Trotz politischer Versprechen wurde zum Jahreswechsel die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von sieben auf 19 Prozent angehoben. Auch davon betroffen ist Khaled Boufenit – der junge Ladenbesitzer des Gaston Flammkuchen erzählt, wie er trotz erhöhter Preise seinen Kund*innen gegenüber treu und fair bleibt, was das Ende der gesenkten Mehrwertsteuer für Gastronomie und Gesellschaft bedeutet und wie die Prognosen für das Gaston Flammkuchen stehen.
Ein modernes Restaurant mit warmen Lichtern und fröhlicher Hintergrundmusik empfängt die Gäst*innen. Der verlockende Duft aus der Küche und die ansprechend präsentierten Getränke auf den Tischen versprechen einen angenehmen Abend. Khaled Boufenit, Ladenbesitzer des Gaston Flammkuchen in der Bremer Überseestadt, empfängt die Gäst*innen mit einem Lächeln auf den Lippen. Vor ihm liegt die Speise- und Getränkekarte – und überraschender scheinen die Preise auf den ersten Blick durchaus bezahlbar zu sein. Und dass, obwohl die Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent erhöht wurde?
Zum Jahreswechsel hat sich die Bundesregierung darauf geeinigt, die gesenkte Mehrwertsteuer von 7 Prozent wieder auf 19 Prozent anzuheben. Sie wurde als Antwort auf die außergewöhnlichen Umstände der Corona-Pandemie eingeführt und in den folgenden Jahren aufgrund der hohen Inflationsrate beibehalten. Nach langer Unklarheit, ob die Erhöhung der Mehrwertsteuer tatsächlich umgesetzt werden soll, fast Olaf Scholz Ende 2023 den endgültigen Entschluss. Der Grund: Die Pandemie sei vorbei und das Geld würden an anderen Stellen fehlen. Die Schätzung liegt bei 3,6 Milliarden Euro, die im Jahr weniger eingenommen werden. Bereits Ende des Jahres 2023 hat die Erhöhung der Mehrwertsteuern die Schlagzeilen der Medien übernommen und ist damit auch nicht an Khaled Boufenit vorbeigegangen. Mit der Ladeneröffnung im September 2022 ist Boufenit den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Gastronomie entkommen und konnte die Kosten für Essen und Trinken aufgrund der bereits gesenkten Mehrwertsteuern von 7 Prozent erschwinglich festlegen. Damals machte er sich noch keine Gedanken zu der potenziellen Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer.
Von Scholz versprochen, von Scholz gebrochen
Khaled Boufenit erklärt: „Es hieß ja damals auch, dass sie bei 7 Prozent bleiben soll. Ich habe mich also null damit befasst, dass die Mehrwertsteuer wieder steigen könnte.“ Um genau zu sein, lautete es damals sogar „[d]as schaffen wir nie wieder ab“, so Olaf Scholz Ende 2022. Er selbst habe der Verlängerungsentscheidung zugestimmt und versicherte damit die Erhaltung der gesenkten Mehrwertsteuer für die Gastronomie. Aus diesem Grund war die Enttäuschung der Gastronom*innen umso größer, als dieses Versprechen von Olaf Scholz wiederum gebrochen wurde. Seither bangen sie um ihre Existenz. „Ist schon schwierig, weil alles teurer wird: Transport, Gemüse und Obst. Wir kriegen wöchentlich irgendwelche Preiserhöhungen rein. Und jetzt nochmal die Erhöhung? Ja, es ist superschwierig“. Im Umkehrschluss bedeutet das nichts anderes als erhöhte Essens- und Getränkekosten, die wiederum bei den Kund*innen ankommen.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer stellt demnach nicht nur seitens der Gastronomie eine große Hürde dar, sondern wirkt sich auch auf die Kund*innen aus. Einhergehend mit den erhöhten Strom-, Gas- und Lebensmittelpreisen, die wiederum der steigenden Inflationsrate in Deutschland zuzuschreiben sind, wird es nicht nur für die Gastronomie Branche schwierig sich über Wasser zu halten. Auch die Portemonnaies der Kund*innen werden dadurch immer dünner und die Ausgaben für Freizeitaktivitäten immer geringer. Als Resultat dieser Umstände können es sich immer mehr Menschen, darunter vor allem Geringverdiener*innen, aber auch Student*innen, schlichtweg nicht mehr leisten essen zu gehen. Das gebrochene Versprechen einer dauerhaft gesenkten Mehrwertsteuer seitens der deutschen Bundesregierung enttäuscht somit nicht nur die Gastronom*innen, sondern auch die allgemeine Gesellschaft.
Das Ausmaß der finanziellen Lage
Als das Gaston Flammkuchen damals seine Eröffnung feierte, hat Khaled Boufenit die Preise so günstig wie möglich festgelegt: „Wäre die Mehrwertsteuern nicht gestiegen, hätten wir die Preise nicht erhöht“. Der Ladenbesitzer unterlag letztendlich dem Zwang, die Preise zu erhöhen, um seine Existenz und die des Restaurants vorerst sicherzustellen. Dabei ist er wie folgt vorgegangen: „Ich habe einfach nur gerechnet und versucht, die Mehrwertsteuer nicht zu 100 Prozent an die Kund*innen abzugeben“. Lag der Preis für ein Flammkuchen-All-You-Can-Eat im September 2022 noch bei 19,50 Euro, so kostet das Schlemmern im großen Stil heute satte 24,50 Euro. Es handelt sich also um eine Preiserhöhung von 5 Euro innerhalb von weniger als eineinhalb Jahren. Das ist im Vergleichen zur Konkurrenz zwar immer noch deutlich günstiger, aber dennoch ein starkes Stück, dass sich nicht jedermann leisten kann.
Es stellt sich demnach die Frage, wie die Kund*innen diese rapide Preissteigerung annehmen werden. Sollten die Gäste nämlich die Kosten für das Essen und Trinken in einem Restaurant nicht mehr tolerieren, sieht es nicht nur für das Gaston Flammkuchen schlecht aus. Bei der Frage, ob der Ladenbesitzer einen Notfallplan besitzen würde, muss er befangen passen: „Notfall ist schwierig. Ich glaube nicht. Mehr Personal kann man nicht sparen, weil wir da wirklich schon sehr effizient sind. Sollte der Laden jetzt super wenig besucht werden, könnte man nicht lange überleben.“
Ein Hoffnungsschimmer am Horizont der gastronomischen Branche
Eine Studie der Allgemeinen Hotel- und Gastronomiezeitung (ahgz) macht der Gastronomie und damit auch Khaled Boufenit Hoffnung. Sie beschäftigt sich mit der generellen Bereitschaft von Gästen, die Preiserhöhungen anzunehmen und klärt darüber auf, unter welchen Bedingungen diese akzeptiert wird. Überraschenderweise stehen die Zahlen der Studie im Widerspruch zu den bisherigen Befürchtungen: Tatsächlich akzeptieren ganze 65 Prozent der Befragten eine Preiserhöhung zwischen fünf und zehn Prozent. Zwölf Prozent der Befragten waren sogar bereit, die Ausgaben um 15 Prozent oder mehr zu steigern.
Dieser Tribut geht jedoch mit einer klaren Bedingung einher. Den Gästen sei eine Sache nämlich besonders wichtig – Transparenz und Kommunikation. Es geht also zentral um die Frage, wofür die Gäste ihr Geld ausgeben. Der Wunsch nach Aufklärung und fairen Bedingungen innerhalb der Gastronomie nimmt mit den steigenden Preisen zu und sorgt dafür, dass die Besucher*innen ihre Gastronomie des Vertrauens nach dem alt bewerten Preis-Leistungsverhältnis aussuchen – die Akzeptanz erhöhter Preise gegen Transparenz, Kommunikation und Fairness. Zum Glück hat Ladenbesitzer Boufenit davon genug im Petto: „Wir sind immer noch fair mit den Preisen, machen leckeres Essen und haben guten Service.“ Als junger Unternehmer ist Boufenit bemüht seinen Kund*innen gegenüber treu zu bleiben und allen voran leckeres Essen zu servieren.
Ausblick für das Jahr 2024: „Ich hab’s mir schlimmer vorgestellt“
Ein Blick in die Speisekarte verrät, dass Boufenit nicht gelogen hat, als er meinte, dass sein Restaurant mit fairen Preisen, Kundenfreundlichkeit und Geschmack überzeugen würde. Der Klassiker unter den Flammkuchen nach elsässischer Art kostet gerade mal 12,90 Euro und überzeugt geschmacklich zu einhundert Prozent. Und tatsächlich spiegeln sich die Aussagen der Studie auch in der Reaktion der Besucher*innen des Gaston Flammkuchen wider. Bei der Frage, wie die Kund*innen im Januar bisher auf die Preiserhöhung reagiert haben, antwortet der Ladenbesitzer mit Erleichterung: „Alle hatten Verständnis dafür. Ich habe hier bisher keinen Gast gehabt, der gesagt hat, wir seien zu teuer. Davor hatte ich tatsächlich auch Riesenangst.“ Die ersten Wochen seien überstanden und er hätte es sich deutlich schlimmer vorgestellt.
Noch befindet sich die gastronomische Branche im ersten Quartal des Jahres 2024, weshalb keine genauen Prognosen für die Zukunft des Gaston Flammkuchen aufgestellt werden können. Die Zahlen der ahgz-Studie sind jedoch vielversprechend und lassen darauf schließen, dass diejenigen, die es sich vielleicht eher leisten können als andere, trotz steigender Preise, dem Restaurant einen Besuch abstatten. Nichtsdestoweniger ist das eigentliche Problem, nämlich die allgemeinen Preissteigerungen innerhalb der letzten Jahre, damit nicht behoben und das Gaston Flammkuchen auch nicht gerettet. Dafür bedarf es mehr als nur Kundentreue und Akzeptanz.
Die ersten Gäste trudeln langsam ein und ein junge Gruppe Student*innen betritt den Laden. Lachend nehmen sie Platz und freuen sich auf ihr bevorstehendes Essen. Für sie sind Restaurants insbesondere nach Zeiten von Corona viel mehr, als nur Essen gehen – sie sind Ort des Geschehens. Orte der Begegnung. Läden wie das Gaston Flammkuchen sind Orte, um zusammenzukommen und um ein Miteinander zu genießen. Man zahlt eben nicht nur für das Essen, sondern auch für das Ambiente, das ein Restaurant mit sich bringt. Jedes für sich einzigartig und einen Besuch wert – so auch das Gaston Flammkuchen.
von Sandra Kretz