Against Me! aus Kalifornien haben mit ihrem jüngsten Album eine eindrucksvolle Abhandlung über jene Transgender-Thematik geschaffen, die den Diskurs um die Band begleitet, seit Sängerin Laura Jane Grace sich für eine Geschlechtsumwandlung entschieden hat. Von Fans gefeiert, von Kritikern gelobt, machen die neuen Songs auch live eine hervorragende Figur, wie die Band am vergangenen Dienstag im Hamburger Szeneclub „Knust“ unter Beweis gestellt hat. Ein Nachbericht.
„Transgender Dysphoria Blues“ zählt für mich bereits jetzt zu den Alben des Jahres und ich glaube nicht, dass noch ein Release kommen wird, das ihm den Rang abläuft – zu perfekt ist hier die Symbiose aus wütend-emotionaler Lyrik, einprägsamen Melodien und schierem Punk-Spirit gelungen. Mit einem dermaßen zugänglichen Konzeptalbum zum Thema Geschlechtsumwandlung hätte ich ohnehin nicht gerechnet.
Für mich war also klar, dass ich das Ticket fürs Hamburgkonzert kaufen und die Zugfahrt am 4. Juni antreten musste, denn da ich beim Rock Am Ring nicht anwesend und die Band für’s Hurricane nicht gebucht war, bestand hierin die einzige Chance, Against Me! im Umkreis live performen zu sehen.
Und es hat sich definitiv gelohnt! Um kurz nach acht ging es los und die Supportband INVSN betrat die Bühne des überschaubaren, aber atmosphärisch gestalteten Clubs. INVSN ist eigentlich nur ein Projekt des schwedischen Rocksängers Dennis Lyxzén, der regulär als Sänger bei Refused amtiert. Hier wird sich jedoch auf ruhigere Töne besonnen, die Songs klingen melodiös und versprühen einen dezenten 80’s-Vibe. Mit schwarzer Schminke im Gesicht ähnelte die Performance des Sängers schon beinahe einer Form von Ausdruckstanz. Mit den Händen wurde zum Gesang gestikuliert, das Mikro eifrig umhergeschwungen und auch das Stativ wirbelte wie wild. Die Band spielte dazu solide (Gitarren und Bass) bis großartig (INVSN haben einen tollen Schlagzeuger an Bord). Kurzum: dieser Einstand hat wirklich Spaß gemacht.
[jwplayer mediaid=”5066″]Etwa eine Stunde später betraten dann Against Me! nach einer raschen Umbaupause die Stage und feuerten sofort los mit „Fuckmylife666“, einem der stärksten Tracks des letzten Albums. Sofort merkte man, wie gut aufgelegt die Band war und wurde von der Spielfreude unmittelbar angesteckt. Das Publikum erwies sich als ausgesprochen textsicher, vor allem, was die älteren Stücke der Band anbelangte. Und so kam der Hamburger Konzertbesucher in den Genuss einer energetischen Punkrockshow mit Druck, Lärm und strapazierten Stimmbändern – den Band-Hit „Trash Unreal“ konnte Jane Grace beispielsweise gar nicht mehr in der ursprünglichen Tonlage singen, weil sie sich hierfür einfach schon zu sehr verausgabt hatte; dafür erhielt sie Aushilfe von ihren Fans und natürlich Gitarrist und Backgroundsänger James Bowman.
Zwischen den Songs nur kurze Ansagen – Interaktion mit dem Publikum höchstens nach Bedarf, niemals erzwungen. Auch das fiel angenehm auf. Denn hier stand allein die Musik im Vordergrund. Die Band war ganz bei sich selbst, wirkte als geschlossene Einheit und spielte mehr zusammen als nur nebeneinander her. Auch ließ die Setlist nur wenig zu wünschen übrig; bis auf ein paar Ausnahmen kamen sowohl die Klassiker als auch die kleinen, unentdeckten Schätze des umfangreichen Songkatalogs zum Einsatz. Und auch für eine Zugabe war sich die Band trotz sichtlicher Verausgabung am Ende nicht zu schade – eingeleitet von einem grandiosen Cover des Rowland S. Howard Songs „Shivers“. Nach gut zweieinhalb Stunden verließen wir das Knust verschwitzt, mit schmerzenden Rippen (da wir in der ersten Reihe standen, wurden wir von hinten emsig gegen die Absperrung gepresst), aber höchst zufrieden mit der Gewissheit, dass dies mit Sicherheit nicht unser letztes Against Me! Konzert gewesen ist.
Marian Rossol