Brasilien, Kamerun, Kroatien und Mexiko treffen in Gruppe A der FIFA Weltmeisterschaft 2014 aufeinander. Die Brasilianer wollen unbedingt den sechsten WM-Titel im eigenen Land holen – wer sonst noch Chancen auf ein Weiterkommen hat und warum die Griechen ein Vorbild für den Underdog aus Afrika sind, erfahrt ihr hier.
Favorit dahoam
Zweifelsohne sind die Gastgeber heiß auf den sechsten WM-Titel und stehen bei vielen Fußballfachleuten ganz oben auf der Liste. Im Vorfeld unterzog Trainer Luiz Felipe Scolari die Mannschaft einer radikalen Frischzellenkur: etablierte und erfahrene Spieler wie Ronaldinho (34, Atlético Mineiro), Robinho und Kaká (30/32, AC Mailand) dürfen sich die WM nur von außen anschauen und mussten den jungen Wilden rund um Neymar (22, FC Barcelona) und Bernard (21, Shakhtar Donetsk) im Kader des Rekordweltmeisters weichen. Ihr Debüt bei einer Weltmeisterschaft geben außerdem die zwei Legionäre Luiz Gustavo (26, VfL Wolfsburg) und Dante (30, FC Bayern München) aus der Bundesliga.
Die erfolgsverwöhnte brasilianische Fußballseele musste in den letzten Jahren viel ertragen. Nach dem Erfolg über die deutsche Nationalmannschaft im Finale der WM 2002 in Japan und Südkorea sah es international gar nicht gut für die Männer vom Zuckerhut aus: Bereits im Viertelfinale musste der Rekordweltmeister im Jahre 2006 in Deutschland und 2010 in Südafrika vorzeitig seine Koffer packen. Der souveräne 3:0-Erfolg im Finale des Confed-Cup 2013 über den amtierenden Welt- und Europameister Spanien spricht jedoch für ein sicheres Weiterkommen der Seleção in der Gruppenphase und untermalt die Favoritenrolle auf den WM-Titel im eigenen Land.
Der Star der Gruppe: Brasiliens Messi(/as)
Neymar ist gerade einmal 22 Jahre alt und übersteigt bereits jetzt mit seinem geschätzten Marktwert die Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß um das Doppelte. Der neue Shootingstar der brasilianischen Auswahl weiß, wie man polarisiert – und spaltet die Geister: Die einen nennen ihn nur den Justin Bieber des Fußballs, die anderen sehen in ihm den nächsten Weltfußballer, der Brasilien zum nächsten WM-Titel schießen wird. Ob er den hohen Erwartungen aus seinem Heimatland gerecht wird, ist fraglich. Er absolvierte eine durchwachsene erste Saison für den FC Barcelona und verpasste nach einer Fußverletzung den Endspurt im spanischen Titelkampf.
Die Feurigen gegen die Dreifarbigen
Mit etwas Abstand kommt es dahinter zu einem interessanten Duell um das zweite Ticket für die K.O.-Runde: Sowohl die Kroaten, die seit Ende letzten Jahres vom ehemaligen Bundesliga-Profi Niko Kovač (42) trainiert werden, als auch die Azteken-Truppe rund um Guardado (27), der bei Bayer Leverkusen unter Vertrag steht, rechnen sich Chancen für das Erreichen des Achtelfinales aus. Der Ausgang scheint im Vorfeld völlig offen, doch Mexiko hat auf dem Papier die Nase knapp vorne: die Tri (die Dreifarbigen) belegen Platz 19 auf der offiziellen FIFA Weltrangliste, dicht gefolgt von den Kroaten auf Platz 20. Neben der schlechteren Platzierung auf der Weltrangliste spricht auch die späte Qualifikation für die WM-Endrunde gegen die Vatreni (die Feurigen), die erst in der Relegation mühsam gegen den Underdog Island das Ticket nach Brasilien lösen konnten.
Der Geheimtipp: Kamerun setzt auf den Rehhagel-Effekt
Die Lions Indomptables (die unbezähmbaren Löwen) wurden ihrem Spitznamen bisher auf internationaler Bühne nicht gerecht: Bis auf das Bestehen der Vorrunde bei der WM 1990 in Italien war entweder in der Gruppenphase oder bereits im Vorfeld der WM-Qualifikation Schluss. Der klare Underdog hat jedoch ein Ass im Ärmel: Kapitän und Rekordtorschütze Samuel Eto’o (33, FC Chelsea) will endlich auch mit der Nationalmannschaft für einen Achtungserfolg sorgen. Für ihn ist es wahrscheinlich die letzte Teilnahme an einer WM-Endrunde – umso größer wird seine Motivation sein.
Auf der Bank der Afrikaner nimmt ein alter Bekannter Platz: Volker Finke war eine gefühlte Ewigkeit (1991–2007) Trainer des SC Freiburg und ist nach Winnie Schäfer bereits der zweite deutsche Nationaltrainer der Mannschaft aus Zentralafrika. Kamerun ist in Gruppe A der klare Außenseiter und erinnert stark an den späteren Europameister Griechenland in 2004: Damals war man ebenfalls der Underdog der EM in Portugal und kein geringerer als Otto Rehhagel machte damals das Unmögliche wahr. Der unbezähmbare Löwe könnte bei einem Unentschieden in der Begegnung zwischen Kroatien und Mexiko unter Umständen als lachender Dritter die Gruppenphase überstehen.
Die Kameruner sind realistisch
Die Vorfreude im Land ist laut Aristide Djimgou seit dem Überstehen der Gruppenphase 1990 bei jeder Weltmeisterschaft ungebrochen. Besonders dieses Jahr sei trotz der schweren Gruppengegner die Hoffnung auf ein Weiterkommen groß, weiß der 21-jährige Student der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Bremen, der aus Douala stammt, der mit über 1,9 Millionen Einwohnern größten Stadt Kameruns. Warum mit Volker Finke bereits der zweite deutsche Trainer auf der Bank der Kameruner Platz nimmt, liegt aus Sicht von Aristide an der fehlenden internationalen Erfahrung der afrikanischen Trainer: Es wird ihnen nicht zugetraut die Mannschaft diszipliniert zu leiten; deswegen wird auf die Führungsqualitäten von etablierten ausländischen Trainern wie Winnie Schäfer und Volker Finke vertraut.
Neben dem vorgestellten 33-jährigen Eto’o sind laut Aristide auch Nicolas N’Koulou (24, O. Marseille), Benoît Assou-Ekotto (30, QPR London) und Alex Song (26, FC Barcelona) die größten Hoffnungsträger der Kameruner.
Dabei sind nicht alle Spieler im Aufgebot von Volker Finke so beliebt wie dieses Trio: Der seit 2001 in Deutschland in der 1. und 2. Bundesliga aktive Mohamadou Idrissou (34, Kaiserslautern), der 2010 den FC Freiburg verließ, um Champions League spielen zu wollen, fiel in den letzten Jahren mehr durch Kommentare neben dem Spielfeld, als durch sportliche Erfolge auf. Mangels Alternativen wird er aber im Kader der Kameruner die Rolle des Jokers einnehmen.
Die Chancen auf ein Weiterkommen sieht Aristide Djimgou für sein Heimatland kritisch, doch sein Fan-Gespür sagt ihm, dass seine Landsleute die Sensation dank ihres großen Willens schaffen und zumindest das Achtelfinale in Brasilien erreichen werden.
Julian Koldewey