• Home
  • Kulturbeutel
  • Kabelsalat
  • Kreativsee
  • Krossdenker
  • Dossier
    • Ausland
    • Festival
    • Serien
    • Tests
    • Nachhaltigkeit

Macht ChatGPT uns dumm? 

27. Juli 2025

Hausarbeiten in Sekunden schreiben, komplexe Themen in kürzester Zeit verstehen – ChatGPT ist für viele Studierende ein unverzichtbares Tool geworden. Doch während es Zeit spart und Effizienz steigert, stellt sich die Frage: Verlernen wir durch die KI selbst zu denken? 

von Carleen Heppner

Isabel (Name geändert) verbringt den Großteil ihrer vorlesungsfreien Zeit in der Uni-Bibliothek, um an Abgaben zu arbeiten oder für Klausuren zu lernen. Auch heute sitzt sie dort wieder an einem der unzähligen Tische und blickt konzentriert auf ihren Laptop. Sie hat Word und ChatGPT gleichzeitig geöffnet, um an ihrer Hausarbeit weiter zu schreiben. Bis auf das Tippen der Tastaturen und leises Flüstern anderer Studierender ist es in der Bibliothek still. Seitdem ChatGPT vor mehr als zwei Jahren seinen Start hatte, ist dieser aus dem Leben vieler Studierender nicht mehr wegzudenken. Auch Isabel ist von dieser künstlichen Intelligenz ziemlich angetan und sieht sie als treuen und zeitsparenden Begleiter in ihrem stressigen Uni-Alltag. Sie studiert Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Uni Bremen und in Prüfungsphasen wächst ihr oft der Arbeitsaufwand mit ihrem zusätzlichen Studienfach Erziehungs- und Bildungswissenschaften über den Kopf.

„ChatGPT übernimmt Aufgaben für mich, für die ich aktuell keine Zeit habe.“

So wie die 20-Jährige nutzen laut einer Studie von Forschenden aus dem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Hochschule Darmstadt von 2023 mit 63 Prozent fast zwei Drittel der Studierenden an deutschen Hochschulen in ihrem Uni-Alltag ChatGPT und andere KI-Tools. Unter anderem dienen diese den Studierenden zum Klären von Verständnisfragen, zur Texterstellung und Übersetzung. Auch Isabel erzählt, dass sie ChatGPT hauptsächlich verwendet, um sich bestimmte Sachverhalte und Themen erklären zu lassen, oder um Texte zu formulieren und Synonyme zu finden. Sie würde ChatGPT jedoch nicht für kreative Ideen nutzen, da sie findet, dass die KI die menschliche Kreativität schwer ersetzen kann.

Über 60 Prozent Studierenden in Deutschland nutzen KI-Tools wie ChatGPT für ihren Uni-Alltag.

Für Isabel sei vor allem der Aspekt der Effizienz besonders ansprechend, wenn es um die Nutzung von ChatGPT geht. „Ich habe mehrere Uni-Fächer, mein Privatleben, Hobbys und einen Minijob. Das muss ich alles unter einen Hut bekommen. Manchmal muss ich dann aussortieren; was muss ich schnell machen und was geht dann mit ChatGPT schneller und einfacher, ohne dass ich großartig Zeit dafür verschwende. Leider.“ Neben der Effizienz spielt für sie auch ein anderer Faktor eine Rolle: „Es gibt Tage, an denen ich einfach zu faul bin, eine Aufgabe zu machen, und ich weiß, dass ChatGPT mir schneller ein gutes Ergebnis liefert, als ich es selbst in der gleichen Zeit könnte.“ Viele Studierende können Isabel dabei wahrscheinlich zustimmen, denn Studium und Privatleben miteinander zu vereinbaren, kann oft eine Herausforderung sein. Auch haben viele Studierende mit Prokrastination und „Faulheit“ zu kämpfen. ChatGPT scheint da als ideale Lösung zu kommen. 

Schummeln mit ChatGPT?

An den deutschen Hochschulen ist das Thema künstliche Intelligenz, laut einer Studie des Zentrums für Hochschulentwicklung aus dem Jahr 2024, bereits auf allen Ebenen angekommen. Viele Unis versuchen deren Verwendung im Unterricht und in Prüfungsleistungen zu berücksichtigen und auch in Lehrveranstaltungen darüber aufzuklären. Einige Dozierende gehen damit offen um und sehen KITools als Werkzeug in ihrem Unterricht, während andere diese strikt in Hausarbeiten verbieten oder gar nicht erst thematisieren. Die Universität Bremen sieht künstliche Intelligenz beispielsweise als Chance um alle Bereiche der Lehre voranzubringen und betont, dass KI ausschließlich als Werkzeug verwendet werden soll. Bis jetzt fehlen an unserer, aber auch an vielen anderen deutschen Unis diesbezüglich jedoch noch klare Regeln und Grenzen.

Wie heikel der Umgang mit KI im Uni-Alltag ist, hat auch Isabel erfahren: Sie hatte mit ihrem Tutor eine Diskussion über die Nutzung von ChatGPT in Hausaufgaben und wurde dabei mit Skepsis konfrontiert. Ihr Tutor behauptete, sie hätte ihre komplette Abgabe von ChatGPT schreiben lassen – dabei hatte sie die KI lediglich als Formulierungshilfe verwendet. Dieser betonte, dass viele Dozierende bereits ein Auge dafür hätten, ob Texte mit einer KI geschrieben wurden oder nicht. Die KI solle somit nicht jede Aufgabe übernehmen, könne aber trotzdem als Stütze verwendet werden, um Denkanstöße zu fördern. In dieser Situation hatte sich Isabel ziemlich unverstanden gefühlt, da sie einfach nur ein besseres Ergebnis erzielen und in keinem Fall schummeln wollte. Sie sagt, dass sie durch diesen Vorfall nun gelernt hat, noch sparsamer mit der KI umzugehen. Es sei wichtig zu wissen, wann man ChatGPT benutzen darf und in welchen Situationen man sich doch auf sein eigenes Können verlassen sollte. 

Wenn wir eine künstliche Intelligenz für uns denken lassen, hat das Auswirkungen auf unsere eigene Intelligenz? 

Bildungswissenschaftler Peter Gerjets vom Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt. In einem Artikel der Fachzeitschrift Forschung & Lehre erklärt er: „Wird eine bestimmte Fähigkeit nicht mehr benötigt, dann werden die Hirnareale, die diesen Skill implementieren, geschwächt.“. Gerjets betont, dass bestimmte Bereiche im Gehirn bei starker Anforderung anschwellen und größer und dichter werden. Bei abnehmender Anforderung allerdings verkleinern sie sich und werden somit geschwächt. Heißt das nun, dass Isabels Fähigkeit, gute Texte zu formulieren, allmählich abbaut? Sie verwendet ChatGPT schließlich regelmäßig für genau diese Aufgabe.

Während sie auf der linken Seite ihres Laptops Word, auf der rechten ChatGPT geöffnet hat, chattet sie gleichzeitig noch mit ihren Kommiliton*innen auf ihrem Smartphone – sie betreibt Multitasking. Neurobiologe Martin Korte von der TU Braunschweig erklärt in dem selben Artikel aus Forschung & Lehre, dass der präfrontale Cortex im Frontallappen des Gehirns durch Multitasking deutlich mehr beansprucht wird. Dieser ist eine Art Kommandozentrale im Gehirn, in der alle Informationen zusammenlaufen und entsprechende Aufgaben verteilt werden. Alleine die zusätzliche Nutzung von technischen Geräten beim digitalen Lernen würde den präfrontalen Cortex mehr fordern, da bereits die Bedienung der Technik Konzentration verlangt. Isabels Gehirn ist also völlig überfordert, was definitiv nicht förderlich für effektives Arbeiten ist.

Aber die gute Nachricht ist: Geschwächte Fähigkeiten können wiederbelebt werden. Korte und Gerjets betonen, dass unser Gehirn Herausforderungen braucht, um sich zu entwickeln. Der aktive Lernprozess sei für das Gehirn sehr wichtig und sollte nicht an eine KI abgegeben werden. Aktives Reflektieren der Informationen und deren eigenständige Anwendung seien notwendig, um die jeweiligen Hirnareale wieder zu stärken und den aktiven Lernprozess zu unterstützen. Um ihr Gehirn nicht zu überfordern, sollte sich Isabel in Zukunft also nur auf eine Aufgabe konzentrieren und das Chatten mit ihren Uni-Freund*innen in die Pause verlagern. 

Ob KI-Anwendungen wie ChatGPT wirklich helfen, hängt vom richtigen Umgang ab.

Der richtige Umgang mit KI – ChatGPT als Werkzeug

Auch Isabel reflektiert ihre Nutzung von ChatGPT mittlerweile kritisch. Sie erkennt häufig, dass nicht alles richtig ist, was die KI ihr als Antwort angibt. Häufig muss sie dann Quellen doppelt checken oder sich andere Informationen zum Vergleich holen. Jedoch gibt sie auch zu, dass sie dies aus zeitlichen Gründen nicht immer macht und oft einfach mit Glück damit durchgekommen ist.

Die 20-Jährige gehört zu der Generation, die ihr Abitur noch ohne den Einsatz von KI-Tools absolviert hat. „Ich habe gelernt, wie man selber auf Ergebnisse kommen kann, sich Dinge beibringt und recherchiert, ohne direkt auf ChatGPT zugreifen zu müssen.“, erzählt sie. Isabel sieht ChatGPT nur als eine Stütze und denkt nicht, dass sie sich weniger bemüht als zu ihrer Schulzeit – schließlich sind ihre Noten gleich geblieben.

ChatGPT schreibt zwar gute Texte, aber erfindet oft Quellen oder macht falsche Quellenangaben. Somit ist die KI nicht wissenschaftlich und auch kein Ersatz für das wissenschaftliche Arbeiten, das Studierende in der Uni lernen sollen. KIs wie ChatGPT sollten lediglich als Werkzeuge dienen, wie Bildungswissenschaftler Gerjets und auch die Universität Bremen betonen. Sie können als Ideengeber, Assistenten und zur Steigerung der Effizienz ihren Job erfüllen und auch als Lernpartner einen positiven Beitrag zum Lernerlebnis bieten. Entscheiden, Einordnen und Reflektieren bleibt jedoch unsere Aufgabe. Genau dieses Bewusstsein, ChatGPT nur als Werkzeug zu benutzen, wächst auch bei Isabel. Sie sitzt noch immer an ihrem Tisch in der Uni Bibliothek. Auf ihren Laptop blickend schließt sie schließlich das geöffnete ChatGPT Fenster. Heute hat sie erst einmal genug von ChatGPT, denn sie hat sich wieder einmal selbst dabei ertappt, zu viele Formulierungen von der KI in ihre Hausarbeit übernommen zu haben. Jetzt heißt es wieder: Gehirn anstrengen und weiter schreiben. Und zwar alleine. 

  • twittern 
  • teilen 
  • mitteilen 
AIHausarbeitenKIkünstliche IntelligenzUniversität
Share

Allgemein  / Krossdenker

You might also like

Lebenskunst mit Künstlicher Intelligenz  
7. April 2024
Maschinen und Musik – Symbiose oder Kampf?
9. Oktober 2023
Wenn KI auf Journalismus trifft: Tanz einer symbiotischen Verbindung
31. Juli 2023
  • VERBINDE DICH MIT UNS

  • Recent Posts

    • Macht ChatGPT uns dumm? 
      27. Juli 2025
    • Zwischen Kommerz und Gemeinschaft: Wem gehört der öffentliche Raum? 
      29. Juni 2025
    • Doomscrolling: Warum dein Gehirn schlechte Nachrichten liebt 
      22. Juni 2025
    • Zero-Waste im Alltag – Wie Unverpackt-Läden gegen die Verpackungsflut kämpfen 
      25. Mai 2025
    • Digital Detox auf Reisen – wie man wieder in den Moment zurückfindet
      11. Mai 2025


  • Das crossmediale Online-Magazin für den Nordwesten behandelt Themen aus Kultur, Medien, Freizeit und Gesellschaft. Kreativ erzählt, visuell aufbereitet und garantiert immer auf den Punkt.

  • Ressorts

    • Kulturbeutel
    • Kabelsalat
    • Kreativsee
    • Krossdenker
    • Dossier
  • Neueste Beiträge

    • Macht ChatGPT uns dumm? 
    • Zwischen Kommerz und Gemeinschaft: Wem gehört der öffentliche Raum? 
    • Doomscrolling: Warum dein Gehirn schlechte Nachrichten liebt 
    • Zero-Waste im Alltag – Wie Unverpackt-Läden gegen die Verpackungsflut kämpfen 
  • Weiteres

    • Impressum
    • Datenschutz
    • Über uns
    • Archiv

Made with ❤ by KROSSE in 2020