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Mit Siebdruck und Co. gegen Stellenkürzungen – Protestwoche an der Uni Bremen

20. November 2013

Es ist laut. Es ist bunt. Es ist Protestwoche. An der Universität Bremen sollen über 130 Stellen gestrichen werden. Dagegen wehren sich Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Verwaltungsangestellte und Studierende. Bereits im Frühjahr haben sie ein Aktionsbündnis gegründet. Der stille Protest wurde in der letzten Woche laut, als das Bündnis in die von ihm organisierte Protestwoche startete. Nun sind die Aktionstage erfolgreich zu Ende gegangen. Und jetzt soll die Zeit für die großen Wellen des Protests kommen. KROSSE weiß, was genau passierte.

Die Straßenbahn hält und ich verfalle umgehend in meinen Uni-Trott: Kopf gesenkt und schnellen Schrittes Richtung überfüllten Seminarraum. Doch da nimmt mir etwas Großes und Rotes die Sicht auf die sonst so karge und kühle Glashalle. Der riesige Banner mit der Aufschrift „Exzellent“, der einst das MZH schmückte, hängt von einem der Unigebäude hinab und begrüßt an diesem Montagmorgen die noch wochenend-müden Studierenden. Aber halt! Da steht nicht „Exzellent“, da steht „Exkrement“ und sowieso ist einiges anders. Die gesamte Uni ist bunter, ist lauter. Mir fallen die vielen Banner und Flyer auf. Überall auf dem Campus finden vereinzelt Aktionen statt und, hey, das alte Copy-Center gegenüber der Bibliothek ist jetzt ein ProtestInfoCafe. Aber warum das alles?

Geplante Kürzungen – wen trifft es?

Im Frühjahr 2013 berichtete der Weser-Kurier über die Kürzungsmaßnahmen an der Universität Bremen, von denen mehr als 80 Vollzeit-äquivalente Stellen im Bereich der Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und mehr als 50 Stellen im Verwaltungswesen betroffen sind. Da die meisten Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen nur halbe oder dreiviertel Stellen haben, fallen real sogar mehr als hundert Stellen weg. Außerdem sollen in den kommenden Jahren noch weitere Kürzungen im dreistelligen Bereich vorgenommen werden, um mehrere Millionen Euro einzusparen – wen genau diese
Kürzungen betreffen werden, ist noch unklar. Die Konsequenzen für MitarbeiterInnen, Studierende und selbst für die Uni an sich wären verheerend, denn schlechte Betreuungsverhältnisse zwischen Studierenden und Lehrenden, überarbeitete Lehrende, die chronisch unterbesetzte Verwaltung und überfüllte Seminarräume gehören jetzt schon zum alltäglichen Uni-Irrsinn. Aus diesen und vielen weiteren Gründen hat sich schon im Frühjahr 2013 das Aktionsbündnis, bestehend aus Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und Verwaltungsangestellten, formiert. Gemeinsam mit dem Studentischen Aktiventreffen riefen sie die Protestwoche in der Woche vom 04. bis einschließlich 8. November ins Leben.

In meinem Seminar angekommen, kündigt meine Dozentin an, sich heute nicht wie üblich mit griechischer Architektur zu beschäftigen, sondern das Thema Protest und Kürzungen zu diskutieren. Ich merke, dass viele meiner Kommilitonen noch gar nicht wissen, was es mit den Kürzungen auf sich hat und inwieweit sie selber davon betroffen sein werden. Wir thematisieren die jetzt schon für viele inakzeptablen Studienbedingungen und fragen uns „Was für eine Uni wollen wir eigentlich?“ Viele beklagen die schlechten räumlichen und organisatorischen Bedingungen, wünschen sich einen verhältnismäßig angepassten Betreuungsschlüssel und weniger Leistungsdruck und überfüllte Seminare. Andere Stimmen lassen verlauten, dass es ihnen egal sei, sie seien eh in ein, zwei Jahren wieder weg. Wieder andere reden von einer deutschlandweiten Bildungsreform. Doch wie geht das alles? Vor mir liegt der bunte Programm-Flyer. 46 Veranstaltungen, organisiert von Lehrenden und Studierenden, und ich komme ins Grübeln: „Was für eine Uni will ICH eigentlich?“

 

Zwischen Flashmob, Siebdruck und Plenum

Ich beschließe, ins ProtestInfoCafé auf dem Boulevard zu gehen. Der große helle Raum ist gemütlich eingerichtet. Einige aktive Studierende sitzen zusammen auf grünen Sofas und planen die nächste Aktion. Ein Flashmob gegen die Kürzungen vor der Bürgerschaft soll geplant werden, denn die Presse hat sich angekündigt. Überhaupt ist hier viel los. Draußen sammeln Aktive Unterschriften gegen die Kürzungen. Vor dem ProtestInfoCafé bewerben Studierende des Grundschullehramts ihre „Henkersmahlzeit“ auf Spendenbasis. Außerdem wird im Cafe ein Siebdruck-Workshop veranstaltet. Ungefähr 20 Studierende stehen um das große Sieb herum, legen ihre Jute- und Sportbeutel darunter und bedrucken diese mit unterschiedlichen Motiven. Und auf dem Boulevard steht eine riesige Beschwerdebox, in die Forderungen und Mängellisten geworfen werden können. „Die Aktionen kommen bei den Studierenden gut an und das Interesse wächst spürbar und jeden Tag“, erzählt mir die Mitorganisatorin Lisa Hanncken. „Trotzdem ist es sehr anstrengend; einige von uns schlafen in der Uni oder sind den ganzen Tag nur im Zeichen des Protests unterwegs und können daher nicht zu ihren eigentlichen Veranstaltungen
gehen.“

In immer größeren Plenen wird über die Situation der Uni Bremen gesprochen und Aktionen werden konkret geplant. Auf dem wöchentlich stattfindenden Aktiventreffen am Donnerstag, wo ein Plenum bestehend aus Studierenden und einigen Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen zusammentrifft, muss diese Woche sogar mit Mikrofon und Boxen gearbeitet werden, damit sich die 150 anwesenden Studierenden überhaupt verstehen können. Diskutiert wurden an diesem vorletzten Tag der Protestwoche mögliche Aktionen und weitere Protestformen. Studentische Vollversammlung? Große Demo vor der Bürgschaft? Streik? Außerdem wurde dazu aufgerufen, unmittelbar nach dem Plenum den Rektor in seinem Büro zu besuchen, um ihn aufzufordern, Stellung zu den Kürzungsmaßnahmen zu beziehen. So zogen also 150 Studierende Richtung Rektorat – im Gepäck mehrere Banner, unzählige Pfeifen und eine überdimensionale Postkarte zum Ankreuzen und mit der Aufschrift: „Wirst du Kürzen? Ja ( ) Nein ( )“
Zwar äußerte sich das Rektorat nach wie vor nicht zu den Kürzungen und machte auch kein Kreuz; viele Studierende empfanden diese Aktion dennoch als belebend und beflügelnd und verließen das Gebäude mit den Worten „Das war erst der Anfang“ und „Mit uns kann man rechnen.“
Nach fünf Tagen Protestwoche biege ich am Freitagabend müde aber beseelt in meine Straße ein und denke an die vergangenen Tage. Einige Pflichtseminare habe ich nicht besucht, dafür aber viele neue Menschen kennengelernt, Alternativ-Veranstaltungen wahrgenommen, Aktionen mitgemacht, die mir das Gefühl von Gemeinschaft gaben und mich mit völlig neuen Themen auseinandergesetzt. Ich habe über die Bremer Reform-Uni der 70er-Jahre und die Exzellenz-Initiative diskutiert, symbolisch Spenden auf dem Marktplatz gesammelt und meine Hose in der (Ver)Änderungsschneiderei gekürzt. Und während ich meine Haustür aufschließe, weiß ich dann plötzlich was für eine Uni ich
will – genau so eine.

Infos zu weiteren Aktionen, den Aktivenbündnissen und Artikeln aus Print, Hörfunk und
TV, findet ihr hier.

Anna Siewert

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