Am 6. Juli gab es die Premiere zu dem neuen Stück des Theater InCognito im Theatersaal der Uni Bremen. Bertold Brechts „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ wurde neu inszeniert und von schauspielfreudigen Studenten der Universität Bremen interpretiert. Die nächsten Vorstellungen sind jeweils am 09.07. und 10.07., am 15., 16., 18. und 19.07. um 19.00 Uhr.
Ich bin eigentlich kein Fan von Theater. Man kann mich auch als Kunstbanause abstempeln, aber ich bevorzuge den Film. Allerdings war ich auf der Premiere von „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ und bin – um ehrlich zu sein – begeistert. Mein größtes Vorurteil dem Theater gegenüber war immer, dass es zu dramatisch und aufgesetzt ist. Bei Theaterstücken kann ich mich nie besonders in die Handlung oder die Charaktere hineinversetzen, weil zu viel gebrüllt und zu aufgesetzt gesprochen wird. Außerdem mag ich Bühnenbilder nicht, die kann ich nie verstehen und find, dass sie in 99% der Fälle das Thema total verfehlen. Aber genug dazu, jetzt mal zum Stück des heutigen Abends.
Benutzet das Publikum
Es hat sehr sexy angefangen muss ich sagen, zwei attraktive, junge Frauen haben das Stück mit lasziven Hüftschwüngen und verführerischen Blicken in Strapsen und High-Heels eröffnet. Die Herren der Schöpfung waren sehr angetan – ich auch. Mir ist außerdem aufgefallen, dass der Saal für einen sonnig-heißen Sonntagabend recht gut gefüllt war. Bereits am Anfang hat man gemerkt, dass der ganze Saal die Bühne war. Die Schauspieler der einzelnen Szenen kamen aus jeder Tür heraus oder liefen singend durch den Saal. Im ersten Akt haben sich die Darsteller der Arbeiter unter das Publikum gemischt und von dort aus mit ihren Kollegen_innen interagiert. Die sexy Tänzerin, von der ich am Anfang erzählt habe, hat sich sogar auf den Schoß einer Besucherin gesetzt – viele Kerle dort haben sich sicherlich verdammt geärgert, weshalb sie nicht in der ersten Reihe saßen. Dass das Publikum dermaßen mit einbezogen wurde und die Schauspieler locker durch den ganzen Saal spaziert sind, hat die Atmosphäre positiv beeinflusst.
Heilige und Profis
Was mich auch positiv überrascht hat, war die Professionalität der Schauspieler, die ihren Job fantastisch gemacht haben. Ihre Charaktäre waren zwar dramatisch interpretiert, doch immer mit einem Hauch Ironie und Lässigkeit – Studenten eben. Besonders die Heilige Johanna des Stücks, Inken Janßen, ist mir aufgefallen. Sie hat ihre Rolle unglaublich gut und überzeugend gespielt. Als Jeanne D’Arc 2.0 geht sie locker durch.
Der moderne Kampf
Es ist eine Kritik am Wirtschafts- und Profitsystem, durch das alle Menschlichkeit zu zerbrechen droht und den Einzelnen oftmals so einschüchtert, dass man resigniert zurücktritt. Die Johanna des Stücks steht für den Gedanken, dass jeder Einzelne nach Gerechtigkeit streben und dafür gesellschaftlich mehr oder weniger akzeptierte Umstände kritisieren und bekämpfen soll.
Ein Aspekt, der dieser Intention des Stücks vollkommen unterstreicht, ist die Tatsache, dass, während Johanna sich mit dem reichen Mauler im Privaten unterhält und in sein Gewissen spricht, im Hintergrund Aufnahmen von Menschen zu sehen sind, die sich in einer Meute oder alleine vor Militärpanzer stellen und den Weg versperren. Dies fand ich sehr berührend.
Wenn ihr Theater mögt – oder auch nicht – dann schaut euch dieses Spektakel doch mal an, ihr werdet es nicht bereuen.
Refiye Ellek