Uni-Rektor Bernd Scholz-Reiter und sein Team veröffentlichten jahrelang bei pseudowissenschaftlichen Scheinverlagen und mussten sich keinen Konsequenzen stellen. Was es damit auf sich hat, erfahrt ihr hier.
Wie Recherchen des NDR im vergangenen Sommer herausstellten, haben tausende deutsche Wissenschaftler ihre Arbeiten bei sogenannten „Scheinverlagen“ veröffentlicht – darunter auch der Bremer Unirektor Bernd Scholz-Reiter, der bislang Einzige in so einem hohen Amt. Während dieser sein Unwissen über die Natur dieser Verlage beteuert, zweifeln andere Wissenschaftler seine Aussagen an.
Worum handelt es sich bei diesen Scheinverlagen überhaupt?
Um die Qualität der veröffentlichten Arbeiten zu garantieren, überprüfen wissenschaftliche Verlage diese gängigerweise vor dem Erscheinen mithilfe einer Peer-Review-Methode – das heißt, die Arbeiten werden von anderen Wissenschaftlern des gleichen Fachgebietes überprüft und korrigiert. Bei pseudowissenschaftlichen Verlagen fällt dieser Schritt einfach weg, meist werden die Beiträge ohne jegliches wissenschaftliche Feedback im Internet veröffentlicht. Für ausreichend Geld könnte jeder dort eine gefälschte Studie veröffentlichen. Laut der TAZ kommt Scholz-Reiter im Zeitraum 2009 bis 2014 auf ganze 59 Veröffentlichungen bei solchen Scheinverlagen. Kann das ein unglücklicher Zufall sein, oder wurde hier vorsätzlich gehandelt?
Scholz-Reiter sei es um Open-Access gegangen
In einem Interview mit dem Weserkurier erklärt Scholz-Reiter, dass er zu der Zeit der Veröffentlichungen nicht gewusst habe, dass es sich um unseriöse Verlage gehalten hat. Er habe damals den für Alle öffentlichen und kostenlosen Online-Zugang zu den Arbeiten, den Open-Access, unterstützen wollen: „Für mich persönlich war es wichtig, “Open Access” zu unterstützen – auch, wenn mir die Veröffentlichung in traditionellen Journalen mehr Reputation gebracht hätte“ (Quelle Weserkurier). Für Scholz-Reiters Argumentation spricht die Tatsache, dass Scheinverlage erst ab 2013 wirklich bekannt wurden. Nur weil eine wissenschaftliche Arbeit bei einem unseriösen Verlag veröffentlicht wurde, muss sie nicht unbedingt schlecht oder falsch sein. Doch in der Wissenschaft sind Qualität und Richtigkeit der veröffentlichten Beiträge durch Prüfung des Verlages enorm wichtig.
Kritik aus den eigenen Reihen
Auch wenn von Seiten der Universität Bremen wenig Reaktion auf die Recherche-Ergebnisse gezeigt wurde, hagelt es vereinzelt auch schwere Kritik. In einem Interview mit der TAZ bezeichnet Experimentalphysiker Wolfgang Dreybrodt Scholz-Reiters Aussagen als schlechte Ausreden. Für Wissenschaftler ist es enorm wichtig, möglichst viele Publikationen zu machen, weshalb manche Wissenschaftler Scheinverlage als eine attraktive Möglichkeit sehen, schnell und einfach ihre Anzahl an Veröffentlichungen zu steigern. Dreybrodt fände es fragwürdig, dass ein hochrangiger Akademiker einen Scheinverlag nicht von einer relevanten Fachzeitschrift des eigenen Feldes unterscheiden kann.
Und jetzt?
Im Zuge der Berichterstattung im Juli veröffentlichte die Pressestelle der Universität Bremen zwei Beiträge zu den Vorwürfen. Sie warnen vor den hier genannten „Predatory Publishers“, und wollen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermehrt über Open Access und die dazugehörigen Gefahren aufklären. Auch Scholz-Reiter betont hier, dass es zu der damaligen Zeit für ihn und seine Ko-Autoren keinen Anlass zu Zweifel an der Seriosität der Verlage gegeben habe. Die Existenz solcher Scheinverlage sei zu dem damaligen Zeitpunkt unbekannt gewesen.
Eine Debatte über diese Problematik ist in der universitären Öffentlichkeit trotz dieser Aussagen und der Berichterstattung in der Bremer Presse nicht entstanden. Auch von studentischer Seite hört man nichts, da während der Sommerpause nur Wenige von der Kontroverse erfahren haben. Die KROSSE-Redaktion wird das Thema erneut aufgreifen und versuchen, mit Hilfe eines Interview mit Bernd Scholz-Reiter das Schweigen auf dem Campus zu durchbrechen. *
*Der letzte Absatz wurde am 17. November 2018 aktualisiert.
Von Lillith Dörsch
Bildquelle: Universität Bremen