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Dinner in the Dark: Schmecken ohne Sehsinn

12. Dezember 2019

Wie ist es wohl, sich in absoluter Dunkelheit zu befinden und dabei zu essen? Das vor allem Blinde ihre Sinne wie Hören, Tasten, Riechen und vor allem Schmecken besser nutzen können, ist bekannt. Doch kann ich das auch von jetzt auf gleich? Im Hamburger Dunkelrestaurant unsicht-Bar habe ich getestet, ob meine Sinne auch ohne den Sehsinn genauso gut funktionieren wie ich es gewohnt bin. Ein schmackhaftes Dunkel-Dinner oder die reinste Vollkleckerei?

Ein Geschmackserlebnis in völliger Dunkelheit: Dunkelrestaurants, welche das sogenannte “Dinner in the Dark” anbieten, werden in zahlreichen Städten immer beliebter. Die unsicht-Bar in Hamburg ist so ein Restaurant und verspricht ein Geschmackserlebnis in völliger Schwärze. Und diese Dunkelheit meint nicht die, die man verspürt, wenn man die Augen schließt, sondern eine totale, absolute , in der ich meine eigene Hand nicht mehr vor den Augen erkennen kann. In der unsicht-Bar angekommen, haben mein Freund und ich als erstes eine kleine Einführung über den Ablauf des Abends und eine Art Verhaltenskodex an die Hand bekommen. Auf Handys, Smartwatches und jegliche andere Leuchtmittel mussten wir verzichten. Anstatt einer Speisekarte haben wir eine Auswahl zwischen verschiedenen Menüs erhalten, welche rätselhaft umschrieben wurden. “Federvieh sonnt sich, nackt unter Palmen, und knackt Nüsse”, so die Beschreibung zu dem Hauptgericht eines Menüs. Insgesamt gab es vier, unter anderem auch ein vegetarisches und ein Überraschungsmenü mit jeweils drei Gängen. Die Idee dahinter ist, selbst herauszuschmecken, was man isst, ohne es vorher genau zu wissen. Nach der Menü- und Getränkewahl im Hellen ging es dann los. Mithilfe eines uns zugewiesenen Kellners ging es ins Restaurant.

Und plötzlich war es stockdunkel

“Schließt am Anfang lieber die Augen, dann könnt ihr euch Stück für Stück an die Dunkelheit gewöhnen”, sagte uns der Kellner, als wir an seinen Schultern festhaltend den Raum betraten.  In kleinen Schritten wurden wir zu unserem Tisch geleitet. Auf dem Weg nahm ich viele Stimmen wahr, Menschen unterhielten sich laut miteinander und auch das Klappern von Tellern beim Abräumen hörte ich lauter als sonst. Meine Orientierung war weg. Zum Glück setzten wir uns schnell an unsren Tisch, sofern man es schnell nennen kann. Schließlich musste ich meinen Stuhl erst einmal ertasten. Erst war es ein fast schon beängstigendes Gefühl in dieser totalen Finsternis. Aber nachdem wir uns langsam zu recht gefunden hatten, hörte ich den Kellner auch schon rufen: ”Tisch 54 einmal die Getränke! Tisch 54!”. Endlich. Ich bekam ein Stückchen Orientierung zurück und die Getränke, die uns halfen, sich von der ungewohnten Situation abzulenken.

Vom Erschmecken und Ertasten

Der erste Gang war eine Suppe. Das Essen gestaltete sich noch recht einfach, denn es musste nichts mit dem Messer geschnitten werden. Ich konnte mich so langsam an das Essen rantasten. Doch auch das war gar nicht so einfach und so habe ich ausversehen den Teelöffel gegriffen. Während des Essens wurde mir immer mehr bewusst, wie selbstverständlich ich den Sehsinn immer genommen habe. Was sonst für mich eine Routine war, wurde in der unsicht-Bar zur Herausforderung.
Nach der Suppe folgte dann der Hauptgang und der Schwierigkeitsgrad des Essens erhöhte sich. Wie groß ist der Teller überhaupt? Und wie tief? Die Gewohnheit, mit den Augen zu prüfen auf was ich mich essens-technisch einstellen muss, haben hier die Hände übernommen. Dann ging die Stocherei auch schon los. Immer wieder entdeckte ich neue Beilagen und hatte entweder ein ganzes Hähnchenfilet auf der Gabel oder gar nichts. Letztendlich habe ich es dann doch geschafft, die Hauptspeise aufzuessen. Zumindest dachte ich das. Danach grübelte ich darüber, was genau ich alles gegessen hatte. Mein Fazit: Ich habe nicht alles Erschmecken können. Beim Nachtisch war ich mir aber zu einhundert Prozent sicher: Es war Eis! Doch welche Sorte? Meine Überlegung war Vanille, oder vielleicht doch Banane? Am Ende stellte sich dann heraus, dass es weiße Schokolade war. Da wäre ich niemals draufgekommen.

Orientierung im Dunkeln

Im Dunkelrestaurant waren ich und meine Geschmacksnerven sichtlich verwirrt, denn durch das Sehen ist es wesentlich einfacher, den Geschmack festzustellen und sich vor allem daran zu erinnern. Und von der Orientierung des Kellners war ich echt beeindruckt. Also fragte ich ihn, wie er sich denn hier zurechtfinden würde. Er erzählte, dass er den Raum anfangs zigmal abgelaufen sei, um ihn sich genau einprägen zu können. Außerdem verständigen die Kollegen sich untereinander mit Pfeif- und Schnalzgeräuschen, um Kollisionen zu vermeiden. Um in der unsicht-Bar als Kellner arbeiten zu dürfen, muss eine Sehbehinderung vorliegen, erklärte er uns. Manche der Kollegen sind auch blind. Und ansonsten? Ganz viel kommunizieren, auch um die Gäste nicht zu erschrecken, wenn Essen und Getränke serviert werden. „Seid ihr bereit wieder nach draußen zu gehen?”, fragte uns der Kellner und so ging es dann in kleinen, vorsichtigen Schritten Richtung Ausgang. Das Dunkel-Dinner war ein einzigartiges Erlebnis, doch als wir draußen waren, freute ich mich umso mehr wieder sehen zu können, auch wenn das Licht blendete. Erstaunlicherweise hat das Essen im Dunkeln sehr gut funktioniert, meine anderen Sinne ließen mich nicht im Stich. Ganz im Gegenteil: Denn besonders der Geschmackssinn ist verstärkt worden. Sehen zu können ist nicht selbstverständlich, und dass ich das täglich mehr schätzen sollte, wurde mir an diesem Abend bewusst.

von Annika Redmer

Bildquelle: Shajana Reuter (Instagram.com/shashayo)

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DinnerDinner in the darkDunkelheitHamburgunsicht-Bar
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Kulturbeutel  / Tests

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