Lichterglanz am Weserufer, Musik bis in die Nacht – die Breminale ist Bremens größtes Sommerfestival. Für die 23-jährige Studentin Zoe aus Bremen bedeutet das Festival fünf Tage Musik, Sonne und Gemeinschaft. Doch während sie mit dem übrigen Publikum vor der Bühne tanzt, ringen die Veranstalter mit hohen Kosten und der Unsicherheit, ob kostenlose Kultur noch eine Zukunft hat.
von Anna Böcker
Im Hintergrund fließt langsam die Weser, auf der Bühne dröhnt die Musik. Kinder balancieren mit Zuckerwatte, Studierende sitzen mit Bierflaschen in der Hand im Gras. Es ist Breminale, ein Festival, das für viele Bremerinnen und Bremer längst selbstverständlich geworden ist und das von dem Gefühl „umsonst, draußen, für alle“ lebt.
Auch die 23-jährige Informatikstudentin Zoe aus Bremen sitzt mit ihren Freundinnen vor der großen Hauptbühne im Gras. Auf ihrem Gesicht liegt ein Lachen, während sie versucht, sich über die laute Festivalmusik hinweg mit den anderen zu unterhalten. Ihre Füße wippen im Takt des Songs, der von der Bühne herüberschallt. Für sie ist die Breminale mehr als nur eine Party am Deich. Große Festivals wie das nahegelegene Deichbrand oder das Hurricane kann sie sich nicht leisten. Sie erzählt, dass die Tickets dort oft schon ein Jahr im Voraus verkauft werden, einem Zeitpunkt, zu dem die Tickets zwar noch günstiger seien, an dem aber noch gar nicht feststehe, welche Künstlerinnen und Künstler dort auftreten. Schon die Basistickets kosteten dann fast 200 Euro und wer das ganze Wochenende dabei sein wolle, müsse zusätzlich ein Camping-Ticket buchen und sich um die nötige Ausrüstung kümmern. Am Ende komme so schnell eine Summe von rund 250 Euro zusammen, zu viel Geld auf einmal, findet die Studentin, die neben dem Studium noch als Werkstudentin arbeitet. Die Breminale bedeutet für sie deshalb ein Stück kulturelle Teilhabe, das sie sich sonst nicht leisten könnte. Dabei schätzt Zoe vor allem eins: „Einfach so wirklich dieses vor die Bühne setzen, dann hat man sich vorher gerade was zu essen geholt und dann einfach Musik hören“. Während andere im Sommer für hunderte Euro auf große Festivals fahren, bleibt der 23-Jährigen nur die Breminale. Gerade das macht das kostenlose Kulturangebot für sie so besonders: „Meistens ist es ja fast keine Frage von wegen gehen wir zur Breminale? Sondern nur wann gehen wir hin?“. Doch was für Zoe selbstverständlich wirkt, ist für die Organisatorinnen und Organisatoren der Breminale jedes Jahr ein Drahtseilakt.

Kostenlose Festivals: Wenn die Finanzierung zum Drahtseilakt wird
Das betrifft auch Jonte von Doellen, den künstlerischen Leiter der Breminale. Er kennt sich auch mit den Finanzen aus, legt bei dem Gedanken daran aber die Stirn in Falten: „Du hast also im Vergleich zum Beispiel ticketfinanzierte Festivals sind einfach finanziert, bevor sie das erste Bier verkauft haben. Wir haben das nicht. Wir gehen auf den Platz und haben erst mal einen Arsch voll Schulden sozusagen.“ Die Zahlen sind eindeutig: 2018 lag das Festivalvolumen bei rund 650.000 Euro, 2023 waren es eine Million Euro. Gestiegene Löhne, teures Material und höhere Sicherheitsstandards führen dazu, dass die Kosten seit der Pandemie steigen. In den Jahren 2021 bis 2023 konnten die Mehrkosten durch die Fördermittel aus den Corona- Hilfsprogrammen des Bundes aufgefangen werden. Seit 2024 gibt es diese Förderung nicht mehr, sodass der Kultursenat die finanzielle Unterstützung verdoppeln musste.
Zwischen 40 und 50 Prozent und damit den größten Teil der Finanzierung machen die gastronomischen Einnahmen aus, erklärt von Doellen. Dazu kommen Sponsorings, Programmpartner, Spenden und eine städtische Förderung in Höhe von 195.000 Euro. Neu sind seit 2024 die sogenannten „Soli-Tickets“. Das sind freiwillige Tickets, die Besucherinnen und Besucher in einem Wert von zehn bis hundert Euro kaufen können, um das Festival zu unterstützen. Im letzten Jahr kamen so 30.000 Euro zusammen, ergänzt mit den Spenden, die auf dem Festivalgelände gesammelt wurden, waren es 50.000 Euro. „Das ist eine richtig große Stange Geld, auch für uns“, sagt Jonte von Doellen. Auch wenn die ganze Breminale im vergangenen Jahr etwa 800.000 Euro gekostet hat, seien 50.000 Euro nicht kleinzureden, so der künstlerische Leiter.
Wettereinbußen und Freiwilligkeit: Wie solidarisch sind die Bremerinnen und Bremer wirklich?
Auch Werner Wick, Pressesprecher des Bremer Kultursenats, ist sich der schwierigen finanziellen Situation der Breminale bewusst. Er betont jedoch auch die Bedeutung des kostenlosen Festivals: „Die Breminale ist damit auch ein kulturelles Aushängeschild Bremens und prägt das Bild unserer Stadt als weltoffen, kreativ und lebendig.“ Gleichzeitig belebe es den Tourismus und die Wirtschaft der Stadt. Dass das Festival kostenlos bleibt, spiele dabei eine zentrale Rolle, sei durch wetterbedingte Umsatzeinbußen jedoch finanziell riskant, so der Pressesprecher. Deshalb begrüße man das Konzept des Soli-Tickets. „Ein Großteil der Einnahmen aus Soli-Tickets wird sowohl vor als auch nach dem Festival eingeworben und senkt somit das Risiko, dass Defizite aufgrund von schlechtem Wetter die Gesamtfinanzierung gefährden“, so Wick.
2025 fiel die Bilanz rund eine Woche vor Festivalstart jedoch ernüchternd aus. Nur rund 500 Tickets wurden verkauft, was nicht einmal der Hälfte, der im Vorjahr verkauften Tickets entspricht. Jonte von Doellen erklärt sich das Phänomen damit, dass viele Besucherinnen und Besucher im vergangenen Jahr das Gefühl gehabt hätten, die Breminale vor dem Aus retten zu müssen. In diesem Jahr seien die Organisatorinnen und Organisatoren bei der Kommunikation jedoch anders vorgegangen: „Also wir haben in der Kommunikation nicht so gestartet, wenn das jetzt nicht passiert, dann kommt ein Zaun drum oder dann machen wir dieses Bier teurer, sondern es war grundsätzlicher formuliert und das kann natürlich so ein bisschen Schärfe rausnehmen.“, so der künstlerische Leiter. Das dürfte für viele Besucherinnen und Besucher der Grund gewesen sein, auf den Kauf eines Tickets zu verzichten.
Die Breminale – ein Ort der kulturellen Teilhabe?
Zoe hat sich mittlerweile ein „Grilled Sandwich“ von einem der nahegelegenen Foodtrucks geholt. Zurück bei ihren Freundinnen auf der Decke angekommen, beißt sie in das noch dampfende Brot. Sie selbst hat kein Soli-Ticket gekauft: „Ich glaub, ich habe mich gar nicht unbedingt aktiv dagegen entschieden. Ich war schon auf der Seite, aber irgendwie hab ich’s dann doch nicht getan.“ Trotzdem weiß die Studentin, was das Festival ihr gibt und warum es für sie so wichtig ist. Es ist der Ort, an dem sie ohne finanziellen Druck Musik erleben kann, gemeinsam mit Freundinnen und Freunden. Für viele ist es ein Stück kulturelle Gleichheit, in einer Zeit, in der vieles immer teurer wird. Ein Eintrittspreis könnte den Gemeinschaftscharakter des Festivals langfristig schwächen. Auf die Breminale will die Studentin auch zukünftig nicht verzichten: „Das wäre dann schon komisch, wenn das dann halt einfach nicht mehr ist.“
Und doch: Zum Ende der Breminale 2025 haben die mehreren hunderttausend Besucherinnen und Besucher die Organisatorinnen und Organisatoren überrascht. Mit 50.000 Euro wurde durch den Verkauf der Soli-Tickets mehr eingenommen als im Jahr zuvor. Damit zeigt sich, Solidarität funktioniert eben doch, wenn auch nicht selbstverständlich.
Kamikaze-Kalkulation am Deich: So soll das Festival bleiben, was es ist
Ob Zoe und viele andere auch in Zukunft noch kostenlos am Deich sitzen können, ist ungewiss. „Man muss grundsätzlich sagen, dass dieses ganze Format umsonst und draußen an fünf Tagen eigentlich ganz schön finanziell kamikaze ist“, sagt Jonte von Doellen. Die Organisatorinnen und Organisatoren setzen auf eine neu gegründete gemeinnützige GmbH, auf die Förderungen vom Senat, auf Spenden und das Vertrauen der Besucherinnen und Besucher. Auch das Soli-Ticket sei kein einmaliger Notgroschen, sondern Teil des Finanzierungskonzepts in der Zukunft, so der künstlerische Leiter.
Auch der Kultursenat will die Breminale zukünftig weiter unterstützen. „Neben den Einnahmen aus Soli-Tickets wird die Breminale zukünftig versuchen, auch klassische Spenden zu akquirieren, um damit weitere Mittelgeber zu erreichen“, so Werner Wick. Er betont jedoch auch die Unverzichtbarkeit des Sommerfestivals für die Stadt Bremen.
Mit leuchtenden Augen springt Zoe von ihrer Decke im Gras auf. Es zieht sie vor die Bühne, denn gerade wurde der Act angekündigt, auf den sie schon den ganzen Tag gewartet hat. Mit einer Freundin an der Hand zieht sie los, durch die Menge, in Richtung Bühne. Noch ist die Zukunft der Breminale offen. Doch an diesem Abend, wenn die Sonne über der Weser versinkt und die Menge vor der Bühne tanzt, wirkt es, als könne sie ewig so weitergehen: Umsonst, draußen, für alle.




