Wissen über uns ist Macht: Donald Trump wusste die sozialen Medien gekonnt für seinen Vorteil zu nutzen. Seine Rhetorik war dabei allerdings oft zweitrangig, denn die amerikanische Bevölkerung wurde mithilfe sozialer Medien erst analysiert und dann manipuliert. Im letzten Teil unserer Serie „Trumps digitale Kriegsführung“ zeigen wir, wie diese gezielte Manipulation möglich werden konnte.
Die Echokammer Trump
Ob geliebt oder gehasst: Donald Trump scheint ein Künstler darin zu sein, einen bleibenden Eindruck bei den Menschen zu hinterlassen. Während seine markante Art sicherlich ein Grund dafür ist, sollten wir nicht vergessen, dass ihm im Wahlkampf viel geholfen wurde. Betrogen, beziehungsweise „digital gedopt“, hat er dabei nicht nur mit Scheindebatten von Bots im Netz, sondern auch bei der Wähleransprache. Die Firma Cambridge Analytica half Trump beispielsweise dabei, einen bleibenden Eindruck in der Bevölkerung zu erzeugen, ohne solche Social Bots zu verwenden. Der Konzern erstellte mithilfe von Big Data-Auswertungen, welche auf realen Facebookprofilen basierten, Verhaltensanalysen: Sogenannte „Voter Scores“ wurden von Trumps Team genutzt, um seine Wahlkampfthemen für bestimmte Zielgruppen anzupassen [31].
Die Beratungsfirma Cambridge Analytica wertete dabei besonders effektiv solche Daten aus. Nach eigenen Angaben nutzte sie Informationen von über 230 Millionen US-Bürgern (sowie von deren Freunden auf sozialen Netwerken) für „psychografische Analysen“ und „Behavioral Microtargeting“ [34]: Durch Programme wurden künstliche Kopien der User erstellt, die auf gesammelten Daten (Views, Likes, soziale Beziehungen) über diese basierten. Die von Computern imitierten Persönlichkeiten konnten im US-Wahlkampf nun taktisch genutzt werden. Ihnen wurden in Simulationen Aussagen und Wahlkampfparolen präsentiert, die Trump und sein Team für die Kampagne in Erwägung zogen. Die Computerprogramme von Cambridge Analytica rechneten dann aus, wie diese simulierten Wähler darauf reagieren hätten. Dabei soll unter anderem auch getestet worden sein, wie potenzielle Unterstützer Hillary Clintons vom Gang zur Wahlurne abgehalten werden konnten [35].
Battleground Optimizer Path to Victory
Wenn also erstmal klar ist, wie sehr Trump auf einen digitalen Wahlkampf im Netz gesetzt hat, überrascht es auch nicht weiter, dass der Chefredakteur der rechtspopulistischen „Nachrichtenseite“ Breitbart News, Stephen Bannon, lange Zeit der Leiter seines Wahlkampfteams war. Überhaupt erinnerte das Personal in Trumps Kampagnenteam insgesamt eher an ein junges, modernes StartUp für vegane Onlineprodukte im Silicon Valley als an die Unterstützergruppe eines alten, weißen, sexistischen Millionärs: Eine hundertköpfige, digitale Taskforce bestehend aus Programmierern, Grafikern, Werbetextern und Datenauswertern wurde engagiert, um rund um die Uhr für Trump Content zu erstellen. Ganz ähnlich wie bei einem Co-Working Space in Berlin Kreuzberg arbeiteten dabei die meisten der Angestellten selbstständig und auf Provisionsbasis. Wenn also einzelne Personen nicht mehr die gewollte Leistung erbrachten und nicht genug Wähler erreichten, gab es am Folgetag entweder weniger Geld oder es hieß gleich im Trump-Style: „You’re fired!“. Dass Trumps Team sich dabei in einen digitalen Kriegszustand versetzte, sieht man auch an der Namensgebung für eines ihrer wichtigsten Verwertungsprogramme von Daten: Der mithilfe von Cambridge Analytica entwickelte “Battleground Optimizer Path to Victory” sollte Trumps Weg zur Präsidentschaft ebnen. Das Programm ermöglichte die Kalkulation von Gewinnchancen in verschiedenen Stadtteilen oder Bezirken des Landes und bestimmte, mit welchen Inhalten unentschiedene Wählergruppen in diesen Gebieten noch gewonnen werden könnten [36].
Das digitale Sprachrohr des Volkes
Trumps taktischer Gewinn im Umgang mit Sozialen Medien ist also nicht nur das durch seinen Populismus entstandene digitale Echo. Vielmehr nutzte er Medienplattformen wie Twitter, um auszuloten, welche seiner radikalen Behauptungen gleichzeitig Aufsehen erregten, ihm aber trotzdem die Basis an konservativen Unterstützern erhalten – und vielleicht sogar vergrößern – konnten. Während er also seinen Wahlkampf an sein Publikum anpasste, haben diese opportunistischen Aussagen auch die Figur Trump selbst verändert.
Die Wähler wurden für ihn zu Kunden auf dem digitalen Marktplatz der Aufmerksamkeit: Trump hat Interessen, Ansichten und Ängste der relevantesten Zielgruppen in Amerika erfasst und sich dann radikal von diesen Erkenntnissen umformen lassen. Das politische Kunststück war es also nicht nur, Wellen in gesellschaftlichen Diskussionen zu schlagen und so in der Masse an digitalen Inhalten aufzufallen. Noch wichtiger war es, mithilfe des gesammelten Wissens über die User herauszufinden, wie er sich trotz absoluter Prinzipienlosigkeit als das „Sprachrohr der Amerikanischen Bevölkerung“ [37] inszenieren konnte. Politische Glaubwürdigkeit oder konstruktive Inhalte waren dabei völlig egal. Trump ist durch seinen digitalen Wahlkampf selbst zu einer Art politischer Echokammer geworden, die nur ein Ziel verfolgte: Kundenzufriedenheit generieren.
Text: Hendrik Meyer
Grafik: Hendrik Meyer (www.hendrikpanda.com)