Am 14. November gab es im Docks in Hamburg feinsten Hip Hop, von einem der hellsten Sterne am Rap Himmel, frisch aus Amerika: J. Cole. Der 28-jährige Künstler aus North Carolina tourt gerade für seine „What Dreams May Come Tour“ durch Europa und begegnet seinen sehnsüchtigen und treuen Fans auf dem alten Kontinent, auf dem er immer noch als Geheimtipp gilt. Außer in Hamburg ist er noch in Berlin, Köln, Stuttgart, München und Frankfurt, seiner Geburtsstadt, aufgetreten.
Der Showdown
Donnerstagabend, das Docks, direkt an der Reeperbahn in Hamburg füllt sich langsam mit gespannten Fans. In der Luft liegt der leichte Geruch von Marihuana, der während des Konzertes stärker wird, vermischt mit Zigarettenrauch. Das Publikum ist kurz vor 20 Uhr noch überall verstreut.
„SWAG“ ist im Hip Hop das Motto der Stunde, doch auffallend an dem Abend ist, dass im Publikum sehr wenige bis gar keine der sogenannten „Swagger“ anzutreffen sind. Ein Indiz dafür, wen die Musik von Jermaine Cole anspricht. Die Altersgruppe am Abend ist im Durchschnitt 20+, was mich überhaupt nicht stört.
Auf der Internetseite des Docks und auf den Tickets steht, dass um 20 Uhr Beginn des Konzerts ist, doch in Wahrheit kommt Cole erst um 21.30 Uhr auf die Bühne. Aber das macht nichts, denn die Wartezeit wird durch den aus Deutschland kommenden Newcomer Marvin Brooks, der eine hervorragende Show mit großartigen Songs abliefert und Künstlern wie Bass versüßt, der zu J. Cole’s Dreamville Label gehört und sehr witzige Momente auf der Bühne liefert.
Jermaine stellt sich vor
Cole startet voller Energie nach langem Warten das Konzert und das Publikum ist wie aus einem Winterschlaf erwacht. Der ganze Saal rappt die Verse von seinem ersten Lied an dem Abend „Nobody’s Perfect“ voller Euphorie mit, als würden sie mit dem Rapper auf der Bühne stehen. Ihm sieht man die Verblüffung darüber in seinen großen schwarzen Augen an. Aber die wird ihn während der ganzen Show nicht loslassen. Zu sehen, wie Menschen in einem fremden Land, tausende Kilometer entfernt von dem Ort, an dem die Lieder geschrieben wurden, diese Lieder Wort für Wort mitrappen und singen können, macht ihn offensichtlich immer noch sprachlos und glücklich.
Es sind nicht nur seine Songs mit ihren tiefgründigen Texten und den originellen Beats, die einen mitreißen und unter die Haut gehen, die die Menge in den Bann ziehen. J. Cole hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz, er nutzt jeden Zentimeter und legt auf visuelle Eindrücke großen Wert. Zu jedem Song gibt es verschiedene Mini-Clips auf dem großen Bildschirm hinter ihm. In manchen Momenten wirkt er wie in Trance, wenn er sich dem Rhythmus des Songs hingibt und dazu auf der Bühne seine Augen schließt und tanzt. Als Teil des Publikums hat das für mich eine ganz andere Wirkung, denn die Stimmung des Künstlers färbt ab auf die Menge, die ihm zuhört. Und die Menge mitzureißen, das kann er verdammt gut. Während des ganzen Konzerts hat das ganze Docks gebebt.
Das Erbe 2Pacs
Der Rapper wird als der 2Pac unserer Zeit gesehen. Auch wegen der Texte, die Geschichten aus den Ghettos erzählen und Einblick in die Gedanken und Träume eines jungen schwarzen Mannes aus ärmsten Verhältnissen geben. Während er die Songs rappt, kann man sehen, wie er Wort für Wort alles wieder empfindet, die Wut, die Euphorie. Und auch seine Fans bezieht er in die Show. Zum Ende hin fragt er in die Menge, welche Lieder gespielt werden sollen. Genannt werden meist Songs aus seinen Mixtapes „The Warm Up“ und „Friday Nights Lights“. Beide hat er ganz zu Anfang seiner Karriere veröffentlicht. Das zeigt, wie die Fans ihn von Anfang an auf seinem Weg begleiteten.
Wie er selber auch auf dem Konzert versichert hat, hat er eine exklusive und treue Fanbase, die er sehr schätzt. Während des Konzerts spricht er oft zu der Menge, erzählt von seinen Gedanken zu den einzelnen Songs oder wie er vor der Show zu viel Hennessy getrunken hat und natürlich, wie dankbar er den Fans für ihre Unterstützung ist. Alle Sänger, Rapper und Sternchen erzählen das bei jeder Möglichkeit, doch bei J. Cole wirkt das authentisch, ehrlich. Er ist bodenständig, sieht sich nicht als Übergott des Raps oder dergleichen. Kurz vor dem Ende stellt er noch sehr lange und lobend seine Band vor, jeden einzeln.
Man verlässt das Docks an dem Abend voller Freude darüber, eineinhalb Stunden eine großartige Show von einem großartigen Künstler erlebt zu haben. Obwohl mit der Euphorie auch ein wenig Trauer aufkommt darüber, dass es schon vorbei ist. Es ist schade, dass solch große Talente nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Aber vielleicht ist das auch besser so, denn der Druck des Kommerzes hat schon manchem Künstler das gewisse Etwas genommen und den Geist des Mainstream eingeflößt…
Macht euch selbst ein Bild:
„Forbidden Fruit“ feat. Kendrick Lamar
Refiye Ellek