Pünktlich zur heißen Jahreszeit nimmt sich Krosse die geläufigsten Datingportale vor und checkt die weiblichen Singles in Nordeutschland aus. Für Krosse war dieses Mal Gastredakteur Michael im Einsatz und berichtet von seinen Erfahrungen.
Das Model
Ja, sie ist hübsch. Sie hat ein hübsches Gesicht, einen tollen Körper, ist perfekt gestylt und Photoshop beherrscht sie sowieso. Vor allem jedoch weiß sie, wie hübsch sie ist und welche Wirkung sie auf Männer hat. Zu 95 % nutzt sie eine Datingapp nur, um ihr Ego durch die nicht enden wollenden Eroberungsversuche verzweifelter Männer noch ein kleines bisschen zu vergrößern.
Doch wenn tatsächlich mal ein Mann gut genug ist, ihren hohen Erwartungen an das Äußere einigermaßen zu entsprechen, ist es damit allein natürlich noch nicht getan. Er sollte Geld, ein Auto, am besten eine große Wohnung haben und auch sonst gut ausgestattet sein. Sie will einen Gentleman, der ihr jeden Wunsch von den Lippen abliest und ihr trotzdem jederzeit seine Meinung sagen kann (Tipp an die Männer: Tut es nicht!). Auch ihre sexuellen Bedürfnisse dürfen nicht zu kurz kommen. Der Mann muss sie hart anpacken, sie auf jede mögliche Art und Weise befriedigen können und für jeden Spaß zu haben sein. Schließlich ist sie auch beim Sex aufgeschlossen und experimentierfreudig. Keinesfalls sollte man jedoch denken, sie sei leicht zu haben. Sex hat sie nicht einfach mit jedem, schließlich hat sie ihre Prinzipien und ist nicht so eine wie die anderen.
Ja, sie hat hohe Erwartungen, doch sie weiß auch, dass sie sich das leisten kann. Schließlich ist sie hübsch und… nun ja, sie ist hübsch.
Üblicherweise macht sie dann beim ersten Date den Seestern und man hat alles erlebt.
Die Kurvige
“Echte Frauen haben Kurven”. Dieser Satz in der Profilbeschreibung reicht schon, um endlich die so weibliche, starke und selbstbewusste Frau gefunden zu haben, die ihr immer gesucht habt. Sie hat nicht einfach nur Kurven, der Slalomkurs ihrer Speckröllchen würde selbst Michael Schuhmacher vor ernsthafte Problem stellen. Heiß! (Sehr geehrte Feministinnen, an dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich für meine überspitzte Ausdrucksweise entschuldigen und darauf hinweisen, dass es sich bei diesem Text um reine Satire handelt. Hier bekommt jeder sein Fett weg.)
Um von Anfang an keinen falschen Eindruck zu erwecken – diese Frau hat keinesfalls zu viel auf den Hüften. Vielmehr steht sie zu ihrer Weiblichkeit und ist das lebendige Beispiel für einen wohlproportionierten Elefanten, pardon, Frauenkörper.
Als Mann sollte man auf keinen Fall den Fehler begehen und ihre äußerliche Schönheit verkennen, schließlich weiß ein echter Mann eine echte Frau zu schätzen.
Damit wären wir auch direkt bei den Kriterien, nach denen die kurvige Frau den richtigen Mann auswählt. Zuerst einmal ist wichtig, dass sie eigentlich gar keinen Mann braucht, schließlich steht sie selbstsicher mit beiden Beinen fest (F=m*g) im Leben. Das letzte, was sie braucht, ist schließlich die Bestätigung eines Mannes. Trotzdem sollte er ihr mindestens drei Mal am Tag sagen, wie schön sie ist, wenn er später nicht auf dem Sofa schlafen möchte. Er muss eben ein echter Gentleman sein. Tatsächlich sind ihre Anforderungen an einen Mann denen des Models gar nicht mal so unähnlich, sie sieht sich diesem gegenüber sogar klar im Vorteil. Sie ist kein billiges Schminkpüppchen ohne Charakter, sondern repräsentiert echte Schönheit mit inneren Werten. Sie ist nicht zickig, sondern vertritt ihre Meinung. Sie ist nicht kompliziert, sondern tiefgründig. Der Mann, der sie will, muss es also auch wert sein. Einen Bauch darf er auf keinen Fall haben, schließlich ist dies bei Männern kein Zeichen ihrer freien körperlichen Entfaltung, sondern vielmehr ein Zeichen für mangelnde Selbstdisziplin. Er darf kein halber Hänfling sein, sondern er muss stark sein, ohne ihr jedoch ihr Leben vorzuschreiben.
Welcher Mann würde bei so einer Frau nicht das Herzchen drücken?
Die Gezeichnete
Sie hat wirklich schwere Zeiten hinter sich. Gefühlt wurde sie von jedem Typen, dem sie jemals über den Weg gelaufen ist, verführt, verarscht, betrogen und nie geliebt. Sie will doch einfach nur die eine große Liebe finden.
Was es kompliziert macht, ist ihre Wahrnehmung von zwischenmenschlicher Kommunikation. In einem Like in der Datingapp zusammen mit jeweils drei ausgetauschten Nachrichten sieht sie schon bald ihren Seelenverwandten. Dementsprechend ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass nach der dritten Nachricht schon die Frage nach der Handynummer, wenn nicht nach einem Treffen folgt, weil sie einen nach all der Zeit so lieb gewonnen habe. Ein erstes Date kommt dann schon bald einem “Ich liebe dich” gleich, das, sollte es zum Kuss kommen, auch tatsächlich fallen könnte. Nach so viel Pech mit den Männern habe sie eben endlich mal wieder das Gefühl von völliger Sicherheit und tiefstem Vetrauen, da sind diese drei Worte schon mal angebracht. Weiter geht es mit einem fünfzehnminütigen Zwiespalt, dass sie eigentlich ja gerne mit ihm schlafen würde, es gebe schließlich nichts intimeres, andererseits sei es natürlich schwer für sie, nach so vielen Enttäuschungen wieder Vertrauen aufzubauen. Aber da sie sich ja so sicher fühlt und es ja sowieso den Anschein macht, als kenne man sich schon ewig, ist es letztendlich doch der einzig logische Schritt.
Üblicherweise ist am nächsten Morgen der Mann weg, weil Männer eben sind, wie sie sind, sie um einen großen Verlust reicher, von dem sie dann dem nächsten in ihren ersten drei Nachrichten berichten kann, und ihr Profil erhält einen weiteren, tiefgründigen Spruch, der ihre Kämpfernatur unterstreicht.
Vielleicht findet man seinen Seelenverwandten eben doch erst nach der vierten Nachricht.
Das Camgirl
Brüste, viel nackte Haut, getragene Höschen, heißes Geräkel vor der Kamera, manchmal sogar schneller, umkomplizierter Sex. Hier findet sich alles, was das Herz des verzweifelten Mannes begehrt.
Meistens zeigt das Profilbild aufreizend viel Körper mit einer Preisliste der gebotenen Leistungen. Viren, Geschlechtskrankheiten und versteckte Kosten gibt’s gratis dazu. Aber wer zu blöd ist, für etwas zu bezahlen, das er genauso kostenlos im Internet bekommen könnte. Vielleicht hat Darwin selbst in Datingapps noch seine Finger im Spiel.
Die Tiefgründige
Sie hasst Smalltalk. Auf “Hi, wie geht’s” antwortet sie erst gar nicht, vielmehr ist eine solche Begrüßung für sie der Hinweis auf einen totalen Langeweiler. Außerdem kann es ja nicht zu viel verlangt sein, sie kreativ und besonders anzuschreiben, schließlich will sie sich in einer Datingapp ja nicht unter ihrem Wert verkaufen. Das macht sie meistens auch direkt in ihrem Profiltext deutlich, am besten noch in Verbindung mit einem bedeutungsschwangeren Spruch oder Zitat. Immerhin, für den Mann ist das der perfekte Ansatzpunkt für den Einstieg in das tiefgründige Gespräch.
Leider gibt es zwei Dinge, die die potentielle Gesprächspartnerin nicht verstanden hat.
1. Wie man ein interessantes Gespräch führt.
2. Das Zitat in ihrem Profiltext.
Meistens haben die Beschwerden dieser Frauen, alle Gespräche mit den Männern in der App seien schrecklich langweilig und total eintönig, nämlich tatsächlich einen guten Grund. Sie selbst.
Für ein wirklich spannendes Gespräch reicht es weder “Ja”, “Da hast du Recht” und “Oh ok” immer wieder in unterschiedlicher Reihenfolge zu kombinieren, noch eine absolut festgefahrene Meinung zu einem Thema zu haben, dessen Überschrift sie zufällig auf Facebook gelesen hat. Wagt man es jedoch trotzdem, eine Diskussion zu beginnen oder den Artikel hinter der Überschrift tatsächlich gelesen zu haben, läuft man eher Gefahr, blockiert zu werden, als einem interessanten Gespräch auch nur einen Schritt näher zu kommen.
Tiefgründigkeit auf Datingappniveau.
Die Kompensierende
Sie kommt gerade aus einer mindestens drei Jahre langen Beziehung und ist selbstverständlich über ihren Ex hinweg. Wenn sie im Chat und beim Treffen alles und jeden mit ihm vergleicht und zu jedem Thema noch eine tolle Geschichte von ihm auf Lager hat, hat dies absolut nichts zu bedeuten und dient nur zu Unterhaltungszwecken. Sie mag euch sicher nicht nur, weil sie von euch die Zuneigung bekommt, die ihr plötzlich fehlt, nein, sie steht schon lange wieder auf eigenen Beinen und ist endlich bereit für etwas Neues.
Auch dafür, dass sie im Bett den Namen eines Fremden stöhnt (hieß so nicht zufällig auch ihr Ex?), hat den einfachen Grund, dass man sich nach drei Jahren ja erstmal ungewöhnen muss. Drei Jahre sind eben eine lange Zeit, so ganz ohne Kontakt, ihm jeden Abend Gute Nacht zu sagen und die Bilder von ihm in der Wohnung geht es eben nicht, schließlich ist er trotz allem ein Teil ihres Lebens.
Aber keine Sorge, das alles hat absolut nichts zu bedeuten.
Der Onlinemarkt – Kommentar
Auch wenn die beschriebenen Typen sicherlich etwas überspitzt dargestellt wurden, sind die Eigenschaften dieser Typen in Datingapps durchaus häufig anzutreffen. Es stellt sich die Frage, ob man über eine Datingapp einfach nur viele dieser Typen antrifft, oder ob Datingapps tatsächlich auch einen Anteil an der Entstehung dieser haben.
Ein grundlegendes Problem von Datingapps ist meiner Meinung nach, dass sie den sogenannten “Singlemarkt” wirklich in einen Markt verwandeln. Und zwar in einen Markt mit riesengroßem Angebot. Singles sind keine einzigartigen Persönlichkeiten mehr, sondern werden behandelt wie ein austauschbares Produkt. Man verguckt sich nicht in jemanden und trifft sich deshalb, sondern trifft sich, um sich zu verlieben. Diese Umkehr bewirkt erst, dass die Person, mit der man schreibt, nichts wirklich besonderes ist, sondern dass die Person beliebig durch eine andere ersetzt werden kann. Das Angebot ist groß genug. Hinzu kommt, dass es einfacher ist, ein Profil im Internet blöd anzumachen oder links liegen zu lassen, als jemandem, dem man in die Augen schaut. Außerdem entsteht kein großer Verlust, wenn es nicht funktioniert. Ein Wisch, der Nächste bitte.
Selfmarketing
Um also doch aus dieser Masse austauschbarer Singles herauszustechen, ist gutes Marketing nötig. An dieser Stelle entstehen die Typen. Es wird übertrieben, kaschiert, Unsicherheiten werden überspielt und manchmal wird auch schlicht gelogen. Man stellt sich selbst so dar, wie man gerne gesehen würde, nicht wie man wirklich ist. Und das wirkt allzu oft nicht echt… Oder schlicht und einfach lächerlich.
Natürlich gibt es auch in Datingapps Leute, die es ernst meinen und ernsthaft auf der Suche sind. Doch konfrontiert mit Matches, für die sie selbst nur einer von vielen sind, wird es für die ehrlich Suchenden nicht gerade leicht. Gepaart mit ein bißchen Naivität und Verzweiflung ist das Drama perfekt.
Eine Datingapp kann natürlich nichts für den Charakter seiner Nutzer, doch die Art der Vermittlung mit Menschen im Massenangebot und völlig überspitzter Selbstinszenierung kann nur so pervers enden, wie es klingt. Für echte Gefühle bleibt am Ende leider nicht viel Platz.
Michael Varelmann
Bildquelle: KROSSE-Redaktion