ziel, das gesamte Internet zu dominieren, einen großen Schritt näher.
Internet im Ausnahmezustand
Es war vielleicht dieser Schritt, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn auf Aktion folgte Reaktion und die war gewaltig. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Übergabe stand die digitale Welt auf dem Kopf. Fast alle Nachrichtenportale warnten vor Facebook und stellten unzählige WhatsApp-Alternativen vor. Surespot, Threema, KiKMessenger, ChatOn, MySms. und, und , und – sie alle standen auf der Alternativ-Agenda, die unmittelbar nach der Übernahme in den Medien angepriesen wurde.
Dass WhatsApp indes schon vorher mit riesigen Sicherheitslücken zu kämpfen hatte, erschien völlig unwichtig. Zunächst einmal musste Facebook einen regelrechten
Shitstorm über sich ergehen lassen.
Auch unzählige meiner Facebook-Freunde ließen ihrem Unmut freien Lauf. Ja, ausgerechnet auf Facebook, der Auslöser allen Übels, echauffierten sich die armen WhatsApp-Nutzer um ihr eigenes Wohl. Das Internet war im Ausnahmezustand. Nun blieb man nicht mal mehr bei WhatsApp vor Zuckerberg und seinen Komplizen verschont.
Ein ungeschriebenes Gesetz
Nun ja, man blieb schon vorher nicht verschont. Anstelle eines amerikanischen Servers versorgte man stattdessen den Server des ukrainischen WhatsApp Erfinders Jan Koum mit Daten. Dabei gab man dem Nachrichtendienst nicht nur Einblicke in die Privatsphäre, sondern gewährte ihm Zugriff auf das gesamte Adressverzeichnis des Smartphones sowie die permanete Abfrage des Standorts.
Im Gegensatz dazu: Der Facebook-Messenger.
Die App steht nicht nur kostenlos zum Download zur Verfügung, nein, sie funktioniert auch weiterhin ohne die Preisgabe sämtlicher Adressdaten von Freunden und Bekannten. Doch wie gesagt: Das war vor wenigen Wochen völlig unwichtig.
Mark Zuckerberg hat anscheinend seinen Ruf weg. Es ist wohl ein ungeschriebenes Gesetz, dass alle die Flucht ergreifen, sobald Facebook um die Ecke tritt. Das größte soziale Netzwerk der Welt hat die Eigenschaft, andere Unternehmen oder Dienste als böse zu brandmarken.
Viel Lärm um nichts
Mittlerweile sind mehrere Wochen vergangenen. Die Apokalypse von WhatsApp blieb aus. Der digitale Alltag ist zurückkehrt. Etwas geändert hat sich nicht und dabei wird es bleiben. „WhatsApp wächst genau so schnell wie vorher“, sagte Jan Koum vor ein paar Tagen. Allein in Deutschland habe WhatsApp 31 Millionen Nutzer. Im Januar waren es noch eine Million weniger. Es war einmal wieder viel Lärm um nichts. Unsere Daten sind nun mal der Preis dafür, dass wir solche Dienste nutzen können. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er das möchte oder nicht. Alternativen gibt es viele. Warum sogar nicht auf Altbewährtes wie die SMS zurückgreifen? Mark Zuckerberg und Jan Koum hätten dann mit Sicherheit keinen Zugriff auf die Daten. Dafür wohl die NSA.
Kevin Ehlers