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Am Leben vorbei. 

7. September 2025

Was wird schon passieren, wenn man dem komischen Onkel von nebenan die Kontrolle über die komplette Bremer Programmkinolandschaft überlässt? Richtig – es entsteht die letzte Bastion gegen kulturelle Vielfalt und ein studentisches Publikum. 

von Yannik Richter

„Stella – Ein Leben“, „Ein ganzes Leben“, „Zwischen uns das Leben“, „Die Gleichung ihres Lebens“, „Das Leben ein Tanz“, „So sind wir, so ist das Leben“, „Voll ins Leben“, „Ein Fest fürs Leben“ – Was im ersten Moment klingt, wie die Diskografie von Mark Forster, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Querschnitt durch das sensationell abwechslungsreiche Programm der Bremer Filmkunsttheater. Man würde sich fast wünschen, dass das Unternehmen von einem junggebliebenen Midlife-Crisis-Hipster mit angewachsener Baseball-Cap geführt werden würde, so könnte man sich beim wöchentlichen Spoken Word- Contest im Atlantis zumindest noch auf einen veganen Chai Latte freuen. Stattdessen liegt es wohl eher im Bereich des Möglichen, dass 2025 ausschließlich deutsche Filme mit deutschen Untertiteln für Hörgeschädigte gezeigt werden und man an der Kaffee-Theke auch direkt sein Rezept für Betablocker einlösen kann. 

Vier Kinos, ein Programm. 

Bei aller Häme muss man den Bremer Programmkinos aber zumindest ihren konsequent durchgezogenen Franchise-Charakter zugutehalten. So kann ich kann mir beispielsweise aussuchen, ob ich den neuen Jan Josef Liefers- Film „Alter Weißer Mann“ – in dem dieser elendige wokeness-Wahnsinn mal ordentlich durch den Kakao gezogen wird – in Schwachhausen, im Viertel, im Viertel oder im Schnoor anschaue. Und da das Stammpublikum das antike Rom noch aus der Kindheit kennt, sorgt „Gladiator II“ für wohlige Nostalgie-Gefühle. Klar kann man das auch zehn Fußminuten weiter für den halben Preis auf zehnmal so großen Leinwänden sehen, aber dann müsste man in der Konsequenz ja den Platz füllen mit mehr Vorstellungen im Original mit Untertiteln, dem ein oder anderen Horrorfilm oder – gottbewahre – queerem Kino! Und mal abgesehen davon, dass das neben Jan Josef Liefers nun wirklich nicht gut aussieht, würde ich mich regelmäßig an meiner französischen Zwiebelsuppe verschlucken, wenn im Kinosessel neben mir plötzlich post-pubertäre tiktok-Zombies Fortnite spielen. Nein, hier ist die Welt noch in Ordnung. Hier darf man seinen Hagebuttentee noch zweimal neu bestellen, wenn er zu heiß ist. Hier darf man bei der sechsten französischen Komödie in Folge noch über latent rassistischen, ähm ich meine natürlich schwarzen Humor lachen. Hier darf man nach der Dokumentation „Bremen wird bunt“ noch melancholisch raunen, wie schön die braunen Nazi-Uniformen in Farbe aussahen. 

Alles richtig gemacht. 

Für seine spitzfindige Strategie kann man Besitzer Manfred Brocki nur gratulieren. Mit eisernem Willen hat er sich über Jahrzehnte ein Pastis-süchtiges Kaffeekränzchen herangezüchtet, das Filmkunst vor allem damit verbindet, dass auf der Leinwand ein alternder Franzose gegen Ende seiner gutbürgerlichen Existenz während der Asien-Reise entdeckt, dass der Sinn des Lebens vielleicht doch in den kleinen Dingen verborgen liegt. Immer wieder herrlich. Woher also die falsche Scheu, nicht weitere Zugeständnisse an die Wunsch-Zielgruppe zu machen? Nachdem das „Cinema am Ostertor“, das älteste Programmkino Deutschlands, nach der Übernahme durch die Schauburg Kino GmbH schon die gleiche Inneneinrichtung verpasst bekommen hat, wie Gondel und Co., könnte man die Standorte beispielsweise einfach in „Schauburg 1 bis 4“ umbenennen. Wieso den Preis für Studierende nicht erhöhen, anstatt ihn zu verringern? Wieso die Montags-Preview nicht durch einen Bingo-Abend ersetzen? Man darf gespannt sein, wie es mit dem Familienunternehmen weitergeht. Ich bin im neuen Jahr jedenfalls wie gewohnt mit meinem überteuerten Souvignon Blanc in der ersten Reihe anzutreffen, wenn wieder ein alter weißer Mann nachdenklich durch die Provence irrt. 

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