„Into the wild“ – so lautete das diesjährige Motto der europaweit größten Internetzkonferenz re:pulica. Zum achten Mal versammelten sich in Berlin Computernerds, Netzaktivisten, Medienwissenschaftler, Teilzeitzocker, Turnbeutelvergesser – kurz: alle, die sich für Netzthemen begeistern können. Dieses Mal dabei: „I’ve been looking for (digital) freedom“-Saufnase David Hasselhoff, Netzaktivist und Internet-Bürgermeister Sascha Lobo, ein 12-jähriger Social-Media-Profi und ein Thema – das liebe #Internet.
David – the Hoff – Hasselhoff hätte die heutige Lage im Netz nicht besser auf den Punkt bringen können: „I (oder besser) we‘ve been looking for freedom“. Als er uns Ende der 80er-Jahre den niemals vergessenen Schlager in unsere Köpfe einbrannte, brachte er nicht nur (angeblich) die Mauer zu Fall, sondern wählte auch Worte, die 2014 ebenso aktuell sind wie vor 25 Jahren. Wir suchen nach Freiheit. Immer noch. Aber vielleicht heute suchen wir diese nicht auf der anderen Seite der Berliner Mauer, sondern losgelöst von Zeit und Raum – im sogenannten Cyberspace. Doch der „digitalen Freiheit“ droht Gefahr. NSA-Spähaffären, abgehörte Kanzlerinnenhandys, Vorratsdatenspeicherung und Sicherheitslücken bereiten nicht nur dem Hoff extremes #heartbleed, auch die Netzgemeinde ist in großer Sorge. So auch Sascha Lobo. Der Spiegel-Online Autor und Netzaktivist verleihte dieser Forderung gleich am ersten Abend Ausdruck – in seiner „Rede zur Lage der Nation“. Die Abhöraffäre sei wie ein „Meteorit, der in das Internet einschlägt“, warnte der Netzrebell mit rotem Irokesenschnitt und stimmte damit plötzlich ganz ernste Töne an. Auch wenn sein gewählter Vergleich eines Vogels mit dem Internet zunächst humoristisch anmutete. Lobo ist es ernst. Das Internet ist in Gefahr und muss geschützt werden.
„Das Internet ist kaputt“
„Das Internet ist kaputt“, proklamiert Lobo. Sein Ausweg: eine Professionalisierung der Netzaktivisten. Und die braucht Geld. Unser Geld. So wie „unsere Eltern“ für den Vogel des Jahres tausende von Euros spendeten, muss uns das Internet auch jedem der Beteiligten etwas „wert sein“. Mein Hashtag für den ersten Tag: #saschawilldasnetzretten.
Doch ganz so ernst wie der SPON-Autor die Konferenz am ersten Abend einleitete, blieb es nicht immer auf dem Olymp der Internetnerds. Vor allem in die abendlichen Vorträge mischte sich zwischen die schweren, netzpolitischen Worte immer öfter der Dunst von Bier und Katzen-durchtränkter Internethumor. So wie beim Science-Slam, bei dem Wissenschaftler auf fast poetische Art und Weise ihre Forschung präsentierten. „Komplizierte Sachverhalte einfach ausgedrückt“ statt wie sonst auf der re:publica „Einfaches kompliziert zu machen“. Quantentheorie in zwei Minuten dank Katzen-Memes und lustiger GIFS. Und beim Beifall mussten dann auch die letzten Dauer-am-Smartphone-Rumdrücker ihr Gerät beiseite legen und dem Gewinner Johannes Kretzschmar aus Jena Beifall zollen. Geht doch. Mein Hashtag für den zweiten Abend: #wissenschaftkannauchlustigsein.
Der jüngste Redner: ein 12-jähriger Social-Media-Profi
Eines der wohl am häufigsten verwendeten Worte neben Netzneutralität, Abhörskandal, Massenüberwachung und Snowden war wohl auch der Begriff des „Digital Native“. Und einer, der so richtig in die digitale Welt reingeboren wurde, ist Lorenzo Tural Osorio. Der 12-Jährige betreut selbstbewusst diverse Social-Media-Kanäle und ist mit seiner orangen Baseballmütze und America-Shirt nicht nur der jüngste, sondern wohl auch der selbstbewussteste Redner auf der re:publica. So twitterte er nach seinem Vortrag über seine Aktivitäten als wohl jüngster Social-Media-Redakteur: „Woah, ich bin voll der Poet geworden. Dauernd werden meine Zitate getwittert“.
„Überwachung ist ein Symptom. Nicht die Ursache eines Problems“
Doch zurück zum eigentlichen Thema: Überwachung. Denn kaum sind Hasselhoffs (Werbe)-Worte am dritten Tag verklungen (der übrigens für eine Sicherheitsfirma ganz nebenbei für eine Anonymitäts-App Publicity machte), da wird es wieder ernst auf der re:publica.
Felix Schwenzel schloss mit seinem Vortrag „Wie ich lernte, die Überwachung zu lieben“ dann am Ende sowohl inhaltlich als auch zeitlich den Rahmen für die Konferenz. Seine These: „Technologie ist dem Rechtssystem immer weit voraus.“ Dabei lies er es sich nicht nehmen, ein paar bissige Seitenhiebe auf den Kollegen Lobo auszuteilen: „Ich zeige den Screenshot nur, weil Sascha Lobo darauf aussieht wie Shrek“. Schwenzel hält im Gegensatz zu Lobo nicht Geld für die Lösung, sondern vielmehr sei es Zeit, dass uns jemand in den Hintern tritt, damit wir was an unserem Verhalten ändern. „Provokation, Benennen, Verspotten“ – es sind mehr als bloße Schlagworte auf der weißen Power-Point-Folie. Trotz seines humoristischen und provokativen Tons ist es Schwenzel doch ernst: „Vor Snowden war Sascha Lobo witziger. Und ich auch.“ Dass er Überwachung zwar nicht unbedingt liebt, sondern als zwingende Folge unserer technisierten Welt hinnimmt, macht er unter tosendem Applaus und zahlreichen Re-Tweets der Zuhörerschaft auf Twitter deutlich: „Überwachung ist ein Symptom. Nicht die Ursache eines Problems“. Statt uns nur aufzuregen, müssen wir lernen damit zu leben. Und vielleicht lässt sich auch dahinter zumindest ein kleiner Punkt machen. Mein Hashtag des letzten Tages: #überwachungistnichtwitzigaberda
Jana Wagner
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