Rund sieben Millionen Deutsche fahren nach Angaben des Deutschen Skiverbandes regelmäßig Ski oder Snowboard, die meisten davon reisen nach Österreich. Die aktuelle Saison sollte für diese Wintersportler nach den pandemiebeschränkten Jahren eine gute werden. Doch diesmal ist es nicht die Pandemie, die einen Strich durch die Rechnung zieht, sondern das Wetter. Krosse berichtet über den problematischen Winter und den Versuch, ihn zu retten.
„Wie ich dachte, dass mein Skiurlaub in Österreich aussehen wird.“ – „Wie er wirklich aussieht.“
Diese beiden Sätze stammen aus dem wohl zurzeit sehr beliebten Videotrend auf Social Media. Gezeigt werden zuerst wunderschöne Schneelandschaften, weiße Tannen und traumhaft präparierte Skipisten. Doch die Ernüchterung folgt bald, denn nur kurz darauf spiegelt sich die Realität in Form von grünen Hängen, Steinen sowie Erde auf der Piste und schmelzendem Schnee wider – und die Ersteller sind mitten in dieser Landschaft.
Mittlerweile scheint es ein Trend zu sein, sich zwischen der grünen Landschaft in dem letzten Rest Schnee zu filmen. Vielleicht entstehen diese Videos, um der Außenwelt mitzuteilen, was gerade in den Skigebieten passiert. Vielleicht dienen sie aber auch dazu, der Bestürzung der Wintergäste Ausdruck zu verleihen. Und es funktioniert, denn die Videos gehen viral, – viele sind entsetzt über die Schnee- und Pistenverhältnisse.
Doch das Entsetzen gilt nicht nur dem fehlenden Schnee, sondern auch der Menschen, die trotz dieser Verhältnisse noch weiter auf das Ski- und Snowboardfahren beharren. Denn der Wintersport gilt vor allem im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Umwelt schon immer als sehr umstritten. Der verurteilende Blick gegenüber allen Wintersportlern trifft nun also auf die beunruhigende Klimalage. Und da stellt sich augenblicklich die Frage: Wie geht es weiter mit dem Wintersport? Hat der Skitourismus noch eine Zukunft?
Gemischtestes Empfinden bei allen Beteiligten
Während die einen bereits ihren Winterurlaub gefährdet sehen und die anderen fortan nur noch mit Stornierungsmöglichkeit buchen, macht sich die Geschäftsführerin eines Skigebiets in Österreich noch nicht allzu viele Sorgen. So verweist sie gegenüber KROSSE auf die Erfahrungen der letzten Winter und geht weder von einer verkürzten Skisaison noch von einem generellen Abgang des Tourismus in ihrem Gebiet aus: Das Skigebiet „erreichte im Dezember ein zweistelliges Nächtigungsplus gegenüber 2021 – die derzeitige Buchungslage ist für den Jänner sehr gut! Weiter nach vorne blicken wird immer schwieriger, aber wir sollten an 2019 anschließen können.“ Da ihr Gebiet aufgrund der durchschnittlichen Größe und der Lage hauptsächlich Familien anspricht, stellt auch die Möglichkeit der Abwanderung in höherliegende Skigebiete keine große Gefahr dar.
Doch ein bereits sehr erfahrener Skifahrer, der über Neujahr mit seinen Freunden im Skiurlaub war, ist anderer Meinung: „Ich fahre schon viele Jahre Ski und in den vergangenen Jahren habe ich einiges erlebt: Skipisten ganz aus Eis, drei Meter Tiefschnee oder strahlender Sonnenschein. Was ich aber noch nicht erlebt habe, ist ein Skigebiet mit so wenig Schnee und Silvester bei plus 10 Grad. Das nächste Mal werde ich mir also definitiv wieder ein Gletschergebiet oder generell ein Skigebiet aussuchen, wo es eine bessere Schneegarantie gibt.“
Die Wetterverhältnisse fordern kreative Ideen
Es herrscht bei den Beteiligten in der Wintersportbranche also ein unterschiedliches Empfinden, doch klar ist: Keiner will das Skifahren aufgeben. Und vielleicht sind vor allem die Skigebiete gerade noch so zuversichtlich, da sie sich bereits weiterentwickeln und nicht nur am Ski- und Snowboardsport festhalten: „Problematische Schnee- und Witterungsverhältnisse haben wir in den letzten Jahrzehnten schon viele überstanden. Natürlich erweitern wir unser Portfolio an Aktivitäten und stellen das Erlebnis ‚Winter‘ mit all seinen Facetten in den Vordergrund.“ So werden dann zum Beispiel diverse andere Aktivitäten wie der Besuch in Nationalparkzentren, das Wandern in der Natur (mit oder ohne Alpaka) oder Pferdekutschenfahrten angeboten.
Für alle steht also fest, dass die Wetterverhältnisse in diesem Jahr wohl nicht ein Einzelfall bleiben. Doch dass die Zukunft des Wintersports gerettet werden soll, zeigt nicht nur die Ausbreitung des Portfolios der einzelnen Skigebiete, sondern auch bereits andere eingesetzte Verfahren. Denn die bisher genutzte klassische, strombetriebene Schneekanone, die bei schlechten Tagen aushilft, reicht nicht mehr. Sie hat vor allem in dieser Wintersaison ausgedient, denn die warmen Temperaturen erschweren den Einsatz deutlich.
Es müssen also weitere Ideen her. So gibt es in der Schweiz bereits Snowfarming, bei dem der Schnee auf dem Gletscher mit Stoffbahnen abgedeckt wird, damit er im Sommer nicht schmelzen kann. Andere Forscher versuchen wiederum das Gletscherwasser zu Schnee zu machen. Doch diese aktuellen Methoden sind sehr kostspielig, verbrauchen viele Mengen an Wasser und Strom und sind nur begrenzt einsetzbar. Und auch der Versuch in der Schweiz Schnee mit dem Helikopter einzufliegen, scheiterte. Lediglich die Idee eines Skilift-Betreibers in Oberaudorf scheint fürs Erste Potenzial zu haben: Er denkt schon lange über eine Schneealternative nach und hat in dieser Saison zum ersten Mal eine Piste mit Kunststoff-Quadraten bedeckt, auf denen man genauso fahren kann wie auf Schnee.
Die Zukunft steht in den Sternen
Man sieht, die aktuelle Lage scheint vor allem die Kreativität der Menschen zu fordern. Ob diese Lösungsmöglichkeiten allerdings so nachhaltig sind und ob es für die gesamte Umwelt nicht besser wäre, wenn der Wintersport in den nächsten Jahren nicht einfach ausstirbt, ist eine andere Frage. Gegenüber dem Umweltaspekt stehen schließlich die enorme wirtschaftliche Bedeutung für viele Regionen und die existenzielle Abhängigkeit der Privatleute. Vielleicht ist hier aber auch ein Mittelweg denkbar, welcher den Wintersport ermöglicht, solange es noch natürlichen Schnee gibt. Wintersport ist ein schwieriges Thema und es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die optimale Lösung gefunden ist. Klar ist jedoch, dass sowohl die Wintersportbranche als auch die Wintersportler selbst ihre Leidenschaft nicht einfach aufgeben wollen und für eine Zukunft kämpfen werden.
Von Franziska Bücker