Schottland steht vor einer schweren Entscheidung. Das Land hat die Wahl, sich vom Vereinigten Königreich abzuspalten und ein unabhängiges Land zu werden. In den Umfragen liegen beide Parteien gleichauf. KROSSE erklärt euch die Hintergründe zum historischen Moment des schottischen Referendums.
Ja oder Nein? – Eine einfache Antwort spaltet die britische Insel. Das schöne Schottland stimmt über seine Unabhängigkeit ab und hat die Möglichkeit erstmals seit 1707 wieder eigenständig zu sein. Seit der Zusammenlegung der beiden Königreiche Englands und Schottlands gab es ständig Reibereien der beiden und die Vereinigung hielt immer nur in Krisenzeiten wie sie sollte.
Vor allem die politische Richtung der Engländer passte den Schotten nicht immer. Die liberalen Briten aus dem Norden wählten seit 1945 mit einer Ausnahme immer die Labour Partei, doch sahen sich mehr als die Hälfte der Zeit unter der Regierung der konservativen Tories (bekanntestes Beispiel ist Margaret Thatcher).
Das dritte Referendum
Der Drang zu mehr Selbstbestimmung ist aber kein Zeugnis der jüngsten Entwicklungen, die Schotten waren schon immer auf mehr Eigenständigkeit bedacht – und damit ist nicht Braveheart gemeint: 1979 gab es das erste Referendum, das die Gründung eines eigenen Parlaments vorsah. Do you want the provisions of the Scotland Act 1978 to be put into effect?, lautete die Frage auf den Wahlzetteln, die die Mehrheit mit Yes beantwortete. Doch das Ergebnis wurde wegen zu geringer Wahlbeteiligung nicht anerkannt.
18 Jahre später probierten es die Schotten erneut. I agree that there should be a Scottish Parliament kreuzte die Mehrheit auch dieses Mal an – diesmal war die Wahlbeteiligung repräsentativ und 1999 konstituierte sich das Parlament in Edinburgh zum ersten Mal. Ein eigenes Parlament, eigene Sportmannschaften und sogar eine eigene Nationalhymne. London ließ die Leine, an der Schottland sich befand, immer lockerer werden.
Jetzt steht das dritte Referendum des Landes an. Und diesmal geht es ums Ganze. Vor allem viele junge Schotten sehnen sich danach, einen unabhängigen Staat zu gründen: „Wir wollen eigenständig sein und nicht mehr in die Kriege von England hineingezogen werden“, sagt Paul Reilly und meint damit die Einsätze der Armee des Vereinigten Königreich in Afghanistan und dem Irak. Während die Weltkriege das Vereinte Königreich zusammenschweißte, bringen die Kriege unserer Zeit das Volk auseinander.
Der Drang zur Demokratie
Auch die Klimafrage ist ein wichtiger Programmpunkt für die Befürworter des Referendums: „Wir wollen ein Vorbild werden für eine neue grüne Welt“, so Reilly weiter. Allgemein gehe es darum sich der Herrschaft aus London zu entziehen, sagt Reilly. Dabei kommen die Schotten auf kreative Ideen: Eine Delegation aus London, die nach Glasgow kam um die „No“-Kampange voran zu bringen, wurde mit dem „Imperial March“ aus Star Wars begleitet.
Die Gegner der Unabhängigkeit führen vor allem die Wirtschaft als einen Grund an, das Königreich zusammenzuhalten. Denn: Sollte Schottland entsprechend wählen, würde der Britische Pfund langfristig keine Option mehr sein – entweder eine eigene Währung müsste eingeführt werden, oder man bewirbt sich für eine Eingliederung in die Eurozone. Für die jungen Schotten wie Reilly ist das aber kein übergeordnetes Thema: „Die Wirtschaft interessiert uns nicht so sehr, denn es geht um weit mehr als Zahlen – es geht um das Recht für sich selbst zu sprechen.“
Obwohl es kein Ergebnis gibt, macht sich das Gefühl der Spaltung breit. Selbst Premierminister David Cameron merkte, dass die Situation für ein „Better Together“ eng wird, weswegen er einen emotionalen Appell an die Schotten richtete. Er sprach von einer “schmerzhaften Scheidung” des Jahrhunderte alten Bündnisses. Es ist ein historischer Moment, denn das ewig traditionelle und oftmals ewig gestrige Großbritannien droht zu zerfallen.
Den Schotten und den anderen Wahlberechtigten, die in Schottland leben, ist der Drang nach Demokratie nicht zu verdenken. Die Gegner des Referendums haben ebenfalls einen Punkt, da es den Briten nicht schlecht geht und eine Veränderung immer Ungewissheit birgt. Should Scotland be an independent country?, wird die Frage auf dem Zettel lauten und gesucht wird eine einfache Antwort – Ja oder Nein?
Maximilian Kamp