Carsten Meyer-Heder ist der große Herausforderer im Kampf um die Bremer Bürgerschaft. Der Unternehmer und Politikneuling will in Bremen vieles verändern. Herr Meyer-Heder hatte leider keine Zeit, KROSSE ein persönliches Interview zu geben. Dennoch erklärte er sich bereit, per Mail unsere Fragen zu beantworten.
KROSSE hat im Vorfeld der Bürgerschaftswahl am 26. Mai die Spitzenkandidat*innen interviewt. Im Gegensatz zu den bereits veröffentlichten Interviews mit Lencke Steiner, Carsten Sieling und Maike Schaefer handelt es sich bei diesem Artikel um ein schriftliches Interview. Wir haben die Antworten nicht verändert oder korrigiert.
Was lieben Sie an Bremen? Was stört Sie an Bremen?
Ich liebe an Bremen das viele Grün, die tollen Kulturangebote und das bürgerschaftliche Engagement. Und ich mag die Menschen hier, wir sind offen und hilfsbereit. Na gut, das ist ein bisschen Eigenlob, ich bin ja selbst Bremer. Was mich ärgert – und letztendlich auch der Grund für mein politisches Engagement ist – ist die wie hier Probleme gelöst werden bzw. eben nicht. Wir haben in Bremen viele Herausforderungen: Ob das die hohe Armut ist, die Langzeitarbeitslosigkeit, die schlechte Bildung oder die hohe Verschuldung. Diese Probleme sind alle bekannt, trotzdem hat die bisherige Regierung sie nicht erfolgreich angepackt. Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Im Moment gilt: Ich mache lieber nichts, bevor ich etwas falsch mache. Das ist die falsche Haltung, wir brauchen Mut, Dinge auszuprobieren und anders zu machen. Bremens Kleinheit ist doch prädestiniert dafür.
Was sind Ihre Hobbys? Was zeichnet Sie privat aus? Welche besonderen Charaktereigenschaften haben Sie?
Über sich selbst zu reden, finde ich immer komisch. Aber ich denke, meine Freunde würden bestätigen, dass ich ehrlich und authentisch bin. Politikerphrasen kann ich gar nicht. Mir geht´s auch bei meiner Kandidatur als Bürgermeister nicht um den Job, nicht um das Gehalt. Mir geht’s um Bremen. Privat bin ich als Patchwork-Vater am Wochenende oft mit der Familie unterwegs. Wenn noch etwas Zeit bleibt, liebe ich es Motorrad zu fahren. Der Fahrtwind macht den Kopf frei.
Sie sind erst seit kurzem in der Politik aktiv. Würden Sie sagen, dass Sie einiges anders sehen und angehen als die typischen Berufspolitiker, und wenn ja, was?
Ich glaube es tut Politik sehr gut, wenn mal jemand von außen kommt, der auch ein bisschen anders auf manche Problemstellungen schaut. Natürlich kann man Unternehmertum nicht eins zu eins auf die Politik übertragen. Aber einiges kann ich aus meinem Unternehmen schon mitnehmen. Zum Beispiel den Team-Gedanken, den wir bei Team neusta an jeder Stelle leben. Ich glaube an den Erfolg von gemischten Teams, an Eigenverantwortung und Vertrauen in die Mitarbeiter. Als Team zu funktionieren ist auch für einen erfolgreichen Senat unerlässlich. Probleme kann man nicht lösen, wenn zwei Senatoren nicht miteinander sprechen oder starr in Ressortgrenzen gedacht wird. Die hohe Armut zum Beispiel, die kann das Sozialressort nicht alleine lösen, sondern das ist eine Aufgabe an der auch das Bildungs- und das Wirtschafts- und Arbeitsressort dran mitarbeiten.
Warum CDU?
Ich bin ja kein erzkonservativer. Aber die CDU Bremen ist eben auch eine offene und moderne Großstadtpartei, in der ich mich sehr wohl fühle. Sonst hätten die so einen wilden Typen wie mich überhaupt nicht zum Spitzenkandidaten gemacht. Aber auch in der Programmatik, die Eigenverantwortung, das Individuum und den Leistungsgedanken in den Fokus nimmt, finde ich mich wieder. Und obwohl ich nicht mehr in der Kirche bin, hat das „C“ in CDU für eine Bedeutung. Christliche Werte wie Respekt, Solidarität, Ehrlichkeit und Fairness sind selbstverständlicher Bestandteil meines Lebens.
Was würden Sie als erstes machen und umsetzen, wenn Sie Bürgermeister werden würden?
Ach, da gibt es jede Menge zu tun, wo wir „ran“ müssen. Wir haben ein 100 Tage Programm vorgestellt, also einen Fahrplan dafür, was wir in den ersten 100 Tagen in der Regierung angehen und umsetzen wollen. Daran wollen wir uns messen lassen. Aber als erstes würde ich etwas viel Einfacheres machen: Ich würde Erzieherinnen und Erzieher sowie Pflegekräfte auf einen Kaffee ins Rathaus einladen. Diese Menschen leisten – stellvertretend für ganz viele andere Berufsgruppen – einen so wichtigen und oft anstrengenden Dienst für unsere Gesellschaft. Das imponiert mir sehr. Ich habe selbst Zivildienst in der Kurzzeitpflege gemacht.
Sie sind viel in den sozialen Medien aktiv, z.B. auf Ihrem eigenen Instagram- Channel. Für wie wichtig halten Sie das für den Wahlkampf und das Verknüpfen mit Ihren Wählern?
Social Media im Wahlkampf oder der politischen Kommunikation ist eine wichtige Säule. Ich glaube schon, dass interessante Formate auf Facebook oder Instagram für junge Menschen einen niedrigschwelligen Zugang zu Politik ermöglichen können, quasi ein Appetithäppchen auf mehr. Wenn eine Story auf Instagram oder ein Video auf Facebook Jugendliche dazu veranlasst, sich mit politischen Themen und Positionen zu beschäftigen und auch zur Wahl zu gehen, ist viel erreicht. Die Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl 2015 war mit nur knapp über 50 Prozent erschreckend. Aber Social Media ist auch nicht alles, der Mix macht es. Natürlich muss man vor allem raus zu den Menschen, fragen wo der Schuh drückt und sich persönlich vorstellen. Da kann man sich nicht nur hinter bunten Instagram-Bildern verstecken.
Die Bremer Bildungspolitik wird über Bremen hinaus als sehr schlecht angesehen, was halten Sie davon?
Wir haben tolle engagierte Lehrer in Bremen und Bremerhaven. Und auch die Schülerinnen und Schüler sind ja nicht dümmer als anderswo. Fakt ist aber: Nirgendwo wie in Bremen hängen Schulerfolg und soziale Herkunft so stark voneinander ab und Bremen landet leider seit vielen Jahren bei Bildungsvergleichsstudien auf dem letzten Platz. Das ist zutiefst ungerecht, weil wir Kindern und jungen Menschen so echte Chancen verbauen. Wie sich schlechte Bildung im weiteren Leben auswirkt, hat eine Studie der Uni Bremen letztes Jahr festgestellt: Studierende mit Bremer Abitur schneiden signifikant schlechter im Studium ab oder brechen häufiger ab. Deswegen ist Bildung für mich das wichtigste Thema, nicht nur im Wahlkampf. Bildung beginnt für mich schon vor der Schule. Ich setze mich deshalb für ein verpflichtendes drittes Kita-Jahr ein. Das soll genutzt werden, um jedes Kind individuell vor der Einschulung zu fördern und schulreif zu machen. Wir wollen die Digitalisierung im Unterricht und an den Schulen nutzen, um Unterricht einerseits moderner zu machen und andererseits Schulverwaltungen zu entlasten. Außerdem liegt mir die berufliche Bildung am Herzen. Hey, nicht jeder muss Abitur machen! Handwerker werden nicht nur händeringend gesucht, es lohnt sich mitunter auch mehr als so manches Studium. Darum will ich schon in der Schule ein Unterrichtsfach Berufsorientierung einführen.
Diese Wahlen hat die SPD stärker als sonst mit der CDU zu kämpfen, wie ist es dazu gekommen?
Viele Menschen sind insbesondere von der SPD, die hier seit 73 Jahren regiert, enttäuscht. Weil Probleme nicht angepackt und gelöst werden und weil sich viele nicht mitgenommen fühlen. Viele Bremerinnen und Bremer, so nehme ich es wahr, wünschen sich einen Aufbruch für unsere beiden Städte. Das geht nur mit einem politischen Wechsel. Darum brauchen wir eine starke CDU.
Sind Sie für einen weiteren Ausbau von studentischen Wohnungen, und wie würden Sie das finanziell und bautechnisch umsetzen?
Unbedingt! Als attraktiver Universitätsstandort müssen wir besonders für Studierende mehr Wohnraum schaffen. Um das zu erreichen, wollen wir auch neue Wohnformen wie „Tiny-Häuser“ in Bremen ermöglichen. Diese sind günstig in der Anschaffung und Vermietung. Diese Wohnform können wir uns vor allem für Studierende und Auszubildende vorstellen. Geeignete Flächen, in Uni- und Hochschulnähe wollen wir dafür zur Verfügung stellen. Im Bundeswehr-Hochhaus soll demnächst generationsübergreifendes Wohnen entstehen, also Studenten, Senioren, Paar und Singles. Auch das finde ich einen guten Ansatz.
Was sagen Sie dazu, dass auf Plakaten und sogar mit Werbeanzeigen auf Google gegen den Volksentscheid geworben wird, und vielen Bremer Bürgern aber nicht klar ist, was das bedeutet? Dass die Bebauung der Galopprennbahn nur 30% bezahlbaren sozialen Wohnungsbau beinhalten muss, ist auf den Werbematerialien nämlich nicht benannt.
Ich finde es grundsätzlich fragwürdig, dass der Senat 250.000 Euro für eine Werbekampagne aufwendet, wenn doch das Geld an allen anderen Ecken fehlt. Für eine Viertelmillion könnte schon einiges bewerkstelligt werden. Die Werbekampagne ist auch ungerecht gegenüber der Bürgerinitiative, die den Volksentscheid durchgesetzt hat. Denn die haben natürlich nicht mal eben so viel Geld, um ihre Position zu bewerben.
Carsten Meyer-Heder benennt klar Probleme, die in Bremen herrschen. Er will diese Probleme anpacken und nicht viel drum rumreden. Ob seine Lösungsvorschläge am Ende fruchten, oder es nicht doch nur Gerede war, wird sich zeigen, wenn er, nach dem 26. Mai die Wahl in Bremen für sich entscheiden sollte
von Moritz Gammersbach und Shajana Reuter
Bildquelle: KROSSE