Die Menschen nutzen zunehmend soziale Medien und verbringen ihre Zeit immer mehr vor dem Bildschirm. Doch es gibt eine Gegenbewegung, um diesem Zustand zu entkommen – das Digital Detox. Im Alltag und vor allem auf Reisen achten immer mehr Personen auf einen geringeren Konsum der sozialen Medien, unter ihnen die jungen Erwachsenen Lotta und Linda.
Die 19-Jährige Schülerin Lotta verbringt gerade einen entspannten Nachmittag mit ihren Freundinnen bei einem gemeinsamen Treffen. Sie unterhalten sich, lachen viel und für Snacks und Getränke ist gesorgt. Zwischendurch werden die Handys ihrer Freundinnen gezückt, um großartige Momente festzuhalten und diese anschließend auf Plattformen wie Instagram zu teilen. Ein lustiges Foto? Festgehalten und gepostet. Ein leckeres Abendessen zum Abschluss des Tages? Ebenfalls auf Instagram geteilt. Lotta merkt dabei immer mehr, dass für viele Personen in ihrem Umfeld die sozialen Medien eine bedeutende Rolle einnehmen, was sie kritisch sieht. Sie selbst hat für sich gemerkt, dass sie gerne wieder bewusster im Moment leben und sich Zeit für sich nehmen möchte – auch mal ohne das Handy.
Diese Gedanken kennt auch die 21-Jährige Studentin Linda, denn sie sieht es ähnlich wie Lotta und möchte bei sich selbst ebenfalls etwas gegen den steigenden Konsum sozialer Medien machen. In ihrem Umfeld nutzen ebenfalls viele Personen soziale Medien und sie wünscht sich manchmal, dass sie diesen Konsum reduzieren würden, damit sie alle wieder bewusster im Hier und Jetzt leben. Denn sie selbst sieht die sozialen Medien immer kritischer, da sie gemerkt hat, dass ihr diese oftmals keinen Mehrwert bieten und sie die Zeit stattdessen anders nutzen könnte, weshalb für sie inzwischen klar ist: „Ich sehe sehr viele Vorteile darin, das Handy nicht zu nutzen“, erzählt sie. „Ich stelle fest, in was für einem Tunnel man durch das Handy ist – gerade bei Instagram, wo man sich nochmal schnell dies und jenes anschaut. Darauf kann ich gut verzichten.“, hat sie für sich festgestellt und möchte aus diesem Zustand entfliehen.
Mittlerweile haben sich beide auf den Weg zum Digital Detox gemacht, da sie in dieser Bewegung eine Chance sehen, um dem steigenden Konsum sozialer Medien zu entfliehen – insbesondere auf Reisen.
Von ihren Gedanken und Erfahrungen berichten sie immer öfter ihrem Umfeld und möchten andere auf die Bewegung aufmerksam machen, damit auch sie einen gesünderen Zugang zu den sozialen Medien finden – mithilfe eines Digital Detox.
Digital Detox
Durch einen Digital Detox möchte man bewusst Pausen von digitalen Geräten einlegen und daher seine digitalen Geräte wie Smartphones, Tablets, PCs oder Ähnliches ausschalten oder sich zeitliche Beschränkungen setzen, in welchen man die Geräte nutzen darf, so die Techniker. Dadurch solle die mentale Gesundheit verbessert und die zwischenmenschlichen Beziehungen von Personen gefördert werden.
Diese Bewegung findet in Zeiten eines steigenden Konsums der sozialen Medien statt und wie groß dieser Konsum ist, verdeutlicht eine Studie von bitkom: Je jünger die Personen sind, desto mehr Zeit verbringen diese an ihren Geräten. Die 16-bis-29-jährigen nutzen das Smartphone täglich durchschnittlich 182 Minuten und bei den 30-bis-49-jährigen sind es 148 Minuten pro Tag. Die 50-bis-64-jährigen verbringen täglich 148 Minuten mit ihrem Smartphone und die Personen über 65 Jahren verbringen täglich 96 Minuten an dem Gerät. Außerdem können sich 83 Prozent der Menschen ein Leben ohne das Smartphone nicht mehr vorstellen. Die Personen, die täglich jedoch viel Zeit am Handy verbringen, würden insgesamt langsamer und mit schlechterer Konzentration arbeiten.

Weg von den sozialen Medien
Auch Lotta und Linda haben gemerkt, dass sie in den letzten Jahren vermehrt soziale Medien genutzt haben und für sich erkannt, dass sie sich von diesen schrittweise wieder entfernen wollen. Ihnen tut der zunehmende Konsum nicht gut, da sie merken, dass die sozialen Medien zu viel Zeit beanspruchen und sie diese lieber wieder anders investieren möchten. Was für manche Personen aber wie ein Verzicht wirken mag, ist für die beiden eine Befreiung. Linda möchte sich nicht von ihrem Umfeld in Bezug auf den Konsum der sozialen Medien anstecken lassen. „Alle machen das, also mache ich es auch“, ist für sie keine Option, erklärt sie. Für sie haben die online verfügbaren Inhalte zwar manchmal auch einen unterhaltenden Charakter, weshalb sie sich teilweise auch gerne unterschiedliche Inhalte anschaut, aber später fragt sie sich dann oft, ob ihr das einen wirklichen Mehrwert gegeben hat. Das hat dazu geführt, dass sie begonnen hat die Allgegenwärtigkeit der sozialen Medien vollständig zu hinterfragen. Auch Lotta meint, dass sie nicht immer erreichbar sein muss, sondern die Zeit auch anders verbringen kann und möchte. Beide haben von den möglichen Belastungen durch die sozialen Medien in ihrem Umfeld und bei sich selbst mitbekommen und versuchen sich durch den Schritt zum Digital Detox von diesen wieder zu entfernen und eine digitale Reizüberflutung zu vermeiden.
Digitale Reizüberflutung
Ein großes Problem ist, dass die ständige Nutzung verschiedener online Inhalte mögliche Gefahren für die eigene Psyche mit sich bringen kann, so ein WHO-Bericht. Dieser warnt vor dem steigenden Risiko einer digitalen Sucht und einer verminderten Selbstkontrolle im Umgang mit digitalen Medien. Die problematische Nutzung sozialer Medien führe zu weniger Schlaf, was sich auf die allgemeine Gesundheit und die schulischen Leistungen Jugendlicher auswirke. Außerdem könne mit der häufigen Nutzung sozialer Medien eine Vernachlässigung anderer Aktivitäten einhergehen, was zu negativen Folgen im alltäglichen Leben führe. Dadurch könnten Probleme wie Depressionen, Mobbing oder Angstzustände entstehen.
Lotta und Linda haben gemerkt, dass sie durch die steigende Nutzung sozialer Medien in den letzten Jahren weniger Zeit für andere Aktivitäten hatten und Freizeitbeschäftigungen vernachlässigt haben. Sie wollen sich davon nun wieder bewusst abwenden und mehr Zeit für sich selbst und ihr Umfeld aufbringen, um wieder mehr in dem realen Leben zu leben und die Zeit abseits der sozialen Medien zu genießen. Dies bringt ihnen mehr Zeit, um früheren gerne gemachten Beschäftigungen nachzugehen, beispielsweise Aktivitäten im Freien. Beide erkennen für sich, dass sie durch ihre Entscheidung den Belastungen durch die digitalen Reize entgegenwirken können – was besonders auf Reisen eine Möglichkeit bietet.

Reisen als Gelegenheit zum Abschalten
Das Reisen bietet eine Chance, um Erholung und Regeneration zu erzielen und die eigene Psyche zu entlasten, so das Bild der Wissenschaft. Reisen stelle eine Möglichkeit dar, den Alltag hinter sich zu lassen und sich auf neue Erfahrungen einzulassen. Dies sei wichtig, da man ohne diese Auszeiten anfälliger für Krankheiten sei. Es sei wichtig, dass der Stress für die Zeit beiseitegeschoben werde und auch nach dem Urlaub nicht direkt wieder anfange, sodass der Erholungseffekt lange anhalte.
Digital Detox auf Reisen
Auch für Lotta sind die Auszeiten wichtig, aber wenn die sozialen Medien immer präsent sind, hat sie das Problem, dass sie diese nicht vollständig genießen kann. Bei ihren Freundinnen ist ihr aufgefallen, dass viele Personen das Gefühl haben, eine Reise nicht wirklich zu erleben, wenn sie nicht online geteilt wird. Sie filtern die Reise durch das Handy, was auf Kosten der mentalen Gesundheit geschehen kann. Auch Lotta kennt dieses Gefühl, jedoch hat sie in letzter Zeit für sich gemerkt, dass sich dies falsch anfühlt und sie aus diesem Zustand wieder entfliehen möchte.
Letztes Jahr ging es für sie bei einem Roadtrip durch unterschiedliche Länder in Europa und dort wollte sie die Möglichkeit probieren, einfach mal das Handy weg zu legen und dadurch richtig abzuschalten. Sie hat sich Offline-Zonen geschaffen, indem sie versuchte, das Handy tagsüber nur für die Navigation oder Fotos zu nutzen. Diese bewusste reduzierte Nutzung sozialer Medien ermöglichte es ihr, sich stärker auf die Umwelt zu konzentrieren und den Moment intensiver zu erleben. Abends hat sie sich aber Zeit für das Handy genommen und dann in höchstens 15 Minuten die schönsten Erlebnisse online geteilt. Sie hat also nicht vollständig auf die sozialen Medien verzichtet, aber trotzdem effektiv und gezielt Digital Detox gemacht. Diese Erfahrung hat sich für sie als positiv bewährt, da sie sich auf den Urlaub und den neuen Ort konzentrieren und abschalten konnte.

Die Notwendigkeit von Digital Detox
Diese Methode zur Minimierung der Nutzung kennt auch Linda, jedoch sieht sie dies kritisch: „Fotos sind okay, aber es werden so unfassbar viele Fotos gemacht, da weiß ich gar nicht, ob das überhaupt nötig ist“, erzählt sie. Es reicht für sie nicht, sich Bildschirmzeiten zu setzen, da sie auch die vielen gemachten Fotos übertrieben findet und es als wichtig erachtet, das Handy einfach mal ganz beiseitezulegen. Sie hat durch die Hinterfragung der sozialen Medien gelernt, dass es ihr persönlich wichtig ist, Erlebnisse wieder bewusst mit unseren Sinnen wahrzunehmen – manchmal auch mit geschlossenen Augen. „Ich habe gerade so ein Bild von der Natur vor Augen und da muss man einfach mal den Moment richtig wahrnehmen und erleben, was mit dem Handy definitiv ganz anders wäre“.
Trotzdem fällt es Lotta schwer, ganz auf das Handy zu verzichten. „Bei dem Roadtrip hat es sich aber auch gut angefühlt, abends einfach ein bisschen zu scrollen und dabei zu entspannen“, erzählt sie. „Tagsüber haben mir die online Aktivitäten aber nicht wirklich gefehlt, weil man nicht jeden Moment erreichbar sein muss und man seine Zeit nicht für Stunden im Internet verschwenden muss.“. Für sie zählen die kleinen Schritte.
Zurück in den Moment
Linda hat durch die Hinterfragung des Konsums der sozialen Medien gelernt, dass Digital Detox für sie eine große Befreiung darstellt. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich auf etwas verzichten muss, sondern brauche es einfach nicht“. Sie verzichtet nicht nur auf Reisen, sondern auch immer mehr im Alltag, was aber nicht immer einfach für sie ist. „Der Spagat zwischen der Entscheidung und der Gesellschaft ist für mich nicht immer leicht“, erzählt sie. Manchmal hat sie Angst, sich zu isolieren, aber eigentlich möchte sie einfach nur nicht in den „Handy-Strom“ geraten, in dem viele Personen mittlerweile leben. „Wenn Menschen über Memes reden, die ich nicht kenne, dann lasse ich mir diese eben erklären, das finde ich nicht schlimm“.
Dennoch merkt sie, dass ihre Umgebung den Verzicht auf das Handy schwieriger macht. „Ich könnte gerne einfach mal ganz auf das Handy verzichten, aber ich merke, dass das in der Gesellschaft heutzutage einfach nicht möglich ist, weil da eben auch viele relevante Infos drüber laufen, wie organisatorische Inhalte“. In der Uni hat sie aber den Weg zurück zum Schreiben auf Papier gefunden und möchte solche Schritte immer mehr im Alltag gehen, egal, was andere dazu sagen. Daher fordert sie ein grundsätzliches Umdenken: „Wir sollten lernen, auch mal Langeweile auszuhalten und uns von der Schnelllebigkeit und der Notwendigkeit vieler Reize zu lösen“, erklärt sie.
Lotta hat bei dem Treffen mit ihren Freundinnen erneut gemerkt, dass viele Personen immer mehr soziale Medien nutzen und sie sich davon in bestimmten Teilen bewusst abwenden möchte. Durch die selbst festgelegten Zeiten für die Nutzung der sozialen Medien möchte sie wieder bewusster im Moment leben.
Die beiden Frauen sprechen insgesamt positiv von einem Digital Detox und geben anderen Personen die Frage mit auf den Weg: Vielleicht ist es an der Zeit, einfach einmal einen Digital Detox auszuprobieren?
von Kira Hartmann