Nebenjob Plasmaspenden. Für viele Studenten ganz normal. KROSSE hat in dieser Woche zwei von ihnen begleitet um zu erfahren, was hinter einer Spende steckt. Von der aufgeregten Erstspenderin bis zum routinierten Dauerspender: Für viele bedeutet Spenden nicht nur willkommenes Taschengeld, sondern auch das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Doch was mit dem Plasma eigentlich passiert, wissen viele Spendewillige selbst nicht. KROSSE hat in Bremens Blutplasmacenter nachgefragt.
Schnelle Schritte über den Steinguss-Boden, Stimmengewirr, Piepsen. „Lisa Pautsch in die Vier bitte!“, „Bitte einmal mit der Hand über den Sensor – gerade halten! Danke.“ Das Display zeigt ein Bild von Lisa. Sie ist registrierte Spenderin im Blutplasmacenter Bremen – seit heute. Auf den kleinen Tischchen im Warteraum stehen weiße Plastikbecher neben zerfledderten Zeitschriften. Ein älterer Mann in beigem Anzug starrt auf einen Flachbildschirm, auf dem lautlos eine Dokumentation über Großseefischerei flimmert. Eine Mutter wippt ihren Kinderwagen mechanisch und blickt ins Leere. Studentin Lisa, 23, sitzt mit einem Plastikbecher Mineralwasser vor dem großen Spenderaum des Blutplasmacenters. Gleich wird sie zum ersten Mal an der Nadel hängen – um ihr Blutplasma zu spenden.
Was genau ist Blutplasma?
Blutplasma ist der flüssige Anteil des Bluts, der übrig bleibt, wenn die Blutzellen herausgefiltert werden. Etwas mehr als die Hälfte unseres Blutes ist reines Plasma – eine hellgelbe, klare Flüssigkeit, die zu ca. 90 Prozent aus Wasser besteht. Im Blutplasma sind rund 120 Eiweißstoffe enthalten. Drei Proteingruppen sind in der pharmazeutischen Nutzung von großer Bedeutung. Aus ihnen werden Medikamente hergestellt, beispielsweise für Menschen mit der Bluterkrankheit – eine Erbkrankheit, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Das Plasma aus Bremen ist somit sogenanntes „Industrieplasma“, erklärt Center Managerin Stephani Keltsch. Es wird weiterverarbeitet und ist unabdingbar für die Herstellung von spezifischen Medikamenten und der Forschung, da Plasma bis heute nicht künstlich hergestellt werden kann.
Risikogruppen: Wer nicht spenden darf
Nervös blättert Lisa durch eine Zeitschrift. Sie hat den Fragebogen ausgefüllt, der vor jeder Spende obligatorisch ist. Jetzt wartet sie, bis sie ein Center Mitarbeiter aufruft und sie auf einer Liege Platz nehmen darf. Zuvor entscheidet die Plasmabank, ob die jeweilige Person von einer Spende ausgeschlossen wird oder zugelassen werden darf. Unter die Kriterien fallen augenscheinliche Punkte, wie Fragen nach der eigenen Gesundheit. Bestimmte Gruppen sind allerdings von einer Spende ausgeschlossen. In die Kategorie von sogenannten „Risikogruppen“ gehören unter anderem homo- und bisexuelle Männer, Drogenabhängige, männliche und weibliche Prostituierte oder Häftlinge.
Stephani Keltsch erklärt, dass sie sich für diese umstrittenen Ausschlusskriterien an strenge Regeln halten müssen: „Bei der Auswahl der Spenden müssen wir uns an das Transfusionsgesetz, die Richtlinien der Bundesärztekammer und an die internen Regulationen halten. In diesen ist gesetzlich festgelegt, wer spenden darf und wer nicht. Das können wir nicht beeinflussen.“ Zusätzlich werde aber jede einzelne Spende überprüft, bevor sie an den Mutterkonzern abgegeben wird.
Blutspenden für die Fernbeziehung
Neben Lisa gehen laut Center Managerin Keltsch täglich zwischen 400 und 500 Menschen im Blutplasmacenter ein und aus. Auf insgesamt 41 Plätzen nehmen die Freiwilligen Platz, rund 45 Minuten rotieren die Geräte. Die Maschinen zentrifugieren das abgenommene Blut und über einen Schlauch werden die zellulären Bestandteile des Bluts danach wieder dem Körper des Spenders zugeführt. Keltsch, die im nächsten Jahr seit 20 Jahren im Plasmacenter arbeitet, erinnert sich noch an die Anfänge der Plasmaspende in Bremen im Jahr 1986.
Damals gab es noch kein maschinelles Verfahren. Dem Spender wurde manuell ein Beutel Blut entnommen, dieser wurde anschließend zentrifugiert und danach zurück zum Spender gebracht um ihm seine festen Blutbestandteile wieder zurück in die Blutbahnen zu führen. Was damals drei Stunden dauerte, geht heute in rund 45 Minuten über die Bühne – Zeit, die vor allem Studenten aufbringen können.
„ Nur durch Zukäufe aus anderen Ländern kann der Bedarf gedeckt werden“
Der Jurastudent Phillip Müller ist dagegen mittlerweile routiniert. Seit drei Jahren spendet der 21-Jährige mehr oder weniger regelmäßig in Bremen. Das Geld kann er für die Fahrten zu seiner Freundin nach Münster gut gebrauchen.
Die Barauszahlung zwischen 15 und 20 Euro ist vielen Studenten ein zusätzlicher Verdienst neben dem Studium oder dem Job. Dennoch erklärt Keltsch, dass die Spendenbereitschaft in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sei. Oft sei es der „Faktor Zeit“, der viele daran hindere, regelmäßig zu kommen. Außerdem fallen immer mehr ältere Spender weg, die es als Herzenssache verstanden und nicht wegen des Gelds kamen. „Viele spenden nur, solange sie das Geld brauchen und dann nicht mehr“, bedauert die Managerin. Damit reichen die Plasmaspenden nicht für die Selbstversorgung in Europa aus. „Nur durch Zukäufe aus anderen Ländern kann der Bedarf gedeckt werden“, erklärt Keltsch. Die Spendenbereitschaft in den USA sei beispielsweise deutlich höher als die in Europa.
„Wenn was ist, ich bin da“
Für Lisa ist es jetzt auch soweit. Eine Mitarbeiterin desinfiziert ihre linke Armbeuge und sticht die Nadel in ihre Vene. Ein kurzer Schreckensmoment, dann fordert die Mitarbeiterin Lisa auf, kräftig mit ihrer Hand zu pumpen. Ihre erste Spende läuft. „Alles gut?“, fragt sie ihr Liegennachbar. „Wenn was ist, ich bin da“, sagt er und lächelt. Alles gut, alle in der Horizontalen, alle an ihre Geräte angeschlossen. Langsam füllt sich der Behälter mit gelblich-weißem Plasma. „Das war schon bisschen ein komisches Gefühl“, erzählt Lisa danach. Körperlich ging es ihr danach gut. Jetzt kann sie sich ihre 20 Euro Aufwandsentschädigung abholen. Ob sie wiederkommt? „Zweimal in der Woche werde ich das nicht machen, aber ich komme wieder“, glaubt die Neuspenderin und versucht umständlich, den bandagierten Arm in ihre Winterjacke zu stecken. Damit wird sie wohl nicht den Rekord von insgesamt 915 Spenden brechen können, den der langjährigste Spender in Bremen hält, der 1987 zum ersten Mal spendete. Für Lisa ist es dennoch ein kleiner Erfolg. Mit etwas mehr Geld in der Tasche geht sie nun zu ihrem zweiten Job – zum Kellnern.
Weitere Infos zur Spende gibt’s hier.
Jana Wagner