Frederike Oberheim ist der Kopf der Fridays-for-Future Bewegung in Bremen. Im Interview erzählt uns die Studentin die Ursprungsgeschichte von FFF Bremen und was passieren müsste, damit sie nicht mehr auf die Straße geht.
Hey Frederike, du bist eine der leitenden Organisatoren der Fridays-for-Future Bewegung in Bremen. Wie seid ihr entstanden und was bietet ihr neben den Demos an für Veranstaltungen an?
In Bremen starten wir wie auch in vielen anderen Städten zuerst mit Schülerprotesten gegen die aktuelle Klimapolitik. Wir Studis kamen erst später hinzu. Die erste Demo die angemeldet wurde, fand am ersten Freitag im Januar (2019, Anm. d. Red.) mit 15 Personen statt. Am darauffolgenden Freitag waren wir schon 250 Personen. Mittlerweile haben sich auch viele Gruppen uns angeschlossen. Da ist alles dabei. Von der interventionistischen Linken bis zur evangelischen Kirche.
Startet ihr neben den Protesten noch weitere Aktionen?
Bremen ist mit der Klimawerkstatt, Greenpeace und BUND und deren Veranstaltungen gut aufgestellt. Dennoch starteten wir beispielsweise nach der Demo am 20. September eine Veranstaltungswoche zum Thema Klimaschutz.
Bremen wird seit diesem Jahr von einem neuen, alten Senat regiert. Wie zufrieden ist FFF Bremen eigentlich mit der Politik von Rot-Grün-Rot?
Bei den Koalitionsverhandlungen sind wir natürlich mit am Ball geblieben und haben an der ein oder anderen Stelle mit unseren Forderungen Einfluss genommen. Generell ist es so, dass die Politik seit den Europawahlen die Forderungen nach einem besseren Klimaschutz stärker wahrnimmt und uns zu Gesprächen einlädt. Um auf die Bremer Koalition zurückzukommen, muss ich sagen, dass vieles hinter unseren Erwartungen blieb. So möchte man bis 2030 den CO2-Verbrauch um 80 Prozent reduzieren, aber wir brauchen eine 100-prozentige Reduktion.
Wenn ihr nicht mit der Politik zufrieden seid, warum gründet ihr dann keine Partei?
Wenn wir in die Parlamente einziehen würden, ginge meiner Meinung nach, der Aktivismus verloren. Man sieht das ja bei den Grünen. Sie fordern heute auch nicht mehr das, was sie in den 68er Protesten gefordert haben.
Würdest du eure Protestbewegung mit der, der 68er Jahre vergleichen?
Ja aufjedenfall. Unsere Ideale sind ähnlich. Die 68er Proteste sind noch mit einer stärkeren Friedenskomponente verbunden. Doch auch bei uns spielt Frieden eine sehr wichtige Rolle, da ohne ihn kein funktionierender Klimaschutz möglich ist.
Und was ist, wenn jemand auf eurer Demo zu dir kommt und dich fragt, was er demnächst wählen soll?
Dann werde ich ihm keine Empfehlung aussprechen. Keine Partei setzt aktuell die nötigen Forderungen für einen effektiven Klimaschutz um. Natürlich gibt es auch progressivere Kräfte, aber da muss man aufpassen inwiefern dort Greenwashing betrieben wird. Trotzdem sollte jeder natürlich wählen gehen
Du selbst kommst gar nicht direkt aus Bremen, sondern vom Land. Warst du schon früher sehr an Umwelt interessiert oder wie hat sich das entwickelt?
Ich bin relativ früh zum Naturschutzbund (NABU) gegangen. Irgendwie liegt mir die Natur ziemlich am Herzen. Das liegt wahrscheinlich auch an meinen Eltern, die auch sehr naturverbunden sind. Außerdem habe ich mich schon früh für das Klima und dessen Schutz eingesetzt. . Ich lebe schon lange vegan, bin kaum Auto gefahren und bis jetzt nur einmal geflogen.
Im ländlichen Raum ist die Meinung zum Klima durchaus differenzierter als in der Stadt. Bemerkst du dort einen Unterschied?
Man kann das nicht so direkt sagen. Fridays-for-Future besteht aus 700 Ortsgruppen und Verbände zu denen auch zum Beispiel Farmers-for-Future gehören, die sich auch für die Rettung des Planeten stark machen. Auch eine größere Verbundenheit zur Natur ist auf dem Land vertreten. Es ist aber auch logisch, dass wenn man beispielsweise einen eigenen Hof besitzt, der Massentierhaltung betreibt, eine andere Sicht auf die Dinge haben kann.
Sind diese polarisierenden Bewertungen also gefährlich für eine anscheinend immer weiter auseinanderdriftende Gesellschaft?
Ja das kann gefährlich sein. Wir als junge Menschen können aber nichts für die Ursachen einer sich spaltenden Gesellschaft. Wir sollten uns nicht als Schuldige für die z.B steigende Diskrepanz zwischen Arm und Reich sehen.
Inwiefern ist für dich aktiver Klimaschutz auch eine Systemfrage, in politischer und ökonomischer Hinsicht?
Das ist eine sehr große Systemfrage. Momentan haben Lobbyisten und Wirtschaftsverbände gravierenden Einfluss auf die Politik. Das kann so nicht weiter gehen. Es muss ein ganz großes Umdenken stattfinden. Anstatt Wirtschaftswachstum sollten Lösungen gefunden werden, um die Ökonomie ökologischer und gleichzeitig sozial verträglicher zu gestalten.
Wie soll dieses System aussehen?
Postwachsstumsstrategien statt Wachstumsparadigmen. Ein System, welches in das soziale Gerechtigkeit und eine wirkliche Sozialsicherung implementiert ist.
Ab wann wäre für dich der Punkt eingetreten bei dem du sagen würdest, dass es keinen Sinn mehr macht zu demonstrieren?
Wenn gewisse Phasen und Kettenreaktionen eintreten würden und die Wissenschaft zu dem Schluss kommt, dass die Erde nicht mehr zu retten ist. Traurig hierbei ist, dass wir schon jetzt einige Grenzen überschritten haben. Die Erde hat sich schon erwärmt, Tiere sterben und der Ozean verliert an Sauerstoffgehalt. Dass Küsten überschwemmt werden, ist schon so gut wie sicher. Bangladesch, Kalkutta oder das Finanzzentrum New York wird es nicht mehr lange geben.
Glaubst du bei so vielen negativen Entwicklungen und wenig effektiven Maßnahmen ehrlich noch an die Rettung des Planeten?
Es wird ehrlich gesagt von Minute zu Minute unrealistischer. Doch das motiviert mich noch intensiver für die Klimarettung einzutreten. Es wird super knapp und wir werden so oder so die Konsequenzen zu spüren bekommen.
Große Demonstrationen sind wegen der aktuellen Corona-Lage unmöglich. Welche Formen des Protests nutzt ihr momentan?
Es findet jede Woche der Netzstreik über eine Videokonferenz statt. Außerdem haben wir die Talks for Future, bei denen jeden Freitag im YouTube-Livestream Gespräche mit Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen aus aller Welt stattfinden.
Gleichzeitig gibt es an jedem Wochentag Webinare von unserer Kampagne “Wir Bilden Zukunft”. Das sind Online-Vorträge zu den verschiedensten Themen. Von Energiewende über Wirtschaftspolitik bis zum Q&A mit Greta ist da alles dabei. Außerdem nutzen wir die Zeit natürlich auch, um uns intern fortzubilden, an strukturellen Fragen zu arbeiten oder die nächsten Aktionen für die Zeit nach Corona vorzubereiten.
Welche Folgen hat die Corona-Krise auf die aktuelle und zukünftige Klimapolitik?
Aktuell erleben wir in der Politik, dass die Klimapolitik wieder komplett vernachlässigt wird. Manche Ziele die schon vorher nicht ausreichend waren, werden wieder aufgeweicht. Das können wir natürlich nicht akzeptieren.
Wir glauben aber auch, dass sich gesellschaftlich gerade sehr, sehr viel verändert. Überall sehen wir Zeichen von Solidarität und der Bereitschaft, für das Gemeinwohl etwas zu verändern. Wir sollten die aktuelle Situation so nutzen, dass wir am Ende nicht mehr zum “Business as Usual” zurückkehren sondern eine sozio-ökologische Wende einleiten.
Info:
Klimastreik trotz Corona: Die aktuellen Corona-Beschränkungen machen die zuvor wöchentlich abgehaltenen Klimademonstrationen von Fridays-for-Future unmöglich. Trotzdem hört die Bewegung nicht auf weiter für einen besseren Umweltschutz zu kämpfen. Beim sogenannten globalen Netzstreik fürs Klima fordert die Bewegung dazu auf, sichtbar Demoschilder an Fenster, Briefkästen oder am Baum vor der Haustür zu platzieren. Gleichzeitig soll über einen Livestream mit Live-Konzerten, Mitmach-Formaten und internationalen Gästen demonstriert werden. Auch Fridays-for-Future Bremen ist dabei und ruft auf Instagram zur Teilnahme auf.
von Moritz Gammersbach
Foto: Benedict Neugebauer