Neue Bleibe, neues Glück. Die Theaterlandschaft der Bremer Neustadt bekommt Zuwachs. Das “Also Mir Schmeckt’s!”-Theater ist aus den Pusdorf-Studios ausgezogen und baut nun seine Bühne und Schule für Improvisationstheater in einer kleinen, ehemaligen Bäckerei auf. Welche Veränderungen und Chancen damit einhergehen und was Zuschauer*innen erwarten können, erfahrt ihr hier.
Neustart in der Neustadt
Mehrere Monate stand die Lokalität an der Kreuzung Friedrich-Ebert-Straße / Lahnstraße gegenüber vom Café Lisboa leer. Offenbarten die vier großen Schaufenster zunächst noch 50m² besenreine Leere, so ließ sich seit Dezember der Aufbau des AMS!-Theaters unmittelbar verfolgen.
Zunächst beschrieb lediglich ein schwarz bemalter Teil des Innenraumes den Bühnenbereich. Bühnenelemente erhoben die hinterste Sitzreihe zu einer kleinen Tribüne. Die Bar setzt sich bis heute aus zwei Säulen aus Getränkekisten und einem Brett zusammen und auf den Fensterscheiben, umrahmt von Lichterketten, kündigen mit Kreidemarkern geschriebene Schriftzüge die nächsten Show-Termine an.
Das Provisorische. Genau darum geht es beim Improvisationstheater: Live dabei sein, wie etwas Neues entsteht. Im Speziellen bei der im AMS! bevorzugten Langform werden umfangreiche Handlungen und Charaktere von Improvisationskünstler*innen an Ort und Stelle zugleich entwickelt und dargeboten. Einen besonderen “Self-Made-Charme” – so Ulrike Herrwig – versprühen die sogenannten Teams-Mix-Abende. Die Künstlerische Leiterin des AMS!-Theaters fasst sie folgendermaßen zusammen:
“Zurzeit trainieren regelmäßig 10 Ensembles bei uns. Diese arbeiten darauf hin, einen kleinen Slot zu bespielen, der ungefähr 30 Minuten ausfüllt. Und an so einem Teams-Mix-Abend spielen 2 bis 3 Teams in einer vorher überlegten Reihenfolge, die dann einen schönen dramaturgischen Rahmen bildet.”
In diesem Sinne gaben die verschiedenen Teams seit Dezember parallel zu den Aufbauarbeiten einen Einblick, wie vielfältig Impro-Theater sein kann. So wurde beispielsweise ein Abend von “Echt Jetzt” eingeleitet, mit Ihrer Mischung aus Talk-Show und Impro, gefolgt von “Irgendwas mit Liebe”, einer Verschmelzung aus ineinander übergehenden Charakteren, Szenen und Song-Einlagen.
Impro: Weiterentwicklung aus der Situation heraus
Bunt zusammengewürfelte Auftritte wie diese haben beim AMS! Tradition und waren schon formgebender Bestandteil der Show-Abende, als das Theater vor ein paar Jahren noch im Viertel residierte. Damals wie heute wissen die Akteure und Akteurinnen auf gemütlichen 50m² den Raum einzuheizen.
Doch dass Impro-Theater auch auf der großen Bühne funktioniert, konnte das AMS! vor allem in den letzten zwei Jahren beweisen. Von Mai 2021 bis November 2022 teilten sie zusammen mit anderen Kulturschaffenden, u.a. den Kulturkraken und Conartism, einen Veranstaltungssaal der Pusdorf-Studios. Die ca. 8×5 Meter große Bühne bot neue Möglichkeiten, sich mit umfangreicher Licht- und Soundtechnik vor bis zu 75 Zuschauer*innen in Szene zu setzen.
Über die üblichen 30 Minuten-Slots hinaus, konnten AMS!-Akteur*innen sich hier auf neue Weise ausprobieren und ganze Abende mit ihren Formaten füllen. Hinzu kam, dass zu der Zeit einige Projekte mit Fördergeldern finanziert und professioneller aufgezogen werden konnten. “Das war eine große Chance. Wir konnten Förderungsanträge stellen für Projekte, die in einem kleineren Rahmen so gar nicht möglich gewesen wären”, erklärt Herrwig. Das Impro-Duo “Unwissen” ließ aus knapp 50 Pappkartons spontan erstellte Kulissen einreißen und neu entstehen. “Bremens Improvisierte Late Night Show” konnte für ihr Abendprogramm ein umfangreiches Ensemble an Band, Moderator, Sidekick und Szenen-Spieler*innen auf die Beine stellen. Diese professioneller aufgezogenen Shows boten eine kennzeichnende Ergänzung zu den Teams-Mixes und trugen somit zu einem vielfältigeren Angebot des Improtheaters bei.
Dann, im Frühjahr 2022, kam die ernüchternde Nachricht: Die Pusdorf-Studios melden zum 1. Januar Eigenbedarf an. Bis dato waren Zukunftspläne des Theaters mit der Annahme verknüpft, mit den Pusdorf-Studios eine langjährige Bleibe gefunden zu haben. “Damit haben wir natürlich nicht gerechnet, dass das nur übergangsweise ist”, so Herrwig. Doch trotz der Vorteile bisheriger Strukturen schaut sie mit Zuversicht auf die neue Spielstätte:
“Also ich persönlich gehe auf jeden Fall mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen lassen wir die große Bühne zurück, zum anderen haben wir wieder unser ganz eigenes Zuhause. (…) Wir haben eine gute Lage, sehr zentral, und wir sind jetzt schon vernetzt mit den anderen Geschäftsmenschen in der Umgebung”.
Weiterer Spielraum im AMS!
Aus dem Gespräch mit Ulrike Herrwig wird deutlich, dass der Einzug in die Neustadt neue Chancen mit sich bringt und nicht ausschließlich als Rückkehr zur kleinen Bühne zu verstehen ist. Der nun erprobte Umfang an vielfältigen Impro-Angeboten soll beibehalten werden. Entsprechend ist hier konzeptionelles Umdenken gefragt. So überlegt das AMS!, Impro-Shows auch an anderen Orten zu etablieren – zunächst Spielstätten in der Neustadt, um erstmal in der neuen Umgebung anzukommen. Hierzu seien schon verschiedene Gespräche geführt worden. Für die Zukunft kann sich Herrwig somit auswärtige Gastspiel-Formate sowie Teams-Mixe als Einblick hinter die eigenen vier Wände vorstellen. Unterschiedliche Interessen innerhalb der AMS!-Community unter einem Dach vereint: “Ich finde, das ist das Besondere und das Schöne am AMS!, dass wir ein Theater sind, in dem das alles Platz finden kann. Und dass das eine das andere nicht ausbremst”.
Doch zunächst sind es die Teams-Mixe, die nahezu jedes Wochenende das “Also Mir Schmeckt’s!” Theater mit neuen und wiederkehrenden Zuschauer*innen füllen. Während der Aufbau-Phase geschah dies auf freiwilliger Spendenbasis. Nun, seit dem Grand Opening im Februar, sind Licht- und Tontechnik installiert, die Vorhänge hängen, die Bühne steht und auf fast jedem der neuen Polsterstühle sitzen auch weiterhin wöchentlich neue Gäst*innen – zum Eintritt von 8 € für den kleinen Geldbeutel, 12 € Normalpreis oder über ein 3 € Kultursemesterticket.
Außerdem gibt es noch an ausgewählten Mittwochen kostenfreie Jam-Abende, an denen alle, die Lust haben, spontan miteinander Impro spielen, aber auch einfach zuschauen können. Zahlreiche AMS!-Workshop- und Kursangebote für Anfänger*innen sowie Fortgeschrittene findet ihr hier.
Für Publikum, die Performenden selbst sowie zukünftige Projekte, mausert sich die neue Stätte an der Friedrich-Ebert-Straße 119 in der Neustadt zu einer zuverlässigen Anlaufstelle für vielseitiges Improvisationstheater. Doch wer weiß auf welchen Bremer Bühnen sich das “Also Mir Schmeckt’s!”-Theater in Zukunft noch so austoben darf.
Von Robin Gatz