Nach den Bürgerschaftswahlen konnte sich der Bremer Senat auf einen neuen Bürgermeister verständigen. Andreas Bovenschulte ist Nachfolger des bisherigen Bremer Bürgermeisters Carsten Sieling, der nach der Wahlniederlage von der SPD am 26. Mai seinen Rücktritt ankündigte. Bovenschulte übernimmt damit die Führung der ersten rot-rot-grünen Koalition in einem westdeutschen Bundesland.
Die rot-rot-grüne Koalition als Herausforderung
Andreas Bovenschulte möchte nach eigenen Aussagen gerne „ein Bürgermeister zum Anfassen“ sein, der seinen Bürgern ein offenes Ohr schenkt und sich von Anfang an einen Überblick über die verschiedenen Stadtteile verschafft. „Nur dort wo wir vor Ort sind, können wir die Menschen verstehen und ihr Vertrauen gewinnen“, sagt Bovenschulte in einem Interview mit Buten und Binnen.
Rund 47 der 82 anwesenden Abgeordneten im Bremer Senat konnte der langjährige Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Weyhe von sich überzeugen und wurde zum neuen Bremer Bürgermeister gewählt. Besondere Vorteile sieht der 54-Jährige in der geographischen Größe des Landes Bremen. „Wir haben die Möglichkeit, im überschaubaren Rahmen eines Zwei-Städte-Staates Dinge schneller auszuprobieren als in einem Flächenland“, so Bovenschulte. Die Koalition zwischen SPD, Grünen und Linken sieht er aber nicht unbedingt als Vorbild für gut funktionierende Politik auf Bundesebene an. In Bremen sei die Koalition in dieser Konstellation nur möglich, weil die Politik in dem Zweistädtestaat besonders von „kommunalen Aufgaben geprägt ist“, sagt Bovenschulte. In dieser Legislaturperiode will sich der SPD-Politiker besonders auf die Sektoren Wirtschaft, Bildung und Verkehr im Land Bremen konzentrieren.
Mehr Bildung in und für Bremen
Der größte Schwerpunkt der Landesregierung soll auf den Bildungssektor gelegt werden. „Das ist eine riesige Aufgabe, der wir uns mit voller Kraft widmen müssen – sonst wird das nichts“, betont Bovenschulte. Kein Wunder, für Bremen sieht es an dieser Stelle auch nicht sonderlich rosig aus. Bei der diesjährigen INSM-Bildungsmonitor-Studie hat Bremen den 14. Platz belegt und ist somit Vorvorletzer im Länder-Ranking. Im Vergleich zu allen anderen Bundesländern sind in Bremen die Bildungsausgaben pro Schüler am niedrigsten und auch die Schulabbrecherquote besonders hoch. Um dem entgegen zu wirken, haben sich die Parteien im jetzigen Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass bis 2028 die pro-Kopfausgaben der Schüler auf das Niveau der Ausgaben für Bildung anderer Stadtstaaten, wie Hamburg oder Berlin, angehoben werden. Auch Ganztagsschulen und Kindertagesstätten sollen durch Personal ordentlich aufgerüstet werden.
Die Ziele des Koalitionsvertrags
Bis zum Jahr 2023 will das Land Bremen komplett aus der Kohlestromversorgung aussteigen. Darüber hinaus sollen die öffentlichen Gebäude in Bremen künftig so effizient wie möglich gebaut werden. Außerdem soll ein nachhaltiges und klimafreundliches Gewerbegebiet in Bremerhaven entstehen, dass den Energiebedarf zu 100% aus Erneubaren Energien gewinnen will. Ein weiteres Plus im Koalitionsvertrag gibt es auch für die Studis: Da in Bremen werden besonders viele Akademiker an den Universitäten und Hochschulen ausgebildet werden, sollen in der nächsten Legislaturperioden mindestens 750 neue Wohnheimplätze in Bremen und Bremerhaven entstehen. So will Bremen für mehr Studenten werben und gleichermaßen für bezahlbaren Wohnraum werben.
In der künftigen Stadtentwicklung soll das Hauptaugenmerk besonders auf den Bau von neuen Wohnungen sowie auf die Mietpreisbremse gelegt werden. Dies gehöre zu den Zielen einer „sicheren und sauberen Stadt“, so Andreas Bovenschulte. Aber auch mit dem Thema Verkehr steht der Stadt eine große Aufgabe bevor. Ziele der Landesregierung ist beispielsweise eine Innenstadt, die bis 2030 komplett autofrei ist. Unteranderem soll durch den Bau drei neuer Weserbrücken für Radfahrer, das Netz aus Fahrradwegen verbessert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Agenda des Bürgermeisters ist der öffentliche Personennahverkehr. Besonders interessant sind Modelle, die in Zukunft für geringere Mobilitätskosten sorgen könnten. Im Gespräch sind hier kostenfreie Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr oder das 365-Euro-Ticket, bei dem man über ein Jahr jeden Tag pauschal 1€ für Bahnfahrten zahlt.
Finanzmittel werfen Steine in den Weg
Ob die einzelnen Punkte im Koalitionsvertrag wirklich erfüllt werden können und ob die knappen Finanzmittel Bremens von der rot-rot-grünen Koalition mit Bedacht ausgeben werden, bleibt abzuwarten. Inwieweit die Umsetzung der Pläne also realistisch ist, bleibt fraglich. Fest steht, dass sich der Senat an diesem Punkt um einen besonders guten Diskurs in der Bürgerschaft mit einem klarem Ergebnis bemühen muss. Dessen ist sich auch Bürgermeister Bovenschulte bewusst. Gerade für die Sozialdemokraten in Bremen ist es wohl so wichtig wie noch nie, das Bürgermeisteramt angemessen zu besetzen, um sich von der Wahlniederlage im Sommer 2019 erholen zu können. Ob und inwieweit Andreas Bovenschulte seinen Anteil dazu beitragen kann, werden wir schon bald sehen… oder auch nicht!
von Franziska Salewski
Bildquellen:
Jürgen Howaldt, RathausBremen-01-2, CC BY-SA 2.0 DE