Death Stranding ist das neue Spiel von Hideo Kojima und wurde seit drei Jahren angekündigt. Was es genau für ein Spiel werden würde, wusste niemand so genau. Jetzt ist es endlich erschienen. Wird es seinem Hype gerecht?
Hideo Kojima ist der Entwickler hinter den „Metal Gear“-Spielen und schon seit Jahrzehnten einer der größten Namen in der Videospielbranche. Bis vor vier Jahren hat er mit der Firma Konami seine Spiele veröffentlicht. 2015 trennten sich Konami und Kojima nach langem Konflikt voneinander. Darunter zu leiden hatte vor allem das angekündigte Spiel „Silent Hills “, dessen Produktion abgebrochen wurde. Als nach diesem Schock dann das neue Spiel „Death Stranding“ von Kojima auf der E3 2016 vorgestellt wurde, war die Euphorie entsprechend groß. Lange hat es gedauert, bis Kojima die ersten Spieltechniken präsentierte und es verbreitete sich eine leichte Verwirrung in der Gaming Community. Der Hauptcharakter ist ein Paketbote? Warum hat er so viele Leitern dabei? Und wieso ist da ein Baby im Glas an seinem Anzug? Klare Antworten gab es nicht und das ist auch gut so, denn das Spiel sollte als Mysterium erlebt werden und zu viele Informationen würden einiges kaputt machen.
Konservierte Babys als Alarmanlage und andere Kuriositäten
Denn die Handlung ist nicht so leicht zu fassen. Der von Norman Reedus dargestellte und gesprochene Sam ist Paketbote und verbindet die apokalyptisch zerstörte Gesellschaft Stück für Stück miteinander, indem er die Empfänger seiner zugestellten Pakete in einem Netzwerk zusammenschließt. Begleitet wird er dabei von BB-28, dem Baby im Glas. „BB“ steht für „Bridge-Baby“. Es sind Babys, die dem Leib ihrer toten Mutter entnommen wurden. Sie sind also „aus dem Tod geboren“ und damit eine Brücke zwischen dem Jenseits und dem Diesseits. Sie fungieren als Frühwarnsystem für die GDs („Gestrandete Dinge“), die unsichtbaren Monster, die im Diesseits gestrandet sind und die Menschheit bedrohen. Dann ist da noch die Frau, die fliegende Würmer isst und Charaktere mit den Namen Die-Hardman, Heartman und Deadman. Das alles ist total absurd und durchgedreht, aber genau das haben auch alle von Kojima erwartet.
Lange Wege mit vielen Hindernissen
Die Hauptaufgabe des Spiels besteht darin, durch die Welt zu laufen und seine Ware nicht zu verlieren, egal wie schwer das sein mag. Denn es ist wirklich schwer. Man muss die Last auf Rucksack und Anzug so verteilen, dass es einigermaßen möglich ist, das Gleichgewicht zu halten. Dazu kommen noch Flüsse, deren Strömung auch mal so stark sind, dass Sam den Halt verliert und seine Ware davon schwimmen sieht. Dann noch die immer mal wieder erscheinenden unsichtbaren „Gestrandeten Dinge“, die einen unstillbaren Hunger nach Menschen verspüren . Und natürlich gibt es auch Banditen, die wie ein Insektenschwarm über Sam herfallen und wirklich lästig werden können.
Um diese Gefahren also so klein wie möglich zu halten ist es wichtig, im Menü genau zu planen, wo was transportiert wird und ob es tatsächlich mitgenommen werden muss, um den Weg zu meistern. Das Menü ist leider eine mittelgroße Katastrophe und fast so komplex und kompliziert wie das Spiel selbst. Nicht nur, dass man alles fünf Mal bestätigen muss, viele Dinge werden nicht erklärt und man muss sich selbst zusammenreimen, wo welche Items gerade abgeblieben sind.
Hat man sich dann durch das Menü gekämpft und geht los, wird man bei längeren Strecken schnell daran erinnert, dass Sam ein Mensch ist und einen echt bescheidenen Job abbekommen hat. Seine Schuhe nutzen sich ab, er hat Rückenschmerzen und Durst, muss auch mal pinkeln und dazu kommt noch BB, das – wie ein normales Baby – auch mal schreit und beruhigt werden muss. Schnell ertappt man sich deshalb dabei, wie man mitten im Ödland das Baby im Glas schaukelt und dann ein kleines Schläfchen macht.
Hideo Kojima ist zurück
Death Stranding schafft es trotz repetitiven Spielmechanismen Spannung und Atmosphäre aufzubauen und diese auch über Stunden zu halten. Die Welt ist riesig und in ihrer Trostlosigkeit dennoch wunderschön. Die ab und zu eingespielten Lieder verhelfen zu einer melancholischen Atmosphäre. Aber so tragisch die Situation der Menschheit im Spiel auch sein mag: Kojima lässt es sich nicht nehmen Absurditäten, für die er bekannt ist, mit einfließen zu lassen. Das verleiht diesem sowieso schon sehr besonderen Spiel noch mehr Besonderheit. So muss man seinen weinenden Controller in den Armen wiegen, um BB zu beruhigen und Sam durchbricht regelmäßig die vierte Wand, wenn er dem Spieler zuzwinkert oder auffordernd auf die Dusche zeigt, wenn er sich dreckig fühlt.
Frustrierend, verwirrend – aber wahnsinnig gut
Das sind aber nicht die einzigen Überraschungen, die Death Stranding bereithält. Es enthält auch eine ganz besondere Art des Multiplayers. Spieler können Schilder in der Welt platzieren, die andere sehen können. Das können Warnungen vor Monstern sein oder einfach nur kleine „You can do it“-Nachrichten. Man kann auch verlorene Fracht von anderen Spielern finden und ihnen die dann wieder zukommen lassen, in der Welt platzierte Leitern und Seile sind auch für alle sichtbar und an Stellen, an denen viele sich ausgeruht haben, erscheinen kleine Steinhaufen.
Alles an Death Stranding ist anders, als man es erwartet hat. Es ist kein Actionspiel, sondern eine Mischung aus Strategie und Rollenspiel. Es fordert viel Geduld und Durchhaltevermögen, aber beides wird belohnt mit einem Kunstwerk, das eine ganz besondere Spielerfahrung bietet. Und so ist es mit diesem Kojima Werk eben auch wie mit nicht direkt zugänglicher, großer Kunst: Das Spielen mag zum Teil anstrengend und verwirrend sein, aber deshalb ist es eben auch besonders spannend und faszinierend.
Merle Oßmer
Bild: KniBaron from Bangkok, Thailand, DSC 8778 (43068233730), CC BY 2.0