Das Thema Gendern ist in aller Munde. Es gibt kaum eine Angelegenheit, in der die Meinungen so auseinander gehen. Eine Bremer Studentin ist an diesem gesellschaftlichen Diskurs besonders interessiert.
Ich treffe Mareike Schmidt (Name geändert) im Café „Farso“ im Bremer Viertel. Die Studentin schreibt gerade an einer Hausarbeit für ihr Studium in der Kulturwissenschaft. Es ist Prüfungsphase an der Uni Bremen. Das Fach hat sich die 22-jährige Bremerin aufgrund seiner Vielfältigkeit und der gesellschaftsbezogenen Themen ausgesucht. Sie würden in den Seminaren viele aktuelle Probleme ansprechen und das interessiere Mareike besonders, schildert sie. Bereits seit 2021 studiert sie in Bremen. Während Mareike konzentriert an ihrer Hausarbeit arbeitet, stößt sie immer wieder auf die nationale Diskussion des Genderverbots.
Wenn die Studentin Hausarbeiten schreibt, achtet sie nämlich besonders auf eine Sache: dass sie gendert. Während des Schreibprozesses denkt sie oft daran, wie der bayrische Ministerpräsident Markus Söder gerade jetzt für Bayern ein Genderverbot in öffentlichen Einrichtungen einführte. Für Mareike, die das Gendern sehr ernst nimmt, wirft dieser politische Schritt Fragen auf, die ihren Schreibprozess beeinflussen. Markus Söders Bestrebungen in Bayern, geschlechtergerechte Sprache zu verbieten, begleiten sie in ihren Gedanken während des Schreibens ihrer Hausarbeit.
Freiheit trotz Verbot? – ein Widerspruch
Als ich Mareike näher auf den Diskurs des Genderverbots anspreche, erzählt sie mir, dass sie nicht die Einzige ist, die das Thema stark beschäftigt. Sie selbst habe auch Freunde, die durch ein Genderverbot im Sprachgebrauch ausgeschlossen werden würden. Eine Einschränkung dahingehend wäre für sie nicht nur ein enormer Rückschritt in der Gesellschaft, sondern auch eine Verletzung der Freiheitsrechte und eine Behinderung ihrer Selbstbestimmung und ihres Ausdrucks. Durch eine Schreibweise mit Sternchen oder Bindestrich wird im Sprachgebrauch sichtbar, dass alle Geschlechter gemeint sind. Beim sogenannten generischen Maskulinums werde dies beim Lesen nicht sichtbar, so Mareike.
„Wir würden uns das auch nicht verbieten lassen“, schildert die Studentin. Ihr Blick verrät, wie ernst sie die Sache nimmt. Für ihre Arbeiten ist es von großer Bedeutung, dass jeder Mensch, ganz egal welchem Geschlecht sie sich zuordnen, miteinbezogen wird.
Konkreter Anlass ihrer Gedanken ist vor allem die Regierungserklärung vom 5. Dezember 2023 vom bayrischen Ministerpräsident Markus Söder. Laut seinen eigenen Aussagen will er das Gendern nicht zur Pflicht machen, sondern in Schulen und Verwaltungen Bayerns sogar gänzlich verbieten. Diese Vorstellung trat dann am 18. März 2024 in Kraft. In der gleichen Rede sprach er außerdem noch von ,,Freiheitstraum und Schutzburg“, den das Land Bayern für die dort lebenden Menschen darstellen soll. Ich spreche Mareike auf diesen Teil der Rede an und sie schüttelt daraufhin nur mit dem Kopf. Freiheit für alle und das Verbot, sprachlich alle miteinzubeziehen sei ein kompletter Widerspruch in ihrem Kopf, argumentiert sie. „Wie passt das zusammen?“, fragt sich die Studentin.
Unterschiede im Genderdiskurs zwischen den Bundesländern
In den drei Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist das Gendern mit Sternchen oder Doppelpunkt im Schriftgebrauch bereits untersagt. Bayern tut es ihnen seit Kurzem gleich. In Schulen dieser Länder gibt es sogar Minuspunkte für das Gendern im Schriftgebrauch.
In Bremen ist es noch nicht so weit, ausführlich debattiert wird es hier dennoch. Laut einer Statistik von Mathias Brandt aus 2023 ist in den Bundesländern Bremen und dem Saarland das Gendern in allgemeinbildenden Schulen sogar ausdrücklich erlaubt. In allen anderen zehn Bundesländern, die es weder verbieten noch ausdrücklich erlauben, ist es jedem frei zu gendern.
Wenn die Studentin Hausarbeiten oder Ähnliches schreibt, dann schreibt sie für alle und nicht nur für Männer, das müsse klar werden. Dazu gehören Frauen und auch trans* und inter*geschlechtliche sowie non-binäre Personen.
Was macht die Uni Bremen?
Das Bundesland Bremen und auch die Uni Bremen raten zum Gendern, um eine genderneutrale und faire Atmosphäre zu schaffen. Das Referat 4 „Chancengleichheit & Diversität“ bietet einige Informationen zur geschlechtergerechten Sprache, auf der Homepage der Universität Bremen. Unter dem Titel der Erklärung ,,Weil Worte Wirken“, spricht sich die Uni ganz klar für eine geschlechtersensiblen Umgang mit Wort und Schrift aus. Um alle Personen miteinzubeziehen, wird auf einen Sprachgebrauch mit dem generischen Maskulinum verzichtet. Stattdessen wird an der Uni Bremen der Gender-Stern oder der Doppelpunkt für eine geschlechterneutrale Sprache genutzt.
Uni Bremen als Vorreiter im Gendern
„Mich freut es total, dass sich meine Uni für diesen Umgang mit Sprache entschieden hat“, so Mareike. Diese Tatsache bestätigt nochmals, dass sie mit der Uni Bremen den richtigen Ort für ihre Bildung gewählt hat. Die Studierenden und Dozierenden seien hier ,,total offen“ und fördern die geschlechterneutrale Sprache auf vielen Ebenen. Mit diesen Meinungen, dass das Gendern von hoher Wichtigkeit ist, gehören Mareike und andere Studierende der Uni jedoch zu einer Minderheit in Deutschland. Laut einer Umfrage eines Marktforschungsinstituts aus 2023 gehören sie damit nur zu den Wenigen als der insgesamt über 3.500 Befragten. Ungefähr die Hälfte aller Befragten halten den Gebrauch von gendergerechter Sprache für sehr unwichtig.
Genderpflicht statt -verbot?
Während auf der einen Seite über ein Genderverbot diskutiert wird, fragen sich manche auf der anderen Seite ob eine Pflicht des Genderns in Schulen, Unis und anderen öffentlichen Einrichtungen eingeführt wird.
Zwar liegt es in Bremen und an der Uni noch nicht nah ein Verbot einzuführen, spannend ist der Diskurs dennoch, erkennt Mareike. Für die Bremer Studentin ist die Einführung aber kein realistischer Gedanke. „Es würde sich bestimmt für viele wie ein Zwang anfühlen“, argumentiert sie. Nur, weil sie es für wichtig hält zu gendern, muss es nicht jeder tun. Jedoch habe sie, so die 22-Jährige, auch noch nie jemanden an der Uni Bremen erlebt, der sich ausdrücklich gegen das Gendern stellt. „Vielleicht liegt es daran, dass man hier sehr gut über die Thematik aufgeklärt wird“, schildert sie.
von Britt Bäumer