10 Jahre, 19 Filme, 37 Stunden Laufzeit: Avengers – Infinity War ist der neueste Eintrag in die schier endlose Filmreihe des Marvel Cinematic Universe. So viele Superhelden wie nie treffen in dem selbsternannten Höhepunkt des Franchises auf den ultimativen Endboss Thanos. Doch bedeutet mehr gleich immer besser?
Nur selten geht man ins Kino und hat das Gefühl, man nehme vielmehr an einem Event teil, als dass man sich einfach einen Film anschauen würde. Bei dem neuen Avengers-Film ist doch genau dies der Fall. Mit 19 clever verknüpften Filmen hat Marvel es geschafft, sich in die Reihe der Mega-Franchises wie Harry Potter oder Star Wars zu katapultieren. „Avengers – Infinity War“ ist der dritte Avengers-Ensemblefilm, und der (erste) Höhepunkt auf den alle bisherigen Marvel-Einträge hingeführt haben. Es ist also keine Überraschung, dass an diesem Film unglaublich viele Erwartungen und Emotionen hängen.
Marvel wie (man) es lebt und liebt
Im Blick auf das Große und Ganze überliefert „Avengers – Infinity War“ definitiv was er verspricht. Wer bereits Fan von abwechslungsreichen Action-Sequenzen, schnellem Dialog und dem klassischen Marvel One-Liner Humor ist, wird definitiv nicht enttäuscht sein. So viele Superhelden wie nie zuvor – obwohl man diesen Satz vor „Captain America – Civil War“ schon des Öfteren hören konnte – müssen den bisher mächtigsten Bösewicht Thanos bekämpfen, dessen Bestreben das halbe Universum auszurotten nun auch die Erde bedroht. Obwohl das alles nach nichts Neuem klingt, gelingt es den Regisseur-Brüdern Anthony und Joe Russo mit Infinity War einen überraschend untypischen Marvel-Film auf die Leinwand zu bringen.
The Stakes are real
Schon nach 5 Minuten ist klar, dass nicht viel Zeit für die Exposition verschwendet wird. Das ist aber auch gar nicht nötig, denn durch 10 Jahre Charakter- und Storyaufbau kann der Film die Zuschauer direkt in die Action katapultieren, ohne dass diese Probleme haben der Geschichte zu folgen. Darum funktionieren die ungewöhnlichen Superhelden Team-Ups sehr gut, und es macht unglaublich viel Spaß sie zu verfolgen. „Avengers-Infinity War“ arbeitet aktiv gegen die normalerweise so vorhersehbaren Plots von Superheldenfilmen an: Die Einsätze sind hoch, und die Verluste umso höher. Es gibt es ein paar sehr unerwartete Twists und ein vergleichsweise schockierendes Ende, das dem Film emotionale Tiefe gibt. Obwohl der Cliffhanger definitiv Lust auf mehr macht, gibt es dem Film doch eine leicht unvollendete Stimmung. Es wird schnell klar: Marvel scheint sich nicht mehr davor zu scheuen, gebliebte Charaktere das Zeitliche segnen zu lassen – für wie lange, bleibt abzuwarten.
Charaktere über Charaktere
Doch bedeutet mehr gleich immer besser? Oft hat man das Gefühl, der Film verfolgt zu viele Charaktere und ihre Subplots, um wirklich eine tiefgehende emotionale Reaktion hervorrufen zu können – durch die schiere Anzahl an Superhelden kann der Film manchen Fanlieblingen nicht gerecht werden. Letztendlich führt das dazu, dass sie oft als eher unterbrechender Comic-Relief eingesetzt werden, was in manchen Szenen ziemlich kontraproduktiv wirkt.
Ein herrlich böser lila Riese
Ein großes Plus des Films ist jedoch Thanos, der einer der ersten richtig guten und glaubwürdigen Marvel Bösewichte ist. Im Vergleich zu vorherigen Filmen, in denen die Antagonisten oft entweder keine ernsthafte Gefahr darstellten oder ihre Motive nicht logisch nachzuvollziehen waren, haben die Russo-Brüder mit Thanos gute Arbeit geleistet: Auch wenn er unseren Lieblingshelden ernsthaftes Leid zufügt, neigt man beinahe dazu ihn anzufeuern. Seine Charakterentwicklung ist wahrscheinlich sogar die beste des ganzen Films, was aber auch daran liegen könnte, dass durch die hohe Anzahl an Superhelden auf der Seite der Protagonisten nur wenig emotionale Entwicklung aufgebaut werden kann. Gelobt werden muss hier auf jeden Fall auch die Animation: Insbesondere bei Thanos sticht diese heraus, da es definitiv nicht leicht ist, einen lila Riesen mit goldenem Stulpenhandschuh nicht lächerlich, sondern herrlich böse aussehen zu lassen.
Fazit
Alles ist Allem ist „Avengers – Infinity War“ ein unglaublich unterhaltender Film mit einer guten Mischung aus Action, Drama und Humor, der alle Marvel-Liebhaber gleichzeitig befriedigt und dennoch frustriert zurück lässt. Nichtsdestotrotz fühlt sich der Film oft zu sehr wie ein Teil des großen Ganzen an, was bei Zuschauern mit mangelndem Vorwissen für ein verwirrendes Kino-Erlebnis sorgen könnte. Natürlich ist der Film „nur“ ein Puzzleteil des ganzen Marvel-Universums, jedoch sollten die einzelnen Teile auch unabhängig von dem Rest stehen und scheinen können.
Kaum ein Franchise hat in den letzten Jahren so viele treu geliebte Charaktere etablieren können, und sie alle in einem Film zu vereinen ist eine massiv schwere Aufgabe. Den Russo-Brüdern ist es jedoch gelungen eine emotionale Achterbahnfahrt eines Films auf die Beine zu stellen, der zweifellos Lust auf den nächsten Avengers-Film macht.
Lillith Dörsch
Bildquelle: Christianlorenz97, Avengers Infinity War logo 001, CC BY-SA 4.0