Die neue Serie von HBO ist Anfang Februar in Deutschland gestartet. Schon im Oktober 2016 englischsprachig erschienen, schlägt sie jetzt die ersten großen Wellen nach Deutschland – eine futuristische Serie so absurd verrückt und doch realitätsnah mit altbekannten Fragen der künstlichen Intelligenz und der Natur des Menschen.
„Have you ever questioned the nature of your reality?“
Mitten im wilden Westen jagen Besucher Abenteuern nach und rauben, vergewaltigen, töten. Westworld heißt der Vergnügungspark mit dem Slogan „live without limits“, um den sich die Serie dreht. Dabei ist Park eine Untertreibung, es ist eine ganze, künstliche Welt mit Ganoven, Prostituierten, Indianern und allem was dazu gehört. Die Stunts bleiben hierbei nicht aus.
Der Park ist bestückt mit sogenannten Hosts – Robotern. Sie leben in einer Handlungsschleife, die sich immer wiederholt. Sie sterben, werden zusammengeflickt und wieder eingesetzt. Das Gedächtnis der Hosts wird dabei gelöscht. Die Parkbesucher dagegen können nicht getötet werden und das wahre Gesicht eines jeden kommt ans Licht: Sie leben ihre dreckigsten Fantasien aus oder werden zum mutigen Helden. Damit das Vergnügen realistisch bleibt, sind die Hosts möglichst menschlich gestaltet und werden diesen per Updates immer ähnlicher. Sie haben Erinnerungen und können improvisieren. Jetzt läuft etwas falsch – der Klassiker – der Roboter fängt an, sich gegen den Menschen aufzulehnen. Aufgrund eines fehlerhaften Updates kehren bei einigen Hosts die Erinnerungen an vorherige Rollen realitätsgetreu im Traum zurück. Sie erinnern sich also Nacht für Nacht daran, wie sie qualvoll ermordet, vergewaltigt oder gefoltert wurden. Die Folge: Die Hosts bringen sich gegenseitig um, greifen Gäste an und bringen die Storylines durcheinander.
Besondere Aussetzer gibt es bei einer jungen Frau namens Dolores (Evan Rachel Wood), die in ihrer Rolle als jungfräuliche Farmer-Tochter immer wieder vergewaltigt wird. Sie ist der älteste und mit Abstand friedlichste Host im Park. In den ersten Folgen wird sie anhand der Aussage „Some people choose to see the ugliness in this world. I choose to see the beauty.“ charakterisiert. Doch jetzt fängt sie an, sich an das Leid, das ihr und ihrer Familie widerfahren ist, zu erinnern und will sich endlich wehren. Sie verlässt also scheinbar ihre Schleife trotz ihrer Überzeugung „There’s a path for everyone“ und zweifelt ihre Realität und Existenz an.
Dann ist da noch die Prostituierte Maeve (Thandie Newton), die während einer Operation außerhalb des Parks aufwacht und die beiden Techniker dazu bringt, ihr alles zu erzählen. Sie versteht und erpresst die beiden, um dem Park zu entkommen.
Aber entwickeln die Hosts nun tatsächlich ein eigenes Bewusstsein oder sind diese Aussetzer Teil neuer Storylines?
The maze
Alle Handlungsstränge im Park scheinen sich letztendlich zuzuspitzen; immer wieder taucht ein Labyrinth auf, dem ein Gast, der nur als Man in Black (Ed Harris) bekannt ist, skrupellos hinterher jagt, auf der Suche nach seinem wahren Ich. Was sich in der Mitte befindet, ist ein Geheimnis.
Außerhalb des Parks bleiben die Interessen der „Macher“ derweil ungewiss und die Geschehnisse im Park sind geprägt von ihren Machtspielchen. Anthony Hopkins (Das Schweigen der Lämmer) spielt einen der Gründer des Parks – ob er einen ähnlichen Bösewicht der Marke Hannibal Lecter oder einen sentimentalen Professoren spielt, bleibt bis zum Staffelfinale unklar. Hopkins schauspielerische Leistung trägt sicherlich dazu bei und auch die Schauspieler der Hosts sollten nicht unbenannt bleiben. Sie schalten zwischen absolut menschlich und verräterischen Roboter-Phrasen hin und her und wirken im „Analysis“-Modus wie Puppen. Erstaunlicherweise ertappt man sich als Zuschauer dabei, wie man die Menschen zunehmend als überheblich und unmenschlich empfindet und für die sogar menschlicher wirkenden Hosts in ihrer Opfer-Rolle im psychischen und physischen Gefängnis des Parks mitfiebert.
Go and watch it
Die Wendepunkte der Serie sind als Zuschauer nicht voraussehbar, es geht von einem WTF- zum HÄ-Moment über. Die Eingangsfrage „Have you ever questioned the nature of your reality?“ zieht sich durch die gesamte erste Staffel der Serie – entwickeln die Hosts nun Bewusstsein oder ist es scripted als Teil einer neuen Storyline? Sie wirken immer menschlicher, die Menschen immer unmenschlicher. Drehbuchautor Christopher Nolan wolle die künstliche Intelligenz nicht als Antagonisten darstellen und stellt mit der Serie die Frage nach der Natur des Menschen und ob es überhaupt erstrebsam ist, menschlich zu sein. „Humans fancy that there’s something special about the way we perceive the world, and yet we live in loops as tight and as closed as the hosts do, seldom questioning our choices, content, for the most part, to be told what to do next.“
Man schaue sich die junge Erica an – künstliche Intelligenz ist Realität. Die Serie geht kritisch damit um und stellt die Frage: Sollte sie das überhaupt sein?
Facts
Die Serie Westworld beruht auf dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1973 von Michael Crichton (Jurassic Park). Allein hinter der Produktion stehen berühmte Namen: Als Drehbuchautor dient Christopher Nolan, der Bekanntheit durch die Filme Memento, The Dark Night und Interstellar errang, produziert wird die Serie von J.J. Abrams (Star Wars: Das Erwachen der Macht).
Bei der US-Premiere am 2. Oktober 2016 erreichte die erste Folge etwa 3,3 Millionen Zuschauer. Im November wurde bereits eine zweite Staffel bestellt, die aber aufgrund der aufwendigen Produktion erst im Jahr 2018 ausgestrahlt wird. Drehbeginn der ersten Folge war bereits im August 2014 und allein die erste Staffel soll schätzungsweise 100 Millionen US-Dollar gekostet haben. Seit der Erstausstrahlung ist die zehnteilige Serie auf Englisch (auch mit deutschem Untertitel) bei Sky On Demand und Sky Ticket abrufbar, auf Deutsch erscheint sie dort ab dem 02. Februar 2017 mit jeweils einer Folge pro Woche. Den Trailer findet ihr hier. Außerdem kann die erste Staffel bei Amazon Video gekauft werden.
Jula Lühring