Der Austen-Hype macht auch vor Deutschland keinen Halt: Ob als Neuauflage, filmische Darstellungen, im Original oder in abgewandelter Form, Jane Austen ist in Deutschland beliebt wie nie zuvor. Zum zweihundertsten Todestag lassen Rebecca Ehrenwirth und Nina Lieke das Leben der Star-Autorin und ihre Klassiker noch einmal Revue passieren. Unsere Redakteurin hat die Biographie gelesen.
Wie kann sich eine Frau im ausgehenden 18. Jahrhundert aller Einschränkungen zum Trotz über das damalige Frauenbild hinwegsetzen und schon zu Lebzeiten eine Berühmtheit werden? Was zeichnet Austens Werke aus, dass sie sich selbst in unserer gegenwärtigen Literaturperiode, in welcher sich der Fokus vom Vergangenen alter Klassiker in dunklen Dystopien auf die Zukunft verlagert, noch Bestand haben?
Was von Jane Austen übrig ist
Viel ist nicht übriggeblieben von alten Artefakten wie Briefen und Zeitzeugenberichten. Daher gestaltet sich eine präzise biographische Rekonstruktion schwierig. Von dem regen Briefwechsel zwischen Jane und ihrer älteren Schwester Cassandra sind lediglich Einzelstücke erhalten geblieben, der Großteil fiel der Zensur durch die große Schwester zum Opfer. Trotzdem ist es den Autorinnen gelungen, ein Bild Janes Austens zu entwerfen und den Lesern einen Einblick in ihr Leben zu gewähren. Dabei wird deutlich, wie liberal die Familienverhältnisse im Hause Austen waren. So wurde Jane vor allem durch ihren Vater bei der Veröffentlichung ihrer Werke unterstützt, der diese an die Verleger weiterleitete. Jedoch erlebte Jane gerade nach dem Tod ihres Vaters Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung, was vor allem an ihrem Geschlecht lag. Die Autorinnen der Biographie verweisen hier auf das Frauenbild im 18./19. Jahrhundert. Der Titel By a Lady fungiert dabei als Referenz zu Jane Austens Pseudonym, unter welchem ihre Hauptwerke veröffentlicht wurden.
Romantikerin oder Realistin?
Die Biographie ist durchzogen von einigen seltenen Zeitzeugenberichten und Zitaten, unter anderem von ihren Familienmitgliedern und der Autorin selbst. Nicht nur in Janes Werken zeigt sich ihre kritische und teilweise sarkastische Haltung gegenüber ihrer Gesellschaft. So mockiert sie sich nicht unselten in ihren Briefen über das Verhalten ihrer Zeitgenossen, wobei sie dies geschickt hinter ihrer Ironie verbirgt. Liest man ihre Werke, so zeigt sich auch dort ihre kritische Haltung. Das beschriebene snobistische Gehabe, die affektierte Haltung der höheren Gesellschaft sowie die gestelzten Dialoge sind keineswegs, wie öfter angenommen, der Fantasie der Autorin entsprungen. Vielmehr verarbeitet sie darin ihre Gesellschaftskritik. Nicht umsonst wird Jane Austen von Literarturwissenschaftlern dem Realismus zugeordnet, denn die Darstellung der gesellschaftlichen Umstände deckt sich weitestgehend mit der fiktiven Lebenswelt, in der Jane Austen ihre Charaktere platziert. Obwohl Jane Austen hin und wieder auf historische Ereignisse verweist, wie etwa die Französische Revolution, so setzt sie sich doch nie mit politischen Themen und Umbrüchen auseinander. Dies verwundert nicht nur Literaturwissenschaftler, denn von einer Frau, die geschickt auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen und diese zu kritisieren weiß, wäre eine politische Sicht- und Denkweise nicht uninteressant gewesen.
Die Werke
Die Biographie zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie knappe, aber pointierte Analysen und Zusammenfassungen der Hauptwerke von Jane Austen in ihren Lebenslauf einbettet. Diese verdeutlichen die biographische Schreibweise der Autorin, verwebt sie doch eigene Erlebnisse in ihren Büchern. Darüber hinaus stellen Ehrenwirth und Lieke einige ihrer eher unbekannten Jugendwerke vor, wodurch dem Leser eine Bandbreite an ‘weiterführender‘ Literatur präsentiert wird. Sollte man jedoch die aufgeführten Werke nicht gelesen haben, so ist es hilfreich, einige der Analysen zu überspringen, verraten die Autorinnen doch einiges über Handlung und Ende.
Austen neben Collins, King und Martin
Bei der Biographie handelt es sich um einen abwechslungsreichen Mix aus Poesie und präzisem Bericht, erzählter Geschichte und journalistischer Reportage, ein Schreibstil, der angenehm zu lesen ist. Die Autorinnen beginnen und beenden diese mit einer ausführlichen Einführung in die gegenwärtige Wiederbelebung der Autorin. Für den Leser – ob er bereits mit Austen und ihren Werken vertraut ist oder sich erst an die Klassiker herantastet – bietet diese Biographie einen ersten Einblick in das vielseitige Angebot, das nun schon seit einigen Jahren den deutschen Markt überschwemmt. Doch was macht Austens Werke so besonders, dass sie selbst in unserer heutigen Zeit neben Größen wie George R.R. Martin, Stephen King oder Suzanne Collins in den deutschen Bücherregalen stehen? Wenn es eines ist, das Austen besonders macht, dann vor allem ihre unübertreffliche Gabe, sich in ironischer bis hin zu sarkastischer Manier mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen und diese zu kritisieren. Dies macht sie zu einer klugen Frau mit einer besonders kritischen Auffassungsgabe. Ihr ungewöhnliches Schreibtalent begeistert auch heute noch, sodass sich immer wieder Regisseure und Autoren an ihre Werke wagen und den Stoff in Form von Neuverfilmungen, Nacherzählungen, Parodien und Fan-Fiction wieder zum Leben erwecken. Jedoch erweckt die Fülle an Produktionen den Eindruck der reinen Geldmacherei, denn nur weil Autoren und Produzenten damit werben, dass ihre Produkte auf den Werken Austens basieren, ist dies noch lange kein Qualitätsmerkmal.
Schließlich lässt sich festhalten, dass den Autorinnen ein sehr fundiertes und aufschlussreiches Bild der Jane Austen gelungen ist. Die Biographie eignet sich besonders gut für Leser, die sich bisher wenig bis gar nicht mit der Autorin und ihren Werken befasst haben. Dafür bildet sie eine umfassende Grundlage, jedoch sollte man im Anschluss auf differenziertere und detailliertere Biographien zurückgreifen. Insgesamt handelt es sich jedoch um eine pointierte, interessante, zuweilen amüsante Lektüre.
Christine Leitner
Bildquelle: Arne Koehler, Pride & Prejudice London Bus, CC BY-SA 3.0