Die Queen zu Besuch in Deutschland. Ein Erfahrungsbericht.
Gut zehn Jahre nach ihrem letzten Besuch folgt die Queen Elizabeth II. einer Einladung des Bundespräsidenten Gauck. Während die Staatsoberhäupter beider Länder sich gemäß ihrer Ämter möglichst würdevoll präsentieren, herrscht hinter den Kameras ein Hauen und Stechen um das beste Foto. KROSSE schaut hinter die Kulissen.
Nun war es also soweit. Ich habe das zweifelhafte Vergnügen die Queen und ihren Prinzen beim Staatsbesuch in Deutschland zu begleiten. Unserem Zusammentreffen waren allerdings einige bürokratische Hürden im Weg. Nach dem bekannt wurde, wo die Queen Station macht und welche Programmpunkte geplant sind, versuchten tausende Journalisten aus Deutschland und der ganzen Welt einen der begehrten Akkreditierungsanhänger zu ergattern. Ich hatte Glück. Für den Empfang beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue inklusive militärischer Ehren war ich zugelassen. Also hieß es: aufstehen, Hemd und Jacket überwerfen und durch den Berliner Regen zum Schloss durchkämpfen. Dort angekommen ahnte ich schon, was mir droht. Auch wenn viele keine Zulassung für den Empfang erhalten haben, waren es doch immer noch gut hundert Journalisten und vor allem Fotografen die auf das schmucke Bellevue-Areal wollten. Militärische Ehren für die Queen und, sagen wir, polizeiliche Ehren für uns. Die bestanden darin, sich ein mal durch die polizeiliche Sicherheitsschleuse zu drängeln. Jacket ausziehen, Taschen entleeren, Gürtel ausziehen. Durch die Schleuse gehen. Und noch mal zurück. Ein 10-Cent-Stück hatte sich in der linken hinteren Hosentasche versteckt und sorgte für lautes Piepen im Raum.
Erstmal drinnen war es nun geboten, einen möglichst guten Platz auf der Tribüne zu ergattern. Leichtes Gedrängel unter den Fotografen. Es waren viele Fotografen und ich stellte mir nur eine Frage: Wieso sind so viele hier? Es würden doch alle die gleichen Bilder machen. Queen kommt an, Queen steigt aus, Queen und Bundespräsident, Queen verschwindet im Schloss. Dann warteten wir alle zusammen etwa eine Stunde auf die Ankunft ihrer Majestät. Leichter Regen, Gespräche übers Wetter und allgemeine Übereinstimmung: der Königin würde das Wetter gefallen, sie kenne das ja aus England. Und dann kam der große Moment: Queen Elizabeth und Prinz Phillip rollten mit Entourage und Sicherheitspersonal vor das Schloss. Sie stieg aus. Knips, knips, knips. Beide stellten sich mit dem Bundespräsident und seiner Freundin Daniela Schadt auf die Treppe. Knips, knips, knips. Und, Überraschung, sie gingen ins Schloss. Knips, knips, knips. Nun begann allerdings der eigentlich Wahnsinn. Denn: alle Journalisten und Fotografen mussten auf die andere Seite des Schlosses, hier sollten die militärischen Ehren stattfinden.
Der Seitenflügel des Schlosses, durch den alle durch mussten, glich einem Nadelöhr. Hysterische Fotografen mit ellenlangen Objektiven drängelten sich durch den Tunnel, als wäre der Teufel hinter ihnen hier. Auf der anderen Seite angekommen wurde sofort wieder die bekannte Formation gebildet. Dicht gedrängelt standen wir da und warteten auf die Hymnen und das Abschreiten der Truppen. Die Queen, immerhin 89 Jahre alt, und Bundespräsident Gauck lauschten andächtig der englischen und deutschen Nationalhymne und schritten behutsam an den Soldaten vorbei. Weniger meditativ ging es bei uns zu. Das Gedrängel und Gestoße erreichte seinen Höhepunkt. Neben mir fing eine kleine Leiter gefährlich an zu wackeln. Den Fotografen ließ das kalt. Er hielt drauf. Ein unwürdiger Anblick, dem Besuch und sich selbst gegenüber.
All das mag verständlich sein, das öffentliche Interesse an so einem Staatsbesuch ist groß. Die Quoten im Fernsehen sind höher, wenn das Reizwort „Queen“ im Videotext steht. Zeitungen verkaufen sich besser, wenn ihre Majestät auf der ersten Seite prangt. So ein Staatsbesuch hat eine positive Wirkung auf die deutsch-englischen Beziehungen, das können auch Anti-Royalisten nicht ernsthaft in Frage stellen. Natürlich dreht sich bei so einem Besuch alles um Symbolik. Das ist allerdings alles, was sie liefern kann. Deutliche Worte pro Europa, Gespräche mit gesellschaftlichen Vertretern und der Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen. All das sind kleine Gesten, die das enge deutsch-englische Verhältnis unterstreichen und vielleicht sogar verbessern. Aber: die Berichterstattung sollte nicht ins Groteske abdriften. Stundenlange Livestreams in den faktisch fast nichts passiert, eine Bewertung jeder kleinsten Geste der Queen und das manische Geknipse bis hin zur völligen Selbstaufgabe braucht es nicht. Es machte einen erniedrigenden Eindruck auf mich. Und wir sind schließlich nicht ihre Untertanen, sondern Gastgeber und so sollten wir uns auch verhalten.
Ein Gastbeitrag von Torben Ostermann