Faul und feiern die Nächte durch, leben in den Tag hinein. Sie werden dafür bezahlt, jahrelang nichts zu tun. Das ist ein gängiges Bild vom Studenten. Wie ist die Realität, sind wir wirklich so? Die sechs gängigsten Klischees, kommentiert von einer halbwegs fleißigen Studentin.
1. Studenten haben so viel Freizeit
„Das Studium ist die schönste und entspannteste Zeit in deinem Leben!“. Damals, noch dumm und naiv, habe ich mir das auch so vorgestellt. Vielleicht drei Vorlesungen die Woche, Ende des Semesters ein paar Klausuren und ab und zu mal eine Hausarbeit in den Ferien – alles klar, easy going. Erschrocken musste ich feststellen: Wochenende – quasi non existent. Unter der Woche Vorlesungen, Seminare, Credit Points sammeln, zwischendurch in der Bibliothek verloren gehen, danach echte Credit Points sammeln – irgendwie müssen die täglichen zwei Liter Kaffee und das nicht selbstgekochte Essen ja bezahlt werden. Pro Woche sollte ein braver Student die drei Pflichttexte á mindestens 30 Seiten lesen, ein vorbildlicher Student bitte auch noch zusätzliche Literatur. Ersichtlich wird: Unter der Woche wird das nichts, daher geht mindestens der Sonntag dafür drauf. Folge: Hobbies werden vernachlässigt. Das Studium ist ein Fulltime-Job. Lieblingsphrasen von uns Studenten: „Ich weiß echt nicht, wie ich das alles schaffen soll“, „Ich kann nicht mehr“ und „Ich hab überhaupt keine Motivation“. Sehnsüchtig und voller Vorfreude blicken wir also monatelang auf die Semesterferien, die außerdem gar nicht „Ferien“, sondern nur „vorlesungsfreie Zeit“ heißen. Wir sollen ja keinen Urlaub machen, wir sollen Hausarbeiten und Essays schreiben und am besten auch noch Praktika absolvieren. Realistisch? Nein. Vielen Dank auch, Bachelor-System!
2. Studenten sind faul und schlafen bis mittags
Ein Teufelskreis. Wir haben nun mal keine festen Zeiten, wenn man also erst um 12 Uhr in der Uni sein muss, steht man dann um 6 Uhr auf? Vollkommen utopisch. Selten werden doch überhaupt Veranstaltungen um 8 Uhr angeboten. Länger als bis 9 Uhr in den Federn zu liegen, kann man sich meistens trotzdem nicht leisten. Tagsüber in der Uni, bleibt nur die Nacht, das ist die Hochphase der Produktivität. Dass wir dann wiederum etwas länger schlafen müssen, ist natürlich. Unser Tagesrhythmus ist verschoben – andere kommen schon um 17 Uhr nach Hause und haben Feierabend. Feierabend – was ist das überhaupt? Von wegen, Studenten hätten so viel Freizeit. Freizeit wird bei uns ja noch nicht mal mehr Freizeit genannt, sondern nur „Prokrastination“.
3. Studenten sind unorganisiert und unpünktlich
Ganz ehrlich, unpünktlich ist das eine, das ist typenabhängig. Aber unorganisiert? Wir müssen immerhin zweimal jährlich ohne Erinnerung (!!) die Semesterbeiträge rechtzeitig überweisen oder uns für die Prüfungen anmelden. Sonst gilt das Zauberwort: Exmatrikulation. Außerdem müssen wir unser karges Studentengehalt verwalten und auf einen ganzen Monat aufteilen. Da ist jawohl höchste Organisation gefragt.
4. Studenten feiern nur
Was tun, bei dem ganzen „Stress“? Eine wirksame Medizin, und das wissen alle Studenten: Dampf ablassen beim Tanzen. Mal an nichts denken, eine Nacht ausgedehnt verschwenden, getting wasted. Dass da Alkohol ins Spiel kommt und mal die Nacht durchgefeiert wird, hat wohl weitaus weniger mit dem Studentendasein als mit dem Alter zu tun.
5. Studenten können nicht kochen
Größtes Vorurteil! Man schaue sich mal die Instagram-Profile der Kommilitonen an. In jedem Studentenprofil vorfindbar: Mindestens einer der Hashtags #healthyliving #lowcarb oder #foodporn zugehörig zu perfekt inszenierten und möglichst nährstoffhaltigen Essenskunstwerken. Wahrscheinlich als Ausgleich zum Mensa-Essen.
6. Studenten sind immer pleite
Na gut, das trifft zu. BAföG bekommt nicht jeder, die Zeit zum Arbeiten ist knapp und Studentenrabatte tragen weniger zu überlebenswichtigen Dingen wie Miete als zu Kinobesuchen bei, die trotzdem noch immer nicht günstig und für die meisten Studenten selten sind.
Sind wir also Faulenzer? Nein, dank des Bachelor-Systems sind Studentenalltag und -nacht sichtlich durchzogen von Uni, Uni, Uni. Ob das früher besser war? Irgendwann muss sich dieses Image schließlich verfestigt haben und eines steht fest: An unserer braven und äußerst fleißigen Generation liegt das natürlich nicht – die anderen sind wie immer Schuld.
Jula Lühring
Foto: KROSSE